Samstag, Januar 11

Donald Trump entgeht im Schweigegeld-Prozess in New York einer Haftstrafe. Aber er wird nun als ein in erster Instanz verurteilter Straftäter ins Weisse Haus einziehen – ein Novum in der amerikanischen Geschichte. Dennoch kommt Trump glimpflich davon.

Noch vor einem Jahr war Donald Trump in vier Strafverfahren angeklagt. Nur in einem Fall ist es jedoch zu einem Prozess und nun am Freitag mit der Verkündigung des Strafmasses zu einer abschliessenden Verurteilung in erster Instanz gekommen: im Schweigegeld-Prozess in New York.

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Eine Jury befand Trump bereits im vergangenen Mai in einer einstimmigen Entscheidung für schuldig. Die zwölf Geschworenen sahen es als erwiesen, dass er 2016 seine Geschäftsbücher gefälscht hatte, um eine Schweigegeld-Zahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zu vertuschen und damit seine Wahlchancen zu wahren. Trump drohte ein Strafmass von bis zu vier Jahren Gefängnis. Doch der zuständige Richter Juan Merchan entschied sich am Freitag bloss für eine «unconditional discharge» – eine bedingungslose Strafaussetzung. Trump ist damit formal ein in erster Instanz verurteilter Straftäter, entkommt aber einem Freiheitsentzug, einer Geldbusse und einer Bewährungsfrist.

Ein nachsichtiges und doch schmerzhaftes Urteil

Auch ein solch gnädiges Urteil wollte Trump indes unbedingt verhindern. Per Video zugeschaltet, bezeichnete der angehende Präsident das Verfahren am Freitag gegen ihn erneut als politische «Hexenjagd». Es habe dazu gedient, «meine Reputation zu schädigen, damit ich die Wahl verliere». Aber das habe am Ende offensichtlich nicht funktioniert. «Die Tatsache ist, dass ich völlig unschuldig bin.»

Ohne Zweifel war die Anklage in New York im Vergleich zu den anderen Strafverfahren gegen Trump die umstrittenste. Zum einen lag das mutmassliche Vergehen viele Jahre zurück. Zum anderen stützte sich die Staatsanwaltschaft mit Michael Cohen auf einen Schlüsselzeugen, dessen Glaubwürdigkeit fragwürdig erschien. Trumps früherer Anwalt hatte die Schweigegeld-Zahlung von 130 000 Dollar abgewickelt, nahm es in der Vergangenheit mit der Wahrheit aber auch nicht immer genau und wandelte sich zu einem scharfen Trump-Kritiker. Trotzdem konnte die Anklage alle Geschworenen von der Schuld des ehemaligen Präsidenten überzeugen.

Dem Richter Juan Merchan schien es wichtig zu sein, den Schuldspruch der Geschworenen zu respektieren. Deshalb wollte er den Prozess mit der Festlegung des Strafmasses noch vor der Amtseinsetzung des neuen und ehemaligen Präsidenten formell beenden. Gleichzeitig musste Merchan berücksichtigen, dass der Supreme Court im Sommer amerikanischen Präsidenten in einem Urteil weitreichende Immunität einräumte und Trump vom Volk erneut in dieses Amt gewählt wurde. Eine «unconditional discharge» sei deshalb das einzig mögliche Strafmass gewesen, um nicht in einen Konflikt mit «dem höchsten Amt im Land» zu geraten, sagte der Richter am Freitag. Dann wandte er sich Trump zu: «Ich wünsche Ihnen viel Glück in Ihrer zweiten Amtszeit.»

Nach dem Schuldspruch im Mai wollte Merchan das Strafmass eigentlich bereits im Sommer verkünden. Doch nach dem Immunitätsurteil des Supreme Court im Juli verschob er diesen Termin zunächst auf September und mit Rücksicht auf den Wahlkampf schliesslich auf einen Zeitpunkt nach dem Wahltag. Merchan kam im Dezember zu der Überzeugung, dass Trump in dem Fall keine Immunität besitzt, weil er damals noch als Privatperson handelte. Gleichzeitig stellte er aber in Aussicht, dass er auf eine Gefängnisstrafe für Trump verzichten werde. Dies sei die tragfähigste Lösung, um die Sache zu einem Ende zu bringen, schrieb der Richter in einer Entscheidung vergangene Woche.

Die schweren Anklagen sind versandet

Trump versuchte, die Verhängung des Strafmasses trotzdem noch mit einem Eilantrag am Obersten Gericht zu verhindern. Doch der konservativ geprägte Supreme Court lehnte am Donnerstag einen Aufschub in einer denkbar knappen Entscheidung ab: 5 zu 4 Stimmen lautete das Urteil. Zum einen stehe es Trump offen, das Urteil an höheren Instanzen auf dem ordentlichen Berufungsweg anzufechten, hiess es in der Begründung. Zum anderen könne Trump mit einer «unconditional discharge» rechnen. Dieses «relativ substanzlose» Strafmass sei keine grosse Belastung.

Demnach hätte der Supreme Court vielleicht anders entschieden, wenn Merchan im Vorfeld kein nachsichtiges Urteil signalisiert hätte. Das Verfahren wäre vielleicht nie zu einem Ende gekommen. Die Rechtsprofessorin und ehemalige Bundesstaatsanwältin Joyce Vance bezeichnete das Vorgehen des Richters deshalb als umsichtig. Trumps formale Verurteilung sei in diesem Fall wichtiger als das Strafmass, schrieb Vance in einer Kolumne. Jetzt könne das Berufungsverfahren durch alle Instanzen beginnen. Werde das Urteil der Geschworenen in New York am Ende bestätigt, werde Trump «für immer ein verurteilter Straftäter sein».

Trump hatte bereits am Donnerstag angekündigt, das Urteil anzufechten. Das Verfahren dürfte Jahre dauern, wobei in letzter Instanz erneut der Supreme Court darüber entscheiden könnte. So tritt mit Trump in wenigen Tagen erstmals ein Präsident sein Amt an, der für eine Straftat in erster Instanz verurteilt wurde. So unschön dies scheint, kommt er damit jedoch glimpflich davon. In den übrigen Anklagen gegen ihn hätten Trump wesentlich höhere Strafen gedroht. Der Sonderermittler Jack Smith warf ihm wegen der Unterschlagung von Geheimdienstdokumenten unter anderem Justizbehinderung vor. Für seinen Versuch, das Wahlresultat 2020 umzudrehen, drohte Trump ein Prozess wegen einer «Verschwörung zum Betrug der USA». Doch es gelang ihm, auch diese Fälle – unter anderem mithilfe des Immunitätsurteils – erfolgreich zu verzögern.

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