Die Bewegung «No Labels» wollte einen gemässigten Drittkandidaten ins Rennen um das Weisse Haus schicken. Doch das Projekt fand kein geeignetes Personal. Robert F. Kennedy hat somit freie Bahn für die Rolle des Spielverderbers. Biden muss ihn zunehmend fürchten.

Die Ausgangslage für die amerikanische Präsidentschaftswahl im November ist wie gemacht für Drittkandidaten. Die Mehrheit der Bürger hat keine Lust auf das Rematch zwischen den zwei Greisen Joe Biden und Donald Trump. Ein zunehmender Teil der Bevölkerung ist von beiden grossen Parteien enttäuscht und ermüdet von ihrem unproduktiven Gezänk.

Auch die zentristische Bewegung «No Labels» (Ohne Etiketten) erkannte dieses Potenzial. Sie sammelte Geld und Unterschriften, um einem alternativen «Einheitsticket» einen Platz auf dem Wahlzettel in allen Gliedstaaten zu sichern. Als Kandidaten für die Präsidentschaft und die Vizepräsidentschaft suchte «No Labels» einen moderaten Republikaner und einen gemässigten Demokraten. Sie hätten «der Mehrheit des gesunden Menschenverstands» im Herbst eine Stimme geben sollen.

Ein kleiner Spielverderber reicht für eine grosse Niederlage

Doch am Donnerstag erklärte die Gründerin und Geschäftsführerin Nancy Jacobson das Projekt für gescheitert. Es sei ihnen nicht gelungen, Kandidaten zu finden, die realistische Chancen auf einen Wahlsieg gehabt hätten, sagte Jacobson in einer Mitteilung. Insgesamt dreissig Politiker fragte ihre Organisation in den vergangenen Monaten an. Zu ihnen gehörten auch die ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Nikki Haley und Chris Christie. Beide sagten jedoch ab.

Erstaunlich ist dies nicht. So gross die Nachfrage nach einer Alternative derzeit ist, Drittkandidaten haben im bipolaren Parteiensystem der USA kaum Siegchancen. Ihre Rolle beschränkt sich in der Regel auf jene des Spielverderbers. Im Jahr 2000 kandidierte Ralph Nader für die Grüne Partei. Er erhielt weniger als 3 Prozent der Stimmen. Trotzdem kostete dies den Demokraten Al Gore vermutlich den Wahlsieg. Auf ähnliche Weise verhinderte die grüne Aktivistin Jill Stein 2016 einen Sieg der Demokratin Hillary Clinton und verhalf Trump zum Triumph.

Das Ende der «No Labels»-Kampagne ist vor allem für die Demokraten eine gute Nachricht. Sie gingen davon aus, dass eine zentristische Alternative moderate Wähler angesprochen hätte, die Biden für einen Sieg dringend braucht. Die schlechte Nachricht für den Amtsinhaber ist jedoch: Es gibt immer noch drei unabhängige Kandidaten, die im Rennen sind und seine Wahlchancen gefährden.

Zum einen handelt es sich erneut um Jill Stein und den linken Philosophen Cornel West. Sie werden mit ihrem Profil fast ausschliesslich demokratische Wähler ansprechen. Allerdings befinden sich ihre Umfragewerte im tiefen einstelligen Bereich. Gefährlicher für Biden könnte Robert Kennedy junior sein. Der Neffe des ehemaligen demokratischen Präsidenten John Kennedy verzeichnet derzeit Zustimmungswerte zwischen 8 und 14 Prozent.

Eine Vizepräsidentin für linke Wähler

Zunächst schien Kennedy vor allem ein Problem für Trump zu sein. Der 70-jährige Umweltanwalt ist ein Impfgegner, gibt den USA eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg in der Ukraine und hegt ein tiefes Misstrauen gegenüber der politischen Elite. Mit diesen Positionen spricht er im Grunde eher Trump-Wähler an. Doch jüngere Umfragen zeigen, dass eine Präsidentschaftswahl mit Kennedy eher Biden Stimmen kosten wird.

Ein einfacher Grund dafür könnte sein klingender Familienname sein. Vater Robert und Onkel John Kennedy waren Demokraten. Sie gehören bis heute zu den populärsten Figuren in der Geschichte der Partei. Die guten Erinnerungen an sie machte sich Kennedy junior während des Super Bowl im Februar zunutze. In einer Pause des grossen Finalspiels der National Football League schaltete seine Kampagne für sieben Millionen Dollar eine Wahlwerbung, die einen alten Spot seines Onkels aus den sechziger Jahren kopierte – auch die Musik mit dem fröhlichen Sprechchor «Kennedy, Kennedy, Kennedy».

Jüngst schoss sich Kennedy junior zudem auf Biden ein. In einem Interview mit CNN bezeichnete er den amtierenden Präsidenten als «viel grössere Gefahr für die Demokratie» als Trump. Biden habe die Bundesbehörden missbraucht, um Druck auf grosse soziale Netzwerke auszuüben, um die Redefreiheit seiner Gegner zu unterdrücken, argumentierte Kennedy. Die Plattform Instagram sperrte seinen Account 2021, weil er «wiederholt widerlegte Behauptungen über das Coronavirus und Impfungen» verbreitet hatte.

Ende März präsentierte Kennedy die vermögende Tech-Anwältin Nicole Shanahan als seine Vizepräsidentin. Die frühere Ehefrau des Google-Mitgründers und Multimilliardärs Sergey Brin gehörte bisher zu den Geldgebern der Demokraten und bezeichnete sich selbst als «durch und durch progressiv». Der Krieg im Irak habe sie zur Anti-Kriegs-Aktivistin gemacht, erklärte die 38-jährige Tochter einer chinesischen Einwanderin in ihrer Rede mit gläsernen Augen. Sie wolle «dem Frieden dienen und armen Menschen helfen». Dies seien auch die Werte der Demokratischen Partei gewesen. Aber diese sei von ihrem Weg abgekommen.

Die Demokraten haben die Gefahr von Drittkandidaten längst erkannt. Die Partei beauftragte eine ganze Reihe von Aktionskomitees damit, solche Alternativen mit viel Geld zu bekämpfen. Nach dem Aus von «No Labels» wird sich ihr Fokus nun auf Kennedy richten. Seit Shanahans Nomination seien die Demokraten noch mehr alarmiert, berichtete NBC News kürzlich. Alle gingen davon aus, dass diese Wahl um Haaresbreite entschieden werde, erklärte ein führender Demokrat dem Fernsehsender. «Deshalb sind die Leute so verängstigt wie nie zuvor.»

Derweil bezeichnet sich Kennedy selbst bereits als «den schlimmsten Albtraum der Demokraten».

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