US-Präsident Donald Trump fordert nun auch Zölle für die Einfuhr von Medikamenten. Im Gesundheitswesen wären sie ein besonderes Unding. Sie würden die Kosten einzig weiter verteuern, sagt der Medikamentenhersteller Lonza.
Trump liebt Zölle. Und er scheint davon überzeugt zu sein, Unternehmen so zwingen zu können, Produkte für den US-Markt möglichst nur noch in Amerika herzustellen.
Neben Computerchips und Stahl im Visier von Trump
Vertreter aller Branchen fragen sich denn auch bange, wen die Drohungen Trumps als Nächste treffen könnten. Am vergangenen Montag nahm der US-Präsident neben Computerchips und Stahlprodukten, bei denen die Vereinigten Staaten besonders von Importen abhängig sind, Erzeugnisse der Pharmaindustrie ins Visier.
Für Medikamentenhersteller wären solche Handelshemmnisse weitgehend ein Novum. «Arzneimittel werden üblicherweise von Zöllen ausgespart, weil sie für das Wohl der Menschheit von grosser Wichtigkeit sind», sagt Wolfgang Wienand, der Konzernchef von Lonza. Allerdings, wisse man nie, was sich mit Trump in der Handelspolitik alles noch verändern könnte.
Cleverer Schachzug in Kalifornien
Das Basler Unternehmen Lonza, das am Mittwoch sein Jahresergebnis präsentierte, gilt als der weltgrösste Lohnhersteller von Medikamenten. Es erwarb erst Anfang vergangenen Oktobers für 1,4 Milliarden Franken von Roche ein grosses Produktionswerk im kalifornischen Vacaville. Roche hat wegen Veränderungen im eigenen Produkteportfolio keinen Bedarf mehr für die Anlagen.
Bei Lonza stand hinter dem Kauf primär die Überlegung, sich zusätzliche Kapazitäten für die Umsetzung des zweistelligen Wachstums zu sichern, das man sich in den kommenden Jahren zum Ziel gesetzt hat. Doch angesichts der neuerlichen Wahl des Protektionisten Trump hat sich der Konzern womöglich auch einen Standortvorteil im Wettbewerb mit europäischen oder asiatischen Auftragsfertigern verschafft.
«Mit unserer starken Präsenz in den USA fühlen wir uns gut positioniert, um mit allerlei Entwicklungen fertig zu werden», unterstrich Wienand. Das Werk in Vacaville, das laut Unternehmen zu den weltgrössten Fabriken für die Produktion von biotechnologisch hergestellten Medikamenten zählt, ergänzt eine bestehende Biotech-Fertigungsstätte von Lonza in Portsmouth im Gliedstaat New Hampshire.
Dank grossen US-Anlagen wähnt sich der Konzern auch in seinen beiden anderen Geschäftsfeldern, der chemischen Herstellung von Arzneimitteln sowie der Produktion von Zell- und Gentherapien, in einer vorteilhaften Position.
Die Wertschöpfungsketten im Pharmasektor sind global
Allerdings dürften auch unter Trump die USA in der Pharmaproduktion niemals autark werden. Die Herstellung vor allem neuer innovativer Medikamente erfolgt – in Teilschritten – meist an einer Reihe von spezialisierten Standorten weltweit. Dabei wird ein Präparat nicht selten mehrmals zwischen Kontinenten hin und her geschickt, bis es fertig produziert ist.
Für Wienand, der im Juli 2024 als Konzernchef vom kleineren Konkurrenten Siegfried zu Lonza wechselte, ist klar, dass Zölle auf Pharmaprodukten die Gesundheitskosten in den USA unweigerlich in die Höhe treiben würden. «Wir würden die Mehrkosten auf unsere Kunden überwälzen, und die Pharmafirmen täten dasselbe bei ihren Abnehmern.»
Wie in vielen Branchen scheint man auch in der Pharmaindustrie davon auszugehen, dass die neue Regierung viele der Drohungen ihres Präsidenten am Ende doch nicht umsetzen wird.
Anleger nehmen Kursgewinne mit
Der Aktienkurs von Lonza ist seit Beginn dieses Jahres um knapp 7 Prozent auf 570 Franken gestiegen. Am Mittwoch gab es indes einen Taucher von über 4 Prozent. Dafür seien wohl Gewinnmitnahmen verantwortlich, führten Analytiker der Zürcher Kantonalbank aus. Sie sind wie andere Marktbeobachter für den Geschäftsverlauf von Lonza weiterhin positiv gestimmt.
Das Wertschriftenhaus Stifel glaubt, dass es Lonza rasch gelingen wird, bedeutende Aufträge für das Werk in Vacaville zu gewinnen. Noch werden dort fast ausschliesslich Medikamente für Roche produziert, allerdings mit sinkender Tendenz.
Laut Stifel bietet die Fabrik branchenweit als einzige freie Kapazitäten für die grossvolumige Herstellung von Biotech-Produkten innerhalb der nächsten 18 Monate. Wegen der weiterhin stark steigenden Nachfrage nach neuen Medikamenten sind offenbar überall sonst solche Fertigungskapazitäten knapp.
Stabiler Umsatz trotz Wegfall von Covid-Geschäften
Anders als im Vorjahr profitierte Lonza 2024 nicht mehr von Geschäften mit Covid-Impfstoffen. Diese fielen vollständig weg, nachdem sie im Vorjahr noch eine halbe Milliarde Franken eingebracht hatten.
Dank zusätzlichen Einnahmen aus anderen Bereichen gelang es dem Konzern gleichwohl, den Gesamtumsatz mit 6,6 Milliarden Franken beinahe auf dem Vorjahresniveau zu halten. Im laufenden Jahr will er auf den Wachstumskurs zurückkehren. Für die fortgeführten Aktivitäten im Bereich der Auftragsfertigung von Medikamenten stellt das Management eine Umsatzzunahme von «annähernd 20 Prozent» in Aussicht.
Auch die Herstellung von Kapseln für Pharmafirmen und Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln soll 2025, wenn auch nur «im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich», wieder wachsen. Wegen hoher Lagerbestände in den Absatzmärkten kämpfte der Konzern in dieser Sparte zwei Jahre lang mit rückläufigen Einnahmen.
Wie Lonza im vergangenen Dezember an einem Investorentag ankündigte, soll der Bereich weiterhin verkauft werden. Man beobachte grosses Interesse, sagte Firmenchef Wienand. Noch seien aber keine Gespräche mit möglichen Käufern geführt worden.
Möglicherweise will Lonza ein Stück weit abwarten, bis sich die erwartete Erholung in den Geschäftszahlen manifestiert. Je mehr nämlich das Geschäft mit Kapseln wieder auf Touren kommt, desto teurer sollte es sich auch veräussern lassen. Der Einstandspreis, den Lonza beim Erwerb 2017 bezahlte, liegt bei 5,5 Milliarden Franken.