In Venezuela sollen im Juli Wahlen stattfinden. Die Opposition wird bereits bei der Zulassung gegängelt. Erstmals regt sich unter Lateinamerikas linken Präsidenten Kritik an Nicolás Maduro.
Teile und herrsche – mit dieser bewährten Strategie gegenüber der Opposition will der venezolanische Diktator Nicolás Maduro bei den Wahlen im Juli für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt werden. Elf Jahre schon regiert der ehemalige Busfahrer das einst reiche Ölland, das in der schwersten Krise seiner Geschichte steckt. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben unter Maduro acht Millionen Menschen das Land verlassen, das ist rund ein Viertel der Einwohner.
Nun sollte die Opposition ihre Kandidaten einschreiben für die Wahlen, die kurzfristig auf den 28. Juli angesetzt wurden. Doch die wichtigsten Persönlichkeiten unter den Regimekritikern dürfen nicht kandidieren. So wurde die bei internen Vorwahlen im letzten Jahr mit grossem Abstand als Oppositionsführerin bestätigte María Corina Machado ausgeschlossen. Auch ihrer Stellvertreterin gelang es nicht, sich auf der Website der Wahlbehörde einzuschreiben.
Hoffen auf einen Wahlboykott der Opposition
Nur zwei Kandidaten, die im weitesten Sinne zur Opposition gezählt werden können, gelang die Registrierung. Am bekanntesten ist Manuel Rosales, Gouverneur des ölreichen Gliedstaates Zulia. Der 71-Jährige unterlag bei der Wahl 2006 dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez. Er lebte mehrere Jahre im Exil und verbrachte nach der Rückkehr nach Venezuela einige Zeit im Gefängnis. Er schrieb sich jetzt ein, obwohl er nicht an internen Entscheidungsprozessen der Opposition teilgenommen hatte. Er wolle der Opposition nur den Platz garantieren, rechtfertigte sich Rosales nach heftiger Kritik in den sozialen Netzwerken. Er sei bereit, seinen Platz abzutreten, falls sich die Opposition auf eine Alternative einige.
Es scheint, als wolle Maduro versuchen, die Opposition mit den handverlesenen Kandidaten zu spalten oder gar zum Wahlboykott zu bewegen. Das würde ihm trotz den unfairen Wahlbedingungen einen Sieg sichern und damit den Verbleib an der Macht legitimieren. Dazu passt auch, dass das Regime in den letzten Wochen mehrere enge Mitarbeiter von Machado und ihrer Partei verhaftet hat. Einige sind in die argentinische Botschaft geflüchtet und haben Exil beantragt.
Maduro scheine die Oppositionsführerin provozieren zu wollen, damit sie die Wahlen insgesamt für ungültig erkläre, heisst es in Oppositionskreisen in Caracas. Das oberste Ziel der Opposition sei deshalb, geschlossen und aktiv an den Wahlen teilzunehmen – gleich, welcher Kandidat der Opposition auch zugelassen werde.
Anders als viele Autokraten weltweit ist Maduro unbeliebt
Maduro hat sich Ende letzten Jahres verpflichtet, «freie Wahlen unter internationaler Beobachtung» abzuhalten. An dieser Zusage wird er gemessen. Doch von freien Wahlen kann jetzt mit dem Ausschluss der wichtigsten Kandidaten der Opposition schon keine Rede mehr sein.
Maduro scheue das Risiko freier Wahlen, sagt ein Oppositionsführer, der wie die meisten wegen der wachsenden Repression nicht zitiert werden will. Anders als viele Autokraten weltweit, die trotz ihren Regimes in der Bevölkerung Rückhalt hätten, sei Maduro wegen der schweren Krise des Landes höchst unbeliebt. Nur maximal 20 Prozent der Venezolaner würden ihn wählen. Die Menschen wollen wirtschaftliche Stabilität und Einkommen – ihnen sei egal, wer das Land regiere, heisst es bei einer ausländischen Nichtregierungsorganisation.
Hoffnung macht der Opposition die abnehmende Unterstützung für Maduro in Lateinamerika. Erstmals haben die linken Regierungen von Brasilien und Kolumbien den Ausschluss der Opposition bei den Wahlen kritisiert. Bisher verteidigten die Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien und Gustavo Petro in Kolumbien das Regime in Venezuela immer wieder gegen jede Kritik. Doch nun scheinen sie nicht mehr bereit zu sein, die autoritären Eskapaden Maduros zu tolerieren. Das Aussenministerium in Caracas reagierte mit Beschimpfungen auf die schwindende Solidarität.
Auffallend ist dagegen die Zurückhaltung in den USA. Washington hatte letztes Jahr die umfassenden Sanktionen gegen das Regime aufgehoben, weil sich Maduro zu Wahlen verpflichtet hatte. Bis zum 20. April, wenn die Kandidatenliste von der Wahlbehörde offizialisiert werden soll, müsste die amerikanische Regierung entscheiden, ob sie die Sanktionen wieder einführt.
Eine Million Venezolaner wollen in die USA auswandern
Doch die Wahrscheinlichkeit für harte Kritik oder neue Massnahmen aus Washington ist gering: Die Regierung habe sich gegenüber Venezuela in eine Sackgasse manövriert, sagt eine Oppositionspolitikerin. Denn erneute Sanktionen für Venezuela könnten die weltweiten Ölpreise nach oben treiben. Steigende Benzinpreise will die Biden-Regierung im Wahlkampf genauso vermeiden wie eine neue Welle an Flüchtlingen aus Venezuela. Seit vergangenem Jahr sind die Venezolaner die grösste Gruppe illegal Eingewanderter in den USA.
In Umfragen behauptet rund ein Fünftel der Befragten in Venezuela, dass sie auswandern würden, falls bei den Wahlen im Juli alles beim Gleichen bleibe. Ein Drittel der Auswanderungswilligen sagt, sie sässen bereits auf gepackten Koffern. Das würde bedeuten: In der zweiten Jahreshälfte könnten sich rund eine Million Venezolaner in Richtung USA bewegen, die prioritäres Emigrationsziel bleiben. Das ist ein Szenario, welches die amerikanischen Demokraten unbedingt vermeiden wollen.