Freitag, Oktober 18

Die Stadt bestreitet, dass die Ermittler die Technologie genutzt haben, um Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration zu identifizieren.

Ein Journalist fand Daniela Klette in kurzer Zeit. Dreissig Jahre hielt sich das Mitglied der linksextremen Terrorgruppe Rote-Armee-Fraktion (RAF) vor den Behörden versteckt, doch der Gesichtserkennungssoftware Pimeyes konnte sie sich nicht entziehen. Angeblich in dreissig Minuten spürte sie ein kanadischer Investigativjournalist auf einem Foto eines Capoeira-Vereins in Berlin auf.

Klette, die sich mutmasslich an Anschlägen und Raubüberfällen beteiligt hatte, wurde Ende Februar in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg verhaftet.

Der Fall zeigt, wie weit ausgereift die Technologie automatischer Gesichtserkennung inzwischen ist. Mit ihrer Hilfe lassen sich Personen in grossen Menschenmengen und Millionen von Bildern finden. Das ist auch den Ermittlern nicht entgangen. Mehrere Polizeikorps in der Schweiz setzen bereits auf Gesichtserkennungssoftware, unter anderem die Kantonspolizei St. Gallen.

Die Ostschweizer haben seit 2021 eine Software einer schwedischen Firma in Betrieb, mit der Bild- und Videodaten in kürzester Zeit ausgewertet werden können. Für die Polizeiarbeit bedeute dies einen immensen Fortschritt und einen enormen Effizienzgewinn, sagen die St. Galler.

So verheissungsvoll die Technologie in den Augen der Ermittler ist, so umstritten ist sie auch. Denn Kritiker befürchten eine schleichende Massenüberwachung. In der links dominierten Stadt Zürich sorgt das Thema schon mehrfach für Debatten im Stadtparlament.

Anfrage nach Spekulationen des Onlineportals «Tsüri.ch»

Beim Korps der Stadtpolizei kommen bisher allerdings weder Gesichtserkennungssoftware noch andere KI-gestützte Tools zur Anwendung. Dies geht aus einer Antwort des Zürcher Stadtrats auf eine schriftliche Anfrage der beiden Gemeinderäte Moritz Bögli (AL) und Lara Can (SP) hervor.

Die beiden Gemeinderäte hatten ihren Vorstoss nach einem Bericht des Portals «Tsüri.ch» eingereicht. Es ging dabei um Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration, die gebüsst wurden, ohne dass sie vor Ort kontrolliert worden waren. Die Betroffenen wurden zu Strafbefehlen verurteilt – gestützt auf polizeiliche Bildaufnahmen. Das Onlineportal spekulierte deshalb, dass die Stadtpolizei auf Gesichtserkennungssoftware zurückgreife, ohne dies zu dokumentieren.

In seiner Antwort auf die Anfrage von Bögli und Can hebt der Stadtrat nun hervor, dass er ein gesetzeskonformes Vorgehen der Stadtpolizei als selbstverständlich erachte.

Und die Stadtregierung hält fest: Weder die Software Pimeyes noch andere umstrittene Instrumente zur automatischen Gesichtserkennung würden eingesetzt. Das Korps unterstehe einer gesetzlichen Dokumentationspflicht. Informationen aus inoffiziellen Quellen zu nutzen, ohne dies zu deklarieren, und später einen alternativen und legalen Lösungsweg anzugeben, sei nicht erlaubt, hält der Stadtrat fest. «Ein solches Vorgehen wäre illegal, hätte die Nichtverwertbarkeit der Beweismittel und allenfalls personalrechtliche Konsequenzen zur Folge.»

Ohne Instrumente der Open Source Intelligence (Osint) geht es aber auch bei der Stadtpolizei nicht. Die Fachgruppe Cybercrime nutzt solche Tools, um Bildaufnahmen mit bestehenden Datenbanken abzugleichen. Der Stadtrat betont in seiner Antwort, man setze nur gesetzlich zulässige Mittel ein.

Audio- und Videoaufnahmen bei unbewilligten Demonstrationen

Wie die Polizei Teilnehmerinnen und Teilnehmer von unbewilligten Demonstrationen aufspüren kann, beantwortet der Stadtrat so: Bei öffentlich zugänglichen Grossveranstaltungen und Kundgebungen machten die Einsatzkräfte offen oder verdeckt Audio- und Videoaufnahmen, um bei Straftaten später Personen identifizieren zu können. Seien mit diesen Videoaufnahmen strafbare Handlungen dokumentiert worden, so würden sie als Beweismittel für allfällige Strafverfahren sichergestellt und ausgewertet. Die Auswertung würden Spezialisten der Stadtpolizei vornehmen.

Wie viele Personen in den letzten drei Jahren aufgrund von Videoaufnahmen im öffentlichen Raum identifiziert und gebüsst wurden, kann der Stadtrat allerdings nicht beantworten. Diese Daten würden statistisch nicht erhoben.

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