Der deutsche Inlandgeheimdienst lässt Artikel über seine Arbeit in der Regel unkommentiert. Nun macht die Behörde eine seltene Ausnahme.
Der deutsche Inlandgeheimdienst hat die Behauptung zurückgewiesen, er stecke hinter dem vieldiskutierten Bericht über das «Geheimtreffen» von Potsdam. Auf Anfrage der NZZ, ob die Behörde etwaige Erkenntnisse darüber – etwa durch nachrichtendienstliche Aufzeichnungen – an das Medium Correctiv weitergegeben habe, teilte eine Sprecherin des Bundesamts für Verfassungsschutz am Montag mit: «Nein, eine derartige Weitergabe ist nicht erfolgt.» So etwas sei auch «rechtlich nicht vorgesehen». Die Frage, ob der Dienst vorab von dem Treffen und den Teilnehmern gewusst habe, blieb unbeantwortet. Zu «derartigen Sachverhalten» sage man grundsätzlich nichts, hiess es.
Bei der Zusammenkunft sollen sich Politiker der AfD und Mitglieder der CDU Ende November gemeinsam mit Rechtsextremisten in einem Hotel über einen Plan zur «Remigration» von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund ausgetauscht haben. Darüber hat das zum Teil steuerfinanzierte Medium Correctiv am 10. Januar exklusiv berichtet. Der Artikel schlug hohe Wellen und löste bundesweite Proteste aus. Diese wiederum wurden auch vom Präsidenten des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, öffentlich begrüsst.
Aufregung in Berlin: Offizielle Bestätigung, dass Verfassungsschutz das private «Wannsee-Treffen» abgehört und offensichtlich an Correctiv weitergegeben hat. TE soll gezwungen werden, diese Meldung zu löschen. Wir werden für die Pressefreiheit kämpfen. Wir werden Sie über diese…
— Roland Tichy (@RolandTichy) January 26, 2024
Roland Tichy, Herausgeber des Magazins «Tichys Einblick», hat am Freitagabend auf der Plattform X (vormals Twitter) mitgeteilt, es gebe eine «offizielle Bestätigung» dafür, dass der Verfassungsschutz das Potsdamer Treffen «abgehört und womöglich an Correctiv weitergegeben» habe. In dem von ihm verlinkten Artikel fehlt eine solche Bestätigung allerdings. Haldenwang habe bei einem Gespräch mit Journalisten erzählt, dass sein Dienst vorab «ganz genau» über die Zusammenkunft und die Eingeladenen Bescheid gewusst habe, heisst es dort. Von einer Abhörmassnahme oder gar Weitergabe von Daten steht in dem Kontext nichts. Diese Behauptungen stammen von Tichys Redaktion, unter Berufung auf namenlose «Sicherheits-Insider».
Tichy will nachlegen
Statt einer offiziellen Bestätigung präsentiert «Tichys Einblick» eine vermeintliche Indizienkette: Correctiv verfüge dem Vernehmen nach über «Wortprotokolle», und diese Protokolle könnten mithilfe von technischen Abhörmitteln entstanden sein («Denn wer hat schon ein so gutes Gedächtnis?»). Die «Sicherheits-Insider» berichteten weiter, in einer Wanduhr des Hotels sei eine Abhörwanze gefunden worden. «Ob das nun stimmt», das wisse aber allein der Verfassungsschutz.
Correctiv hat Tichys Darstellung am Montag ebenfalls zurückgewiesen. Man werde weder von der Regierung noch vom Verfassungsschutz gesteuert, und man habe auch keine Informationen vom Geheimdienst erhalten, schrieb die stellvertretende Chefredaktorin Anette Dowideit auf X. Tichy selbst sagte auf Anfrage, dass seine Redaktion in Kürze Belege präsentieren werde, sowohl für die angeblichen Abhörmassnahmen als auch für eine Weitergabe der entsprechenden Daten an Correctiv.