Freitag, April 25

Viel spricht dafür, dass auch Atomstrom-Anbieter und Rüstungskonzerne in nachhaltige Anlagefonds gehören.

Viele Investoren sehen in grünen Anlagen den ultimativen Etikettenschwindel. Denn das Urteil darüber, welche Firmen ökologisch und sozial handeln, weicht je nach Fondsgesellschaft und Indexanbieter stark ab.

Daran wird mit Sicherheit auch der 57-seitige Final Report nichts ändern, den die europäische Finanzbehörde Esma dieses Jahr zum Thema veröffentlicht hat. Dort werden EU-weite Mindestkriterien für Produkte definiert, die das Attribut «nachhaltig», «ESG» und dergleichen tragen.

Noch unschärfer

Die Erfordernis, dass wenigstens 80 Prozent eines Fonds aus Vermögenswerten bestehen müssen, die ESG-Ziele verfolgen, wird das Profil solcher Produkte bestimmt nicht schärfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass in den USA Politiker und Wirtschaftsführer nachhaltige Anlagen als Ausdruck woker Ideologie bekämpfen. Das Label ESG ist in Amerika toxisch geworden.

Der Akzeptanz hilft auch nicht, dass die Performance solcher Fonds hinter jenen von konventionellen Anlagen zurückbleiben. Das hat damit zu tun, dass Branchen, die in diesen Anlagen oft ausgeschlossen sind, mitunter besonders gut abschneiden: namentlich Alkohol, Tabak, Rohstoffe, fossile Energien inklusive Atomkraft sowie Rüstung.

Genau solche Ausschlusskriterien tragen mittlerweile ebenfalls zur Verwässerung des Begriffs Nachhaltigkeit bei. Bei der Tabakbranche ist die Sache klar. Keine Firma, die ihre Kunden abhängig macht und sie langsam, aber sicher tötet, kann auf ein grünes Mäntelchen hoffen. Da herrscht Einigkeit. Dito für Kohle.

Doch bei Atomkraft und Rüstung gehen die Meinungen weit auseinander. Viele Länder sind zur Erkenntnis gelangt, dass sie ihre CO2-Ziele nur erreichen können, wenn sie neue AKW bauen. Jüngstes Beispiel ist Italien. Ich persönlich würde Atomkraft als nachhaltig bezeichnen. Viele andere Investoren und Fonds-Anbieter sind da komplett anderer Meinung.

Verteidigung der Demokratie

Auch beim Thema Rüstung findet gesellschaftlich ein Umdenken statt, das den Anbietern von nachhaltigen Anlagefonds Kopfzerbrechen bereitet. Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI, formulierte es vor kurzem so: «Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte über einen Ausbau der Rüstungsindustrie zur Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung.»

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber die Verteidigung der Demokratie tönt für mich nach einer besonders nachhaltigen Zielsetzung. Für viele Anleger bleiben Hersteller von Panzern, Kampfjets oder Drohnen jedoch ein No-Go.

Die gleichen Personen aber haben sich vielleicht noch nie Gedanken gemacht zum Geschäftsgebaren von Firmen wie Nestlé oder Unilever. Sie bieten vielfach hoch verarbeitete Lebensmittel an, die uns krank machen. Der exzessive Plastikverbrauch dieser Unternehmen ist ebenfalls unschön. Mich zumindest stört er.

Kurz: Ich glaube nicht, dass die Fondsbranche uns bewusst hinters Licht führt. Aber eine befriedigende Definition von Nachhaltigkeit wird es nie geben. Ich werde auch in Zukunft einen weiten Bogen um solche Produkte machen.

Exit mobile version