Mittwoch, Oktober 9

In Lausanne ist am Mittwoch die erste Schweizer Studie zur Dioxinbelastung von Menschen vorgestellt worden. Davon könnte der Bund profitieren.

Wer in Lausanne spazieren geht, trifft früher oder später auf Warnschilder des kantonalen Gesundheitsdepartements. «Verschmutzung der Böden» sind sie etwa überschrieben, darunter stehen Vorsichtsmassnahmen für die Bevölkerung: Man soll nach Aktivitäten an der freien Luft seine Hände waschen, Hühnerhalter sollen keine Eier an Dritte geben, und besonders Kinder sollen «keine Erde essen».

Der Grund für diese Empfehlungen: Die Böden in Lausanne und drei umliegenden Gemeinden sind besonders stark mit giftigen Dioxinen belastet, wie eine Untersuchung 2021 ergab. Dioxine entstehen etwa beim Verbrennen. In Lausanne verdächtigen die Behörden die Abfallverbrennungsanlage Vallon, die 2005 geschlossen wurde, als Verursacherin. Der Fall Lausanne hat schweizweit zu ähnlichen Untersuchungen rund um solche Anlagen geführt, etwa bei der Zürcher Freizeitanlage Josefswiese.

Die Waadt gibt Entwarnung

Am Mittwoch hat der Kanton Waadt nun Entwarnung gegeben. Bewohner der verschmutzten Gebiete hätten etwa genauso viele Dioxine – und die verwandten Furane – im Körper wie nichtbetroffene Bewohner; dies ergab eine Studie von Unisanté, einem Universitätszentrum in Lausanne für die öffentliche Gesundheitspflege.

Zwar liege der Medianwert der betroffenen Bewohner um rund 20 Prozent über jenem der Nichtbetroffenen, sagte der Studienleiter David Vernez an einer Medienkonferenz. Doch diese Differenz sei gering angesichts der Heterogenität der untersuchten Personen, und sie sei statistisch nicht signifikant. (Der Median ist jener Mittelwert, den die eine Hälfte der Untersuchten unterschreitet, die andere Hälfte übertrifft.)

Die Lausanner Studie ist laut Vernez die erste ihrer Art in der Schweiz, es gibt also hierzulande keine Vergleichswerte. Vernez und seine Kollegen haben deshalb nach Frankreich und Deutschland geschaut – und geben auch in dieser Hinsicht Entwarnung.

Demnach liegen die Lausanner Werte am unteren Rand der allgemeinen Belastung in beiden Nachbarländern. Konkret wurde bei den betroffenen Personen in Lausanne ein Mediangehalt von 6,8 sogenannten Toxizitätsäquivalenten im Körperfett festgestellt. In den drei Studien aus Frankreich und Deutschland beträgt der Wert zwischen 6,2 und 8,9.

Bund könnte Normen überdenken

«Wenn Sie in Lausanne wohnen, sind Sie nicht mehr oder weniger betroffen als Leute, die in anderen Städten wohnen», sagte der Waadtländer Kantonsarzt Karim Boubaker an der Medienkonferenz. Die Behörden könnten die Bevölkerung in dieser Hinsicht beruhigen. Boubaker kündigte an, dass die Verhaltensempfehlungen für die Lausanner in den kommenden Wochen «vereinfacht» würden. Dazu werde der Kanton mit dem Bund zusammenarbeiten.

Die Lausanner Studie werde «dem Bund helfen, seine Normen zu überdenken» und präziser zu sein, sagte Boubaker weiter. Der Studienleiter Vernez bezeichnete die Ergebnisse als «ersten Proxy», aber keinesfalls als «Referenzwert» für Rückschlüsse auf die Dioxinbelastung der gesamten Schweizer Bevölkerung.

Denn in der Lausanner Studie seien die ländliche Bevölkerung und junge Leute unterrepräsentiert. Kinder hätten nicht teilgenommen, weil man ihnen nicht die benötigten 200 Milliliter Blut abnehmen könne. Zudem war die Zahl der Studienteilnehmer mit 102 Personen relativ gering.

Eine spannende Frage ist nun, was die Entwarnung der Experten für die geplante Säuberung der vielen belasteten Böden bedeuten wird. Der Kanton Waadt rechnete im April für die aufwendige und teure Operation mit einem Zeitrahmen von zwanzig Jahren.

Die Lausanner Studie hat übrigens bekannte Risikofaktoren für eine erhöhte Dioxinbelastung bei Menschen bestätigt: Demnach ist besonders gefährdet, wer alt, dick oder eine Frau ist sowie viele Eier isst. Positiv hingegen sei das Rauchen: Der Tabakkonsum helfe bei der Eliminierung von Dioxinen.

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