Dienstag, März 4

Der US-Präsident will die Handelsbeziehungen seines Landes auf gefühlte Ungerechtigkeiten untersuchen. Auch die Schweiz muss sich hüten: Sie wurde von den Amerikanern schon einmal für ihre Währungspolitik gerügt.

Martin Schlegel befindet sich gerade auf einer heiklen Mission. Gemeinsam mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter reiste der neue Nationalbankpräsident vergangene Woche nach Südafrika, wo sich die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G-20 trafen. Sie sprachen über die Schuldenlast der Entwicklungsländer, über eine möglichst faire Besteuerung international tätiger Unternehmen. Und beim Apéro wahrscheinlich über Donald Trump.

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Der US-Präsident hat in den ersten Wochen seiner Amtszeit einen Handelskonflikt angezettelt. Er hat es dabei auf alle Länder abgesehen, die mehr in die USA exportieren als von dort importieren – und damit auch auf die Schweiz. Mehrfach drohte Trump anderen Staaten mit Zöllen, zuletzt am vergangenen Mittwoch, als er seine Pläne für einen 25 Prozent hohen Zoll auf alle Güter aus der EU bekanntgab. Bis April sollen seine Berater die Lieferbeziehungen mit sämtlichen Handelspartnern überprüfen und allfällige Ungerechtigkeiten in den Lieferbeziehungen aufdecken. Dabei geht es um Zölle, Subventionen, Steuerpraktiken – oder den Währungskurs. Und damit um die Arbeit von Martin Schlegel und seinen Kollegen bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Schon im Dezember 2020 landete die Schweiz wegen ihrer Währungspolitik auf einer schwarzen Liste. Die Nationalbank habe mit dem massenweisen Kauf von Fremdwährungen den Wechselkurs des Frankens geschwächt, um Schweizer Güter im Aussenhandel günstiger zu machen, argumentierte das amerikanische Finanzministerium und stufte das Land als Währungsmanipulator ein. Die Schweiz wurde zwar gebrandmarkt, kam aber ohne Folgen davon.

Doch was, wenn die SNB erneut so viele Devisen kaufen muss? Würde sich Donald Trump, der seine Zölle mit allen möglichen Gründen rechtfertigt, ähnlich nachsichtig zeigen?

Der neue SNB-Präsident Schlegel steht bei internationalen Auftritten unter Beobachtung. Er muss seinen Handlungsspielraum in der Geldpolitik bewahren. Und gleichzeitig verhindern, dass die Schweiz erneut auf die Liste der Amerikaner kommt.

So wird ein Land zum Währungsmanipulator

Wie wird ein Land überhaupt zum Währungsmanipulator? Das US-Finanzministerium untersucht das halbjährlich in einem Bericht. Dabei gelten folgende Schwellenwerte:

  • Handelsbilanz: Ein Land hat gegenüber den USA einen Überschuss von mindestens 15 Milliarden Dollar, exportiert also mehr in die USA, als es von dort importiert.
  • Leistungsbilanz: Ein Land hat einen Überschuss von mindestens 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das heisst: Im wirtschaftlichen Austausch mit dem Rest der Welt sind die Einnahmen eines Landes grösser als die Ausgaben.
  • Devisenmarktinterventionen: Die Notenbank eines Landes kauft über einen längeren Zeitraum Fremdwährungen im Wert von mindestens 2 Prozent des BIP.

Sind alle drei Grenzwerte übertroffen, wird ein Land als Währungsmanipulator eingestuft und kommt unter ein strenges Monitoring der amerikanischen Behörden. Was dann passiert, ist unklar. Bis anhin verzichteten die USA auf eine Bestrafung. Doch Donald Trump könnte die Liste als Benutzerhandbuch sehen, das aufzeigt, wem er als Nächstes einen Zoll aufhalsen sollte.

Zwei Kriterien kann die Schweiz kaum steuern

Gemäss dem neusten Bericht vom November 2024 ist die Schweiz kein Währungsmanipulator mehr. Sie erfüllt aber einige Voraussetzungen, dass sie es wieder werden könnte. Denn zwei der drei Kriterien kann die Schweiz kurzfristig nur beschränkt steuern. Allen voran gilt das für den Wert bei der Leistungsbilanz: Diesen überschreitet die Schweiz fast zwangsläufig, weil sie als kleine Volkswirtschaft besonders stark auf den Austausch mit dem Ausland angewiesen ist.

Knifflig ist die Situation bei der Handelsbilanz: Betrachtet man nur den Austausch von Gütern, hatte die Schweiz 2023 laut den Zahlen des Bureau of Economic Analysis einen Handelsbilanzüberschuss von 24 Milliarden Dollar. Damit würde sie den Grenzwert deutlich verletzen. Bezieht man jedoch auch den Austausch der Dienstleistungen ein, verändert sich das Bild: Die Schweizer Wirtschaft kauft bei den Amerikanern zahlreiche Dienstleistungen, etwa Beratungen im Finanz- und Versicherungsbereich oder Softwarelizenzen. Rechnet man diese immateriellen Leistungen mit, fällt der Überschuss der Handelsbilanz viel geringer aus – die Schweiz unterschreitet den kritischen Wert.

Was gilt nun also? Die amerikanischen Behörden haben in den vergangenen Jahren die Methodik angepasst. 2020, als die Schweiz als Währungsmanipulator gerügt wurde, waren die Dienstleistungen nicht einberechnet. Im letzten Bericht vom November 2024 sind sie aber berücksichtigt, womit die Schweiz eigentlich nichts mehr zu befürchten hat.

Doch passen die Amerikaner ihre Berechnungsweise wieder an, könnte es für die Schweiz eng werden. Dann entscheidet die Geldpolitik der Nationalbank, ob das Land für die Amerikaner als Währungsmanipulator gilt. Und ob Trump auch mit der Schweiz einen Handelsstreit entfacht.

Thomas Jordan rechtfertigte sich für die Devisenkäufe

Die SNB hat das Ziel, Preisstabilität zu gewährleisten. Manchmal muss sie dafür den Wechselkurs des Frankens beeinflussen. Wenn beispielsweise viele Anleger aufgrund hoher Unsicherheiten in den sicheren Franken flüchten, wertet dieser stark auf. Schweizer Güter werden relativ teurer, womit ein Einbruch der Nachfrage droht. Gleichzeitig werden importierte Güter billiger, was eine deflationäre Preisentwicklung auslösen kann. Die SNB greift ein, kauft Devisen und gibt mehr Franken in den Umlauf, womit sich der Aufwertungsdruck auf die Währung abschwächt.

2020 rechtfertigte die SNB ihre Devisenkäufe als notwendige Massnahme zur Sicherung der Preisstabilität. Die Amerikaner hingegen schöpften den Verdacht, die Schweiz wolle sich damit im Aussenhandel einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Der ehemalige SNB-Präsident Thomas Jordan sagte daraufhin: «Wir müssen den Amerikanern jetzt natürlich gut erklären, dass diese Kriterien für die Schweiz nicht sinnvoll sind, dass sie falsche Ergebnisse liefern und dass man daraus nicht ableiten kann, dass wir ein Währungsmanipulator sind.»

Hinsichtlich der Devisenmarktinterventionen ist der Grenzwert des US-Finanzministeriums dann überschritten, wenn ein Land über einen Zeitraum von zwölf Monaten mindestens 2 Prozent des BIP zur Schwächung der eigenen Währung beisteuert. Für die Schweiz umgerechnet heisst das: Die SNB tätigt in einem Jahr Devisenmarktinterventionen im Wert von über 16 Milliarden Franken. 2024 war sie davon weit entfernt: Zwischen Januar und Oktober kaufte die SNB netto Devisen im Wert von 1,1 Milliarden Franken. Wie viel die SNB im vierten Quartal kaufte, ist noch nicht bekannt.

Thomas Stucki ist Anlagechef bei der St. Galler Kantonalbank und war ehemals Leiter des Asset Managements bei der SNB. Er hält das Risiko, dass die Schweiz wieder als Währungsmanipulator gebrandmarkt wird, derzeit für gering. Bei einem enormen Aufwertungsdruck könne das zwar vorkommen, sagt Stucki. «So grosse Devisenmarktinterventionen tätigt die SNB aber nur, wenn die Kosten einer Frankenaufwertung massiv wären. Selbst Zölle aus den USA wären dann das kleinere Übel, das man wohl in Kauf nehmen müsste.»

Noch ist ungewiss, ob US-Präsident Donald Trump und sein Finanzminister Scott Bessent die Kriterien zur Einstufung der Währungsmanipulatoren wie bisher weiterführen. Thomas Stucki sagt: «Wenn Trump einen Handelskonflikt mit der Schweiz will, wartet er nicht darauf, bis das Land einen gewissen Schwellenwert überschreitet.»

Die SNB hält sich bedeckt

Die SNB will sich auf Anfrage nicht zum Thema äussern. Am Samstag sagte Martin Schlegel in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen, die SNB halte an ihrer bisherigen Strategie fest und werde auch künftig auf den Wechselkurs einwirken, wenn sie es denn müsse: «Devisenmarktinterventionen sind ergänzende Massnahmen, die wir bei Bedarf einsetzen.»

Zumindest gegenüber der Öffentlichkeit machte Schlegel den Status der Schweiz als möglicher Währungsmanipulator bei seinem Auftritt in Südafrika nicht zum Thema. Thomas Stucki findet das richtig: «Wenn die SNB wieder Devisenmarktinterventionen machen muss, dann soll sie diese den Amerikanern hinter verschlossenen Türen erklären.»

Martin Schlegel hält sich bedeckt, und das aus gutem Grund. Sonst könnte er Donald Trump noch auf krumme Ideen bringen.

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