An der kalifornischen Pazifikküste wüten schwere Waldbrände. Zehntausende fliehen aus ihren Häusern. Die Feuerwehr kämpft nicht nur gegen das Feuer – sondern auch gegen den Wind.
Innerhalb weniger Sekunden verschwand alles im Dunkeln. Am Dienstag ist in Los Angeles im amerikanischen Gliedstaat Kalifornien ein Waldbrand ausgebrochen. In den darauffolgenden Stunden kamen drei weitere hinzu. Als am Mittwoch Los Angeles› Feuerwehrchef Anthony Marrone eine Pressekonferenz hielt, sprach er von «beispiellosen und unberechenbaren Bedingungen» – und letztlich von einer «grossen Katastrophe».
Zwei Personen sind laut Marrone bislang ums Leben gekommen, wobei ihre genaue Todesursache noch untersucht werde. Viele weitere seien verletzt worden, weil sie nicht dem Aufruf zur Evakuierung gefolgt seien. Die Behörden forderten rund 70 000 Menschen dazu auf. Knapp 21 000 Gebäude werden von den Feuern bedroht.
Angefangen hatte alles in Pacific Palisades, einem idyllischen Küstenort im Westen von Los Angeles. In dem wohlhabenden Stadtteil haben Prominente wie Jennifer Aniston, Bradley Cooper, Tom Hanks und Reese Witherspoon ihre Häuser. Auch der 35 Kilometer lange Sunset Boulevard, die bekannteste Strasse von Los Angeles, führt durch Pacific Palisades.
Dort, am Westrand von Los Angeles, brach am Dienstagmorgen um 10 Uhr 30 aus noch unbekannten Gründen ein kleines Feuer aus. Durch heftige Winde wurde es schnell zu einem Inferno. Die Flammen drangen aus dem hügeligen Hinterland bis an die Strände vor. Am Abend brach ein zweiter Brand im Umkreis der nahen Stadt Pasadena aus. Später meldete die Feuerwehr einen weiteren Brand im Stadtteil Sylmar, am Mittwoch kam Van Nuys dazu.
Die Feuer wurden von den starken Windböen angetrieben. Die Flammen zerstörten in kurzer Zeit mindestens 7500 Hektaren Land und die verheerenden Brände haben sich rasant auf eine Fläche von insgesamt fast 23 Quadratkilometern ausgebreitet. Es sind die zweiten grossen Feuer in Südkalifornien innerhalb weniger Wochen. Mitte Dezember zwang ein Waldbrand in Malibu Tausende Anwohner in die Flucht.
Feuer erreicht die Getty-Villa
Auch in Pacific Palisades und Pasadena flohen in den vergangenen Stunden viele Bewohner teilweise fluchtartig aus ihren Häusern. Laut Medienberichten sind bereits Häuser und mehrere bekannte Restaurants den Flammen zum Opfer gefallen. Das Feuer hat auch das Gelände der Getty-Villa in Pacific Palisades erreicht. «Bäume und Gräser haben gebrannt», teilte das Museum mit. Die Villa und ihre Kunstwerke seien bisher aber verschont geblieben, hiess es. Im Museum sind 44 000 Artefakte und Kunstwerke aus den griechischen und römischen Kulturen ausgestellt. Bis mindestens Montag bleibt das Museum geschlossen.
Auch die Villa Aurora und das Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades sind von den Flammen bedroht – beides Exilorte deutscher Intellektueller während des Nationalsozialismus. Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth zeigte sich am Mittwoch tief besorgt. «Eine Zerstörung dieser bedeutenden Kulturstätten wäre eine kulturelle Katastrophe. Sie sind Symbole des Exils und der Freiheit der Kunst», sagte die Grünen-Politikerin.
Kaliforniens Gouverneur ruft den Notstand aus
Die Feuerwehr kämpft aufgrund der starken Winde unter schwierigen Bedingungen gegen die Feuer. Sämtliche Rettungskräfte, die sich nicht bereits im Dienst oder in den Ferien befinden, sind aufgerufen, sich zum Einsatz zu melden. Mindestens 1400 Feuerwehrleute seien im Einsatz, schrieb Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom auf dem Kurznachrichtendienst X. Zuvor hatte er für die Region den Notstand ausgerufen. Newsom warnte vor einem gefährlichen Sturm und appellierte an die Anwohner, die Evakuierungsanweisungen zu befolgen.
Wie amerikanische Medien berichten, erlitten mehrere Personen Brandverletzungen. Auf den Strassen in dem wohlhabenden Stadtviertel Pacific Palisades spielten sich chaotische Szenen ab. Es gibt nur eine Hauptstrasse von der Schlucht zur Küste und eine einzige Autobahn zur Flucht. Durch die Evakuierung kam der Verkehr zum Erliegen, Autos steckten im Stau fest.
«Es ist schlimm, es ist wie ein Inferno», sagte eine Anwohnerin, die aus ihrem Haus flüchtete, der «Los Angeles Times». Einige Personen liessen ihre Fahrzeuge zurück und flohen zu Fuss. Mit Bulldozern hätten Einsatzkräfte blockierte Strassen geräumt, um Löschfahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen, berichtete der Sender KTLA.
Auch der designierte US-Präsident Donald Trump äusserte sich zu der Katastrophe. Er machte den Gouverneur Newsom für die Waldbrände verantwortlich. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er, Newsoms Massnahmen zum Wassersparen seien Schuld an dem Ausmass der Brände. Laut der «Los Angeles Times» haben Einsatzkräfte vereinzelt von Hydranten berichtet, die kein Wasser mehr führen.
Starke Winde erschweren die Löscharbeiten
Wie schon beim Waldbrand im Dezember in Malibu treiben auch bei den aktuellen Feuern die sogenannten Santa-Ana-Winde die Flammen voran. Diese trockenen Winde, typisch für Herbst und Winter, beschleunigen Brände oft dramatisch. Am Dienstagabend erreichten die Böen laut Medienberichten Orkanstärke. Die Behörden erwarten den Höhepunkt des Sturms bis Mittwochmorgen (Ortszeit). «Dieses Feuer ist nicht vorbei, es beginnt erst und wird noch deutlich schlimmer werden», sagte der Klimaforscher Daniel Swain am Dienstagnachmittag an einer Pressekonferenz.
Am Dienstagabend stellte die Feuerwehr den Einsatz von Löschflugzeugen aus Sicherheitsgründen ein. Die Brandbekämpfung konnte daher nur vom Boden aus fortgesetzt werden. Man habe sich angesichts der schwierigen Wetterlage in der Nacht darauf konzentriert, Menschenleben zu retten, sagte ein Sprecher der kalifornischen Feuerwehr am Mittwochmorgen (Ortszeit) dem Sender «CNN». Die 29 Feuerwehren in Los Angeles County seien auf eine derartig «weitgestreute Katastrophe» nicht vorbereitet, sagte Anthony Marrone, der oberste Feuerwehrmann des Countys. Man könne mit ein oder zwei grösseren Buschfeuern umgehen, «aber nicht mit vier, ganz besonders nicht bei solch heftigen Winden und hoher Trockenheit», sagte Marrone bei einer Pressekonferenz.
Wegen der extremen Winde galt in der Region in dieser Woche die höchste Warnstufe für Feuergefahr. Dazu kommt die extreme Trockenheit: In Südkalifornien blieb der Regen in den letzten Monaten fast vollständig aus. Die ausgedörrte Vegetation bietet dem Feuer ideale Bedingungen, um sich rasend schnell auszubreiten.
Alle vier Brände waren am Mittwoch laut dem Feuerwehrchef Marrone noch völlig ausser Kontrolle. Auch das Ausmass der Schäden ist noch nicht bekannt. Die starken Winde mit Geschwindigkeiten von bis zu 130 Kilometern pro Stunde könnten die Lage in den kommenden Stunden zusätzlich verschärfen, sagte ein Sprecher der Brandschutzbehörde Cal Fire am Mittwoch dem Sender «CNN». Er sagte: «Während wir hier sprechen, schiessen neue Brände aus dem Boden.»
Mit Agenturmaterial