Der Vatikan deutet die Verfremdung des «Letzten Abendmahls» durch queere Aktivisten als Blasphemie. Die Kirchen in Deutschland formulieren es vorsichtiger, haben aber auch viel zu beanstanden. Politiker sind sich uneins in der Bewertung.
Die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris dauerte mehrere Stunden, und sie endete am späten Freitagabend. Noch immer sorgt aber eine relativ kurze Szene für Empörung, auch in Deutschland. Auf einer Bühne wurde an einem angedeuteten Tisch das berühmte «Letzte Abendmahl» von Leonardo da Vinci in verfremdeter Form nachgestellt.
The interpretation of the Greek God Dionysus makes us aware of the absurdity of violence between human beings. #Paris2024 #OpeningCeremony pic.twitter.com/FBlQNNUmvV
— The Olympic Games (@Olympics) July 26, 2024
In die Rolle der Jünger waren Dragqueens und queere, zum Teil dunkelhäutige Personen geschlüpft, unter ihnen ein bärtiger Mann mit Bustier. Eine korpulente Frau mit Strahlenkranz, die queere Aktivistin Barbara Butch, sass an jener Stelle in der Mitte, wo bei Leonardo Jesus Christus platziert ist. Davor räkelte sich im blauen Ganzkörpertrikot ein Schauspieler mit Blumenschmuck am Kopf und an den Lenden, den antiken Gott Bacchus imitierend. Die grossen Kirchen in Deutschland nehmen mittlerweile Anstoss an der Performance.
Bischof Oster stört das «queere Abendmahl»
Zuvor kritisierte die französische Bischofskonferenz «Szenen, in denen das Christentum verspottet und verhöhnt wurde, was wir zutiefst bedauern». Für den Vatikan sprach der Kurienerzbischof Vincenzo Paglia in der Zeitung «Il Giornale» von der «blasphemischen Verhöhnung eines der heiligsten Momente des Christentums». So drastisch äussert sich Stefan Oster, der Sportbischof der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), nicht.
Oster, Diözesanbischof in Passau, erklärte über die offiziellen Kanäle der DBK, insgesamt habe es sich um eine «eindrucksvolle Eröffnung von hoffentlich friedlichen Spielen» gehandelt. Das, wie Oster formuliert, «queere Abendmahl» sei allerdings ein Tiefpunkt gewesen und in der Inszenierung völlig überflüssig. In einem zusätzlichen Videobeitrag sagt Oster, das «Allerheiligste» für viele Christen weltweit, die Eucharistie, sei verhöhnt und verspottet worden: «Dragqueens imitieren Jesus und die Apostel und machen das Ganze zu einer queeren Party mit Modenschau.» Daran zeige sich, dass «diejenigen Christen, die ihren Glauben auch in diesem Punkt ernst nehmen, der eigentliche Gegner einer Gesellschaft sind, die sich im atemberaubendem Tempo selbst säkularisiert».
Das protestantische Pendant zu Oster ist der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel. Er hat das Amt des Sportbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland inne und sagt, «selbstverständlich» gehörten queere Menschen zur Kirche Jesu Christi. Darum verstehe er die Pariser Darstellung auch nicht als blasphemisch, sondern als «Ausdruck einer religiösen Emanzipation, vor allem angesichts einer schuldhaften Diskriminierung von queeren Menschen gerade auch aus religiösen Gründen». Auch sei die Darbietung von der Kunstfreiheit gedeckt.
Ein deplatzierter Bacchus
An einem Punkt übt jedoch auch Latzel scharfe Kritik: Die Kombination mit einem nackten Bacchus sei problematisch und zudem schlechte Kunst. Dadurch werde das Abendmahl zu einem «sexualisierten Trinkgelage einer völlig anderen, antiken Gottheit». Statt einer «religiös ideologisierten Überhöhung von Sexualität» wünsche er, Latzel, sich mehr Sensibilität gegenüber «gelebter Religion, gerade bei einer internationalen Sportveranstaltung».
Die meisten Politiker halten sich bis jetzt mit Einlassungen zum Pariser «Abendmahl» zurück. Die kirchenpolitische Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion, Nicole Höchst, schreibt jedoch bei Facebook, das Leitmotiv der gesamten Eröffnungszeremonie scheine ein «Frontalangriff auf die christliche Religion» zu sein. Mit dem Islam, vermutet Höchst, würde ein solches «blasphemisches Spiel» nicht getrieben, denn dann stünde wohl die halbe Welt in Flammen.
Entspannt sieht es Lars Castellucci, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion. Er sagte dieser Zeitung, er finde die beanstandete Pariser Abendmahls-Szene eher langweilig . Allerdings interpretiere er Jesus so, dass er alle Menschen eingeladen und für Barmherzigkeit gegenüber menschlichen Schwächen eingestanden habe. Und, setzte Castellucci hinzu, solange christliche Bilder verunglimpft werden könnten, seien sie noch relevant.