Sonntag, November 24

In der Region Kursk ist es zu den ersten Zusammenstössen zwischen ukrainischen Streitkräften und nordkoreanischen Soldaten gekommen. Obwohl viele Details unklar sind, lassen sich erste Schlüsse über die Verstärkung aus Pjongjang und ihren Einsatz an der Front ziehen.

Fünf Monate nach der Unterzeichnung eines militärischen Kooperationsabkommens zwischen Moskau und Pjongjang haben nordkoreanische Soldaten erstmals an Kampfhandlungen gegen ukrainische Truppen teilgenommen.

Nachdem bereits am Montag entsprechende Berichte aufgetaucht waren, bestätigte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow am Dienstag gegenüber dem südkoreanischen Fernsehsender KBS, dass es in der russischen Region Kursk zu kleineren Zusammenstössen gekommen sei. Seit der Überraschungsoffensive im August kontrollieren die ukrainischen Streitkräfte einen Teil der russischen Grenzprovinz.

In russischer Uniform

Präsident Wolodimir Selenski sprach angesichts des ersten unmittelbaren Eingreifens eines Drittstaats in das Kampfgeschehen von einem neuen Kapitel der Instabilität in der Welt und rief erneut zu mehr Unterstützung durch die westlichen Partner auf. Terror könne sich wie ein Virus ausbreiten, wenn er nicht auf ausreichend Gegenwehr treffe, sagte Selenski in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag. Laut der «New York Times» haben mittlerweile auch Regierungsquellen in Washington die Zusammenstösse bestätigt. Details dazu liegen bis anhin aber nur wenige vor.

Nach Angaben des Verteidigungsministers Umarow kämpften die nordkoreanischen Soldaten in Kursk an der Seite russischer Truppen und trugen russische Uniformen. Dadurch seien sie von burjatischen Soldaten auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden. Die Burjaten sind ein mongolisches Volk in Sibirien mit ostasiatischer Physiognomie. Wie in anderen wirtschaftlich abgehängten Regionen Russlands ist in Burjatien der Anteil Kriegsdienstleistender überdurchschnittlich hoch.

Präsident Selenski hatte am Montag erklärt, dass sich 11 000 nordkoreanische Soldaten in der Region Kursk befänden. Das Pentagon kommunizierte ähnliche Zahlen. Davon dürfte sich bis anhin aber nur ein kleiner Teil im unmittelbaren Kampfgebiet aufhalten. Verteidigungsminister Umarow rechnet damit, dass in den nächsten Wochen Tausende weitere Nordkoreaner an die Front verlegt werden.

Insgesamt erwartet er einen Anstieg der nordkoreanischen Militärpräsenz im Kriegsgebiet auf 15 000 Mann, denn einige befänden sich immer noch in Ausbildungslagern in der Region von Wladiwostok oder auf dem langen Weg von der russischen Pazifikküste an die Grenze zur Ukraine.

Einsatz in Kursk

Obwohl vieles noch im Unklaren bleibt, lassen sich zumindest zwei Schlüsse ziehen. Russland scheint die nordkoreanischen Soldaten vorerst auf eigenem Staatsgebiet einsetzen zu wollen, zur Rückeroberung der besetzten Gebiete in der Region Kursk. Die «New York Times» zitiert eine Regierungsquelle in Kiew, wonach ein Teil der Nordkoreaner als Sturmtruppen dienen und ein anderer Teil zur Sicherung des zurückeroberten Gebiets eingesetzt werden soll.

Zweitens deuten die ersten Zusammenstösse darauf hin, dass die russische Armeeführung die Nordkoreaner eher in die eigenen Strukturen zu integrieren versucht und sie nicht als eigenständige Einheiten kämpfen lassen will. Wie diese Integration im Detail aussieht, ist unbekannt.

Unter den Nordkoreanern sollen sich auch Angehörige einer Spezialeinheit sowie mehrere hundert Offiziere und drei Generäle befinden. Das nur dürftig ausgebildete Fussvolk der Nordkoreaner dürfte vor allem bei den Sturmtruppen, die wegen Russlands rücksichtsloser Kriegsführung besonders hohe Verluste zu verzeichnen haben, aber genauso als Kanonenfutter dienen wie die russischen Soldaten.

Verlustreichster Monat seit Kriegsbeginn

Inwiefern es die nordkoreanische Unterstützung Russland ermöglicht, eigene Truppen aus Kursk abzuziehen und in den Donbass zu verlegen, um dort bis zum Wintereinbruch möglichst viel Territorium einzunehmen, bleibt offen. Der Oktober war für die russischen Streitkräfte der Monat mit den bisher höchsten Opferzahlen seit Beginn des Krieges.

Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen gibt, dürfte im gegenwärtigen Kriegsverlauf selbst ein nordkoreanisches Kontingent von 15 000 Mann lediglich ausreichen, um die Verluste zweier Wochen auszugleichen. Fürs Kampfgeschehen vermutlich entscheidender ist die grosse Menge an Geschossen, die Nordkorea ebenfalls zur Verfügung stellt. Amerikanische und südkoreanische Quellen nennen eine Zahl von 16 000 Containern mit Rüstungsgütern, die bisher aus Nordkorea in Russland eingetroffen sind.

Wie sich der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un seine Unterstützung von Russland vergüten lässt, ist nicht im Detail bekannt. Dass Moskau einiges anzubieten hat, was in Pjongjang auf Interesse stösst, ist jedoch unbestritten. Neben Zahlungen in Geld und Rohstoffen wie Öl gehören dazu auch moderne Technologien.

Laut ukrainischen Berichten erhalten einige Nordkoreaner in Russland Schulungen zum Einsatz russischer Drohnen. Es gebe auch Pläne, russische Ausbilder nach Pjongjang zu schicken. Der Einsatz an der Front bietet den nordkoreanischen Offizieren zudem Einblicke in die Führung eines Krieges zwischen zwei modernen, stark technologisierten Armeen.

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