Novartis ist von einem Konzern mit sechs Divisionen zu einer Firma mit einem einzigen Tätigkeitsbereich geschrumpft. Auch OC Oerlikon will künftig nur noch ein Geschäftsfeld bearbeiten. Doch die absolute Spezialisierung ist nicht frei von Risiken.
Mischkonzerne waren in der Industrie jahrzehntelang die Regel. Globale Schwergewichte wie Siemens, General Electric (GE) oder ABB belieferten mit ihren Geräten, Maschinen und Fahrzeugen eine Vielzahl von Branchen. Die breite Aufstellung ermöglichte selbst in konjunkturellen Schwächephasen einen gewissen Ausgleich zwischen gut und schlecht laufenden Geschäften.
Wie wohl ist es Alphatieren damit?
Doch mittlerweile gelten Konglomerate als verpönt. Siemens und ABB haben einen Tätigkeitsbereich nach dem anderen ausgegliedert und ihr Portfolio auf wenige Kerngeschäfte wie die Industrieautomation und die Elektrifizierung konzentriert. Der Medikamentenhersteller Novartis bestand vor zehn Jahren noch aus sechs Divisionen. Nach der letztjährigen Abspaltung der auf Generika spezialisierten Tochterfirma Sandoz ist der Konzern im Wesentlichen zum Anbieter von hochpreisigen Therapien im Biotech-Bereich geschrumpft.
Während frühere Manager wie der ehemalige Novartis-Chef Daniel Vasella oder der legendäre einstige CEO von GE, Jack Welch, die Vorzüge einer breiten Aufstellung predigten, sprechen heutige Firmenführer fast nur noch von Fokussierung. Ob sie mit letzter Konsequenz daran glauben, ist zu bezweifeln, denn nach wie vor dominieren an den Konzernspitzen Alphatiere. Und Alphatiere fühlen sich bekanntlich dann am wohlsten, wenn sie über ein möglichst grosses Imperium herrschen können.
Einfachere Vergleichbarkeit
Doch der Trend an den Finanzmärkten lässt auch noch so machthungrigen Topmanagern keine andere Wahl, als die Unternehmensstrategie zu schärfen. Vor allem institutionelle Investoren ziehen Engagements in fokussierten Firmen vor, denn solche lassen sich einfacher bewerten als die einstigen Gemischtwarenläden. Auch fällt es leichter, ihre Leistung mit jener anderer, ähnlich ausgerichteter Unternehmen zu vergleichen.
Mittlerweile geraten selbst Konzerne unter Druck, die nur noch über zwei unterschiedlich gelagerte Geschäftsbereiche verfügen. Wie vergangene Woche bekanntwurde, will das Pfäffiker Industrieunternehmen OC Oerlikon künftig ein reiner Anbieter von Lösungen für die Oberflächenbeschichtung sein. Das Geschäft mit der Herstellung von Anlagen für die Produktion von Kunstfasern soll nicht mehr Teil der Firma sein.
Das Management erhielt für seinen Entscheid viel Lob von Finanzanalytikern. Oerlikon konzentriere sich damit auf den attraktiveren Bereich, hiess es reihum. Dennoch wirkt das Timing der Ankündigung unglücklich. Das auf den Textilmarkt ausgerichtete Geschäft mit den Anlagen für die Herstellung von Kunstfasern befindet sich nämlich inmitten eines heftigen Abschwungs. In seinem gegenwärtigen Zustand lässt es sich kaum zu einem guten Preis verkaufen.
Erfolgsbeispiel Accelleron
Zugleich steht der Verdacht im Raum, dass es sich die Führung von Oerlikon nicht länger zutraut, den Bereich selbst erfolgreich zu leiten. Offen in diese Richtung äussert sich das Management des Chemiekonzerns DSM-Firmenich, das unlängst angekündigt hat, aus dem kriselnden Vitamingeschäft aussteigen zu wollen. Es erklärte, dass sich das volle Potenzial dieses Bereichs unter einer anderen Eigentümerschaft am besten ausschöpfen lasse.
Tatsächlich scheinen sich gewisse Geschäfte erst dann so richtig zu entfalten, wenn sie komplett eigenständig geführt werden. Ein Beispiel dafür ist der Motorenhersteller Accelleron, der im Oktober 2022 von ABB abgespalten und separat an die Börse gebracht wurde. Er hat seither fast 90 Prozent an Wert gewonnen. Auch Sandoz hat sich in den wenigen Monaten seit dem IPO (Initial Public Offering) positiv entwickelt.
Allerdings lassen sich genauso Fälle aufführen, bei denen Abspaltungen Wert vernichtet haben. Die Marktkapitalisierung der ehemaligen Sulzer-Tochter Medmix beispielsweise ist seit dem Börsengang 2021 um über 60 Prozent gefallen. Ein ähnlich jämmerliches Bild hinterlässt der Maschinenbauer Bystronic, der aus dem früheren Zürcher Industriekonglomerat Conzzeta hervorgegangen ist. Bei aller Unterstützung, die Fokussierungen bei Investoren geniessen: Man kann es bei dem Thema auch übertreiben.