Montag, Oktober 7

Fleisch und Milchprodukte waren in den Niederlanden lange Zeit günstig, doch jetzt bekommen die Steuerzahler eine hohe Zusatzrechnung präsentiert.

Der Konsum von Fleisch und Milchprodukten hat hohe Kosten, nur merkt man das auf den ersten Blick nicht, weil die Erzeugnisse an der Verkaufstheke scheinbar so preiswert sind.

Doch die niederländischen Steuerzahler erfahren gerade, was die wahren Kosten der Schnitzel, Würste und Eier sind, die sie entweder selbst konsumieren oder exportieren. Insgesamt 700 Millionen Euro Unterstützung sollen Landwirte als Anreiz vom Staat erhalten, wenn sie die Tierhaltung reduzieren oder ganz aufgeben. Der Staat übernimmt die Kosten dafür vollständig.

Diese Finanzhilfe hat die EU vor kurzem bewilligt – und sie kommt zu einem bereits 2023 gutgeheissenen Unterstützungspaket von fast 1,5 Milliarden Euro hinzu.

Ein kleines Land mit vielen Nutztieren

Mit dem vielen Geld kämpfen die Niederlande gegen die Güllenkrise. Die starke Ausrichtung auf tierische Agrarprodukte hat das kleine Land zwar je nach Zählweise zum zweit- oder drittgrössten Agrarexporteur der Welt gemacht. Im vergangenen Jahr hat es beispielsweise mehr Landwirtschaftsgüter ausgeführt (124 Milliarden Euro) als die Schweiz Pharmaprodukte (105 Milliarden Franken).

Doch die vielen Nutztiere haben auch grosse Umweltschäden angerichtet. Ihre Ausscheidungen verschmutzen die Böden und das Wasser. Beim Stickstoff verletzen die Niederlande laufend Grenzwerte, die sie auf Geheiss einheimischer Gerichte und der EU schon lange einhalten müssten. Deshalb soll es im Land künftig weniger Nutztiere geben.

Die niederländischen Fleischesser profitierten jahrzehntelang von günstigen Preisen. Aber die Produktion der Güter verursachte offensichtlich hohe externe Kosten. Die Rechnung bezahlen jetzt alle Niederländer – auch jene, die nie oder nur wenig Fleisch essen. Die niedrigen Preise im Supermarkt waren eine Illusion.

Nun muss zumindest ein Teil der rund 50 000 Bauernhöfe ihr Geschäftsmodell neu ausrichten. Das verlangen nicht nur die Regierung, die Richter und die EU, sondern auch die Banken. Sie befürchten, auf Kreditausfällen sitzenzubleiben: Das ist etwa der Fall, wenn Landwirte aufgrund schärferer Umweltgesetze weniger Einnahmen erzielen und nicht mehr in der Lage sind, Darlehen zurückzubezahlen.

Es geht dabei um hohe Summen. Allein der Marktführer, die Rabobank, hat im Landwirtschaftssektor Kredite von 13 Milliarden Euro ausstehend. Das Institut will den Bauern nun Darlehen in Höhe von 3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, damit diese neue Geschäftsmodelle finanzieren können.

Das wird den Bauern viel abverlangen. Meist sind sie nämlich Einzelunternehmer, die unter einer hohen Arbeitsbelastung leiden. Ihnen fehlt die Zeit und häufig wohl auch das Fachwissen, um sich mit geschäftsstrategischen Fragen zu beschäftigen. Zudem sind die Bauern im Durchschnitt älter als die übrige erwerbstätige Bevölkerung. Hohe Investitionen lohnen sich für viele Landwirte daher nicht mehr – zu kurz ist die Zeitspanne, um sie zu amortisieren.

Politiker fürchten die Macht der Bauern

Der niederländische Agrarsektor ist also in eine Sackgasse geraten. Schuld daran ist auch die Kommunikation der Regierung. Viele zu lange hat sie so getan, als sei die Landwirtschaft ein edles und naturnahes Gewerbe. Dass sie auch die Umwelt verschmutzt, war kein Thema. Umso kostspieliger fällt nun die Neuausrichtung des Agrarsektors aus – für die Bauern und die Steuerzahler.

Trotzdem wagen es nach wie vor nur wenige Politiker, den Bauern reinen Wein einzuschenken. Mit den demonstrationsfreudigen Landwirten will es sich niemand verscherzen – auch die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen nicht.

Das Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Staatenbund zu halbieren, hat sie Anfang Jahr sistiert. «Unsere Bauern verdienen es, gehört zu werden», sagte sie damals. Diese zaudernde Haltung könnte die Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen. Denn nicht nur in den Niederlanden sind die Kosten eines Schnitzels eigentlich höher, als es an der Verkaufstheke scheint.

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