Sonntag, Februar 23

Der Transfer von Benjamin Mendy ist der jüngste Höhepunkt einer irritierenden Entwicklung im FCZ. Die Kritik im Umfeld wächst. Wohin steuert der Verein?

Es gebe genügend Gesprächsstoffe, hatte die Zürcher Südkurve vor dem Match gegen Yverdon geschrieben. Die Abschiebung von Antonio Marchesano oder die Verpflichtung von Benjamin Mendy waren mit dem Gesprächsstoff gemeint. Die Kurve hatte eine deutliche Botschaft an die Klubführung bereit: «Canepas: En Verein mit ‹Stil und Klass› gseht andersch us». Das Transparent bezog sich auf ein Interview mit Heliane Canepa, in dem sie den Mendy-Transfer rechtfertigen wollte. Trotz dem mühseligen 2:1-Sieges, bei dem Marchesano einen Treffer erzielte und von der Südkurve ausgiebig gefeiert wurde, wollte sich niemand so richtig freuen. Der FCZ im Krisenmodus.

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Mit Krisen kennt sich der FC Zürich aus. Der Abstieg 2016 hinterliess einen zerrütteten Verein und beissende Wut auf das Präsidenten- und Besitzerpaar Canepa. Doch bereits nach wenigen Wochen hatte sich der Verein auf einer lustvollen Tour durch die Challenge League gefangen.

Die Irritation der vergangenen Monate, die vor knapp zwei Wochen im Transfer von Benjamin Mendy gipfelte, hat eine andere Qualität. Dem Franzosen wurde in England von mehreren Frauen vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben. Das Gericht musste ihn wegen mangelnder Beweise freisprechen.

Der Transfer, die Art und Weise, wie er vollzogen wurde, ohne ein Wort über die Vergangenheit des Spielers, aber mit ein «bisschen Stolz», sorgten weitherum für Unverständnis. Anhänger und Sympathisantinnen sagen, sie hätten zunehmend Mühe, ihren FCZ wiederzuerkennen.

Kultur hatte im Verein eine wichtige Rolle

Die Canepas haben in ihrer bald 20-jährigen Amtszeit auf sportlicher Ebene nicht immer richtig entschieden. Aber auf der feinstofflichen haben sie einiges richtig gemacht. So haben sie begriffen, dass ein Verein nicht allein von der Gegenwart lebt, sondern auch von der Vergangenheit. Ein Museum ist entstanden, Vereinschroniken, ein Film zum 125-Jahre-Jubiläum des Klubs. Sie haben an der Identität des Vereins gearbeitet, davon zeugen die früheren Spieler, die in die Organisation integriert wurden. Als der FCZ 2022 Meister wurde, waren Blerim Dzemaili, Alain Nef, Florian Stahel, Daniel Gygax und Davide Taini in unterschiedlichen Funktionen im Verein.

Das Präsidentenpaar hat es geschafft, dem FCZ ein fortschrittliches Image zu geben. Etwa, indem es entschieden den Frauenfussball gefördert hat. 2022 sagte die damalige FCZ- und Nationalspielerin Meriame Terchoun: «Die Akzeptanz der Frauen ist hier höher als in anderen Vereinen.» Als die Männer am 1. Mai 2022 im Volkshaus den Meistertitel feierten, stürmten auch die Frauen auf den Balkon, die am Tag davor den Cup gewonnen hatten. Es war ein wichtiges Signal.

Eine der Spielerinnen war Martina Moser, sie war im Meisterjahr auch im Teammanagement der Männer tätig, der damalige Trainer André Breitenreiter bezeichnete sie an der Siegesfeier als «Königin von Zürich». Heute arbeitet sie als SRF-Expertin. Die Verpflichtung von Mendy sieht auch sie kritisch: «Der Transfer überzeugt mich sportlich nicht, ethisch und moralisch ist er sicher fragwürdig.»

Die frühere Nationalspielerin hat den Eindruck, dass der FCZ unvorbereitet auf den Shitstorm wirkte und die Kommunikation des Transfers nicht optimal vorbereitet war. «Da gehen mir Werte und Prinzipien, die der Klub jahrelang vorgab, verloren – der FCZ steht für Stil und Klasse? Der Mendy-Transfer ganz sicher nicht. Da hätte ich mir kommunikativ eine aktivere Begleitung vorstellen können. » Sie sagt, der FCZ habe gerade für den Frauenfussball sehr viel gemacht. «Aber der Klub sabotiert sich selber, das ist sehr schade.»

Ähnlich sieht es Kathrin Martelli, Präsidentin der Gönnervereinigung «le donne blu» für die FCZ-Frauen. Die Verpflichtung Mendys sei «ein schlechtes Zeichen für den Sport», sagt die ehemalige Zürcher FDP-Stadträtin. «Es ist nicht neu, dass der Männerfussball eine unappetitliche Macho-Welt sein kann. Wenigstens hätte der FCZ die Vergangenheit Mendys von Anfang an klar benennen müssen.» Sie sei froh über die Reaktion der Frauenzentrale, die den Transfer kritisiert hatte, und dass es einen Dialog gebe. «Ich hoffe, Herr und Frau Canepa schauen nun genau hin, was der Spieler macht», sagt die 72-Jährige.

«Genau hinschauen» ist im Sport ein wichtiges Thema. «Gerade mit Blick auf die Frauen-EM gibt es viele gute Projekte für mehr Gleichberechtigung, Inklusion, Meldestellen bei sexuellen Übergriffen und vieles mehr», sagt Aline Trede, Mitglied im Zentralvorstand des Schweizerischen Fussballverbands. Mendy sei zwar freigesprochen worden, aber seine Geschichte hätte dazu dienen können, das Thema offensiv und vor allem positiv aufs Tapet zu bringen, sagt die Nationalrätin und Fraktionschefin der Grünen. «Das wäre eine echte Chance gewesen», sagt Trede und fragt: «Warum lässt der FCZ Mendy nicht selber Stellung nehmen?»

Mit dem neuen Geschäftsführer verschlechtert sich die Stimmung

Der FCZ setzt in den Augen vieler Anhänger aufs Spiel, was er sich über Jahre erarbeitet hat. Es war ihm gelungen, sich als offenen Verein zu positionieren, als Teil einer lebendigen urbanen Szene. Die Canepas bezeichneten den Klub gerne als Familie – sie betonen seine wichtige Rolle für die Stadt und die integrative Kraft. Doch heute ist es, als würden die Grundfesten erodieren.

Wann hat der FC Zürich angefangen, sein Gesicht zu verändern?

2021 trat Nick Gast die Stelle als Chief Operations Officer an, die Stimmung auf der Geschäftsstelle verschlechterte sich. Langjährige Mitarbeiter verliessen den Klub. Sie beklagten den Umgang des Geschäftsführers mit den Angestellten. Selbst die Südkurve protestierte mit Spruchbändern gegen den ungeliebten Gast. Die Canepas reagierten auf die Kritik, wie sie es oft tun: mit grösstmöglicher Renitenz. «Wir stehen voll und ganz hinter Nick Gast und sind mit seiner Arbeit äusserst zufrieden», sagte Ancillo Canepa im Sommer 2023.

Ein paar Monate später trennte er sich dennoch von seinem Geschäftsführer. Sportlich blieb der FCZ hinter den Ansprüchen zurück, dazu kamen wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Geschäftsjahr 2023/24 betrug das Defizit 7,5 Millionen Franken. Die Canepas glichen es aus – so wie sie es seit bald 20 Jahren tun.

Das Ehepaar war mit seinem Privatvermögen und dem unverbrüchlichen Commitment immer der Garant für das Überleben des Klubs. Doch eigentlich sind die beiden längst im Pensionsalter. Eine Nachfolgeregelung für den 71-jährigen Ancillo und die bald 77-jährige Heliane Canepa drängt je länger, je mehr. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum sie sich dem Mann verschrieben, der heute über vieles im Klub bestimmt.

Milos Malenovic trat im Sommer 2023 zuerst als Berater auf den Plan. Parallel dazu arbeitete er weiter als Spieleragent. Bereits dieses Arrangement war gewöhnungsbedürftig, zumal mehrere FCZ-Fussballer Klienten Malenovics waren. Schon damals gab es Gerüchte glaubhafter Quellen darüber, dass Malenovic beim FCZ nicht nur bald als eine Art Sport-CEO einsteigen, sondern den Klub irgendwann auch als Besitzer übernehmen könnte. Die Canepas dementierten heftig.

Anfang Oktober 2023 wurde Malenovic offiziell als Sportchef präsentiert – und die Canepas schwärmten in den höchsten Tönen von ihm, obwohl sich um das Geschäftsgebaren des einstigen Fussballspielers seit Jahren Spekulationen ranken. Bei Ajax Amsterdam beispielsweise, so schrieben es niederländische Medien, soll er einst ein Machtvakuum ausgenutzt und mit dubiosen Deals viel Geld verdient haben.

Beim FCZ blieb seit Malenovics Einstieg kein Stein auf dem anderen. Weit über 50 personelle Veränderungen gab es im Betrieb in den letzten 18 Monaten, Malenovic baute den Klub Schritt für Schritt um – oft begleitet von Unruhe. Es heisst, er sei ein Selbstdarsteller, dirigiere und dominiere, mache falsche Versprechungen, setze auch Junioren unter Druck, sei brillant, aber manipulativ. Bereits vor einem Jahr schrieb die «NZZ am Sonntag» von einem «toxischen Klima der Angst» im Verein. Malenovics Macht ist umfassend, er hat alle wichtigen Stellen mit Leuten seines Vertrauens besetzt, dirigiert die Trainer, bestimmt Aufstellungen selbst im Nachwuchs. Niemand widerspricht.

Der Klub wirkt, als hätte er sich in eine Parallelwelt zurückgezogen. Am deutlichsten zeigt sich das im Transfer von Mendy, in dem man auch nach massiver Kritik kein Problem erkennen will. Selbst bei den Treuesten hat der Verein an Goodwill eingebüsst. Reeto von Gunten, Autor und Radiomoderator, ist FCZ-Fan und langjähriger Saisonkartenbesitzer im Letzigrund. Die Verpflichtung von Benjamin Mendy bestürzt auch ihn. Er sagt: «Es ist erschreckend, welche Prioritäten gesetzt werden. Das Signal, das man mit einem solchen Transfer sowohl an die Spielerinnen wie auch an die Spieler im Verein, die Fans im Stadion und ganz allgemein an alle Männer und Frauen sendet, ist anscheinend egal. Haltung und Moral spielen keine Rolle.»

Hinzu kommt der sportliche Niedergang. Mitte November war der FCZ noch Leader, jetzt muss er um den Einzug in die Meisterrunde der besten sechs bangen. Begleitet wird das Abrutschen von Aktionismus auf dem Transfermarkt. Der Klub nimmt in der Winterpause erneut einen umfassenden Kaderumbau vor und lässt die Identifikationsfigur Antonio Marchesano ziehen.

Mendy ist das Problem der anderen

Krise? Unruhe? Probleme? Ein Treffen dieser Tage mit Milos Malenovic ermöglicht einen eindrücklichen Einblick in die Parallelwelt. Auf jede Geschichte und jeden Vorwurf hat Malenovic eine Antwort. Selbstbewusst, souverän, stilsicher argumentiert der 40-Jährige. Er sieht es so: Nur zwei, drei Siege ist der FCZ von der Tabellenspitze entfernt, die letzten Begegnungen verliefen unglücklich, der Umbruch im Klub verläuft perfekt, der Prozess benötigt Zeit und Anpassungen. Im FC Zürich arbeiten Menschen mit Haltung, mit Stil und Klasse, es gibt intern keine Schwierigkeiten, die Polemik von aussen ist uninteressant.

Der Weg stimmt. Alles gut. Der Transfer von Mendy? Malenovic sieht kein Problem, höchstens in der Haltung vieler Menschen in der Schweiz. Einen Spieler wie Jean-Pierre Nsame, der einst ein Baby geschüttelt hat, würde der FCZ nicht verpflichten, aber Mendy sei freigesprochen und habe Malenovic die ganze Story ausführlich dargelegt.

Und sowieso: Es gebe viele junge Frauen, die Fussballer umschwärmten, arrangierte Partys besuchten und bereit seien, mit ihnen ins Bett zu gehen. Mendys Verpflichtung sei ein Coup, der Weltmeister ein Gewinn für das Team und ein Vorbild für die Nachwuchsspieler.

Vor zwei Wochen hat Malenovic nach massiver Kritik am FCZ zur Medienschelte ausgeholt. Doch eigentlich ist es ihm egal, was Aussenstehende finden – das vermittelt er im Gespräch. Er ist überzeugt von sich, seinen Ideen, der Neugestaltung des Klubs. Und Ancillo und Heliane Canepa sehen den FCZ bei ihm in besten Händen.

Die NZZ kommentierte vergangenen Dezember: «Vereinsführung und Trainer des FC Zürich geben sich aggressiv – so kracht der Klub an die Wand.» Sollte es so weit kommen, hätte Malenovic rasch wieder einen Job im Fussballgeschäft. Die Canepas aber stünden vor einem Scherbenhaufen.

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