Samstag, Oktober 5

Am Donnerstag eröffnete ein Mann in München das Feuer auf Polizisten. Er wurde von den Beamten erschossen. Die Behörden gehen davon aus, dass er einen Anschlag auf das israelische Konsulat plante. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist passiert?

Am Donnerstagmorgen ist es im Stadtzentrum von München zu einem Schusswechsel gekommen. Laut Angaben der Polizei schoss ein Mann mit einem Gewehr auf Polizisten, woraufhin die Polizei auf den Angreifer schoss. Der Täter sei seinen Verletzungen erlegen, teilten die Behörden später mit.

Laut Angaben des bayrischen Innenministers Joachim Herrmann hatte der Täter einen Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat geplant. Auch die Polizei teilte mit, man gehe zum jetzigen Zeitpunkt «von einem terroristischen Anschlag auch mit Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel aus». Bei dem Täter handelt es sich um einen 18-jährigen Österreicher mit bosnischen Wurzeln.

Der Vorfall ereignete sich in der Maxvorstadt in München, in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums und des israelischen Konsulats. Die Polizei rief dazu auf, den Bereich grossräumig zu meiden. Um 12 Uhr gab die Polizei Entwarnung. Es bestehe keine Gefahr mehr für die Bevölkerung.

Was weiss man über den Tatverdächtigen?

Bei dem mutmasslichen Täter handelt es sich nach den neusten Erkenntnissen um einen 18-jährigen Mann aus Österreich. Laut Informationen der Deutschen Presseagentur lebte der Täter mit seinen Eltern in Neumarkt im Salzburger Land.

Nach Angaben der Salzburger Polizei war im Vorjahr gegen den Mann ermittelt worden. Man habe ihn verdächtigt, sich religiös radikalisiert und für Waffen und Sprengstoff interessiert zu haben. Für den Mann mit bosnischen Wurzeln sei ein Waffenverbot verhängt worden, das frühestens 2028 ausgelaufen wäre.

Der damals noch 17-Jährige war den Behörden nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hiess es. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat auf seinem Mobiltelefon gefunden. Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, hiess es von der Polizei. Seither sei der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten.

Am Donnerstagnachmittag durchsuchten Polizisten die Wohnung der Eltern des Täters in Neumarkt am Wallersee in Österreich. Dort soll der 18-Jährige zuletzt gewohnt haben. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe, teilte die Polizei mit.

Laut Angaben der Polizei München gibt es derzeit keine Hinweise auf weitere Verdächtige.

Was ist der Hintergrund der Tat?

Am Donnerstag war der Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972. Linksextreme palästinensische Terroristen der Gruppe «Schwarzer September» hatten damals elf israelische Teilnehmer als Geiseln genommen. Alle Israeli waren ermordet worden. Laut Bayerns Innenminister Herrmann liegt es «wegen des Tatorts in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums und des israelischen Generalkonsulats» auf der Hand, dass es «womöglich einen Zusammenhang geben könnte».

Nach Informationen der NZZ war das Münchner Konsulat am Donnerstagmorgen nicht besetzt. Die Angestellten seien wegen des Gedenkens an München 1972 nicht vor Ort gewesen, wie die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher, mitteilte. Der versuchte Terroranschlag zeige, «wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus» sei, sagte Lador-Fresher.

Was sind die Reaktionen auf den versuchten Anschlag?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb am Donnerstagabend auf der Plattform X: «Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert. … Ich sage es ganz deutlich: Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz.»

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sprach am Donnerstag von einem «schwerwiegenden Vorfall». Sie wolle aber nicht spekulieren, es gelte abzuwarten. «Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Münchner Polizei, die da einen guten Einsatz aus meiner Sicht macht», so Faeser. «Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen, das wissen Sie, hat oberste Priorität.»

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte: «Wir kennen noch nicht alle Hintergründe. Das, was wir wissen, lässt uns den Atem stocken. Es hätte heute in München eine Katastrophe geben können.»

Am Nachmittag trat auch Bayerns Ministerpräsident, der Christlichsoziale Markus Söder, vor die Presse. Insbesondere Bayern sei im Umgang mit Terrorismus «stärker» und «entschlossen», sagte er. Er sprach von einem deutlichen «Warnsignal».

Wie steht es um die Sicherheit jüdischer Organisationen in Deutschland?

Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich die Bedrohungslage für jüdische Einrichtungen verschärft. Die Polizei verzeichnete mehrere Versuche von Anschlägen auf Synagogen. So etwa am 18. Oktober, als Unbekannte Molotowcocktails auf das Haus der jüdischen Gemeinde Adass Jisroel in Berlin warfen. Immer wieder ziehen israelfeindliche Demonstranten auch an Synagogen vorbei.

Bundesweit sind politisch motivierte Straftaten im Kontext des Nahostkonflikts im vergangenen Jahr auf 4369 Fälle gestiegen (2022: 61 Fälle). Davon entfallen laut Statistik rund 64 Prozent auf den Phänomenbereich «ausländische Ideologie». Der «religiösen Ideologie», damit ist der Islamismus gemeint, ordnet die Polizei rund 20 Prozent aller Straftaten zu. Knapp die Hälfte aller Straftaten im Kontext des Nahostkonflikts ordnet die Polizei als antisemitisch ein.

Mit Agenturmaterial.

Exit mobile version