Freitag, Oktober 25

Neue Vorschriften führen zu akutem Personalmangel in den Ferienorten. Die Bademeister, Helden des italienischen Sommers, werden zur bedrohten Spezies.

Von Jesolo bis in die Maremma, von Versilia bis Tropea: Italiens Strandbetreiber schlagen Alarm. Eine neue gesetzliche Regelung, die im Frühling in Kraft tritt, könnte dazu führen, dass im kommenden Sommer an den Küsten viel zu wenig Aufseher bereitstehen, um die Badenden vor Gefahren zu warnen, bei brenzligen Situationen einzugreifen und lebensrettende Sofortmassnahmen vorzunehmen.

«Die Rettungsschwimmer sind vom Aussterben bedroht», berichten die Lokalreporter der Zeitung «La Nazione» aus Viareggio, und die «Repubblica» ergänzt drastisch: «Praktisch ausgerottet wie Mönchsrobben». Was ist passiert?

Als handelte es sich um einen Aprilscherz, soll ab dem 1. April 2024 eine Norm gelten, die bereits 2016 beschlossen, seither aber nie umgesetzt wurde. Die Verlängerungsfrist für die alte Regel läuft nun aber definitiv aus. Neu dürfen Italiens Rettungsschwimmer künftig erst ab 18 Jahren als «bagnino» arbeiten (statt wie bisher ab 16), ausserdem müssen sie eine Ausbildung absolvieren, deren Dauer von dreissig auf hundert Stunden erhöht wird. Die Hürden für einen klassischen Ferienjob junger Schulabgänger werden damit stark erhöht.

Alle fünf Jahre muss künftig zudem die Lebensretterprüfung wiederholt werden. Bisher reichte ein ärztliches Attest für die Verlängerung der entsprechenden Dokumente. Das könnte dazu führen, dass erfahrene Rettungsschwimmer aus dem Dienst ausscheiden. «Ein erfahrener Retter, der weiss, wie man bei rauer See mit dem Tretboot hinausfährt, schafft es vielleicht nicht mehr, in den erforderlichen Sekunden die vorgegebene Strecke im Pool zurückzulegen», klagt Luca Genovali, Trainer der Rettungsgesellschaft von Forte dei Marmi, in der «Nazione».

Verdächtige Zahl

Viertausend «bagnini» würden Italien fehlen, schreiben die Zeitungen.

Viertausend?

Die Zahl lässt aufhorchen. Schon letztes Jahr wurde sie genannt und x-fach wiederholt, als die neue gesetzliche Norm noch ausser Sichtweite war. Und schon damals schlugen die Strandbetreiber Alarm.

Damals wurden in den Medien andere Gründe für den Mangel an jungen Leuten genannt, die gewillt sind, einen Sommer in Badehose und rotem Retter-T-Shirt an Italiens Sandstränden zu verbringen. Den heutigen Jugendlichen fehlten einfach Hunger und Ehrgeiz, hiess es. Es handle sich um eine Generation, die sich vor der Verantwortung drücke und in erster Linie darauf aus sei, bequeme Jobs möglichst im Home-Office erledigen zu können.

Tatsächlich ist die Arbeit der «bagnini» meist ziemlich streng. Neben dem Einsatz als Rettungsschwimmer gilt es, die jeweiligen Strandabschnitte sauber zu halten, den Gästen ihre Sonnenschirme und Liegebetten zu bringen, Touristen zu betreuen, Sonnencrème aufzutragen, kleine Wunden und Quallenbisse zu verarzten, Kinder zu trösten und verlorenes Spielgerät zu suchen.

Der Vizepapa

Als Lohn freilich winkten nicht nur Monatssaläre von bis zu 1900 Euro während der Saison, was für Jugendliche in Italien ziemlich viel Geld ist, sondern die ungeteilte Bewunderung der Feriengäste. Denn der «bagnino» war immer auch der Held des Strandes, mitunter sogar der Inbegriff des Latin Lover: stark, schön, braungebrannt und doch mit Verantwortungsgefühl ausgestattet. Für die Kinder fungierte er «als Vizepapa, als Ersatz für Grossvater und Onkel – aber netter, hübscher, stärker», wie Maurizio Crosetti, bekannter Autor und Fussballexperte, schreibt. Und für die krebsroten Touristen aus dem Norden war er die Verkörperung ihrer Sommerseligkeit und ihrer mediterranen Träume.

Nun mutiert er zur gesuchten Spezies, aus welchem Grund auch immer. Das macht ihn womöglich zwar noch interessanter. Aber er fehlt trotzdem, und dort, wo er noch auf seinem Hochsitz hockt und mit dem Fernglas aufs Meer schaut, muss er, obwohl künftig besser ausgebildet, immer längere Strandabschnitte überwachen. Selbst die Mittagspause soll ihm mit den neuen Regeln gestrichen werden.

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