Donnerstag, Februar 13

Wochenlang bemühte sich die Union vergeblich um Kontakte nach Washington. Bei den ersten Treffen mit den Amerikanern sind für die EU vor allem die Ankündigungen zur Ukraine beunruhigend.

Das Wort «ghosting» stammt aus den USA. So wird ein Gespräch genannt, das beim Gegenüber plötzlich ins Leere läuft. Genau so erging es der EU in den letzten Wochen in ihrer Beziehung mit den USA, immerhin der wichtigste Handelspartner.

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Die Aussenbeauftragte Kaja Kallas musste Ende Januar zerknirscht eingestehen, dass sie auf ihre Einladung an den amerikanischen Aussenminister Marco Rubio nicht einmal eine Antwort erhalten habe. Auch die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bemühte sich wochenlang vergeblich um ein Treffen mit der neuen Mannschaft von Präsident Donald Trump.

Vor diesem Hintergrund muss der dieswöchige Europabesuch von gleich drei amerikanischen Regierungsvertretern bereits als Erfolg bewertet werden: Vizepräsident J. D. Vance reiste an einen KI-Gipfel nach Paris und besucht später die Münchner Sicherheitskonferenz, wo auch Aussenminister Marco Rubio erwartet wird. Verteidigungsminister Pete Hegseth traf sich am Mittwoch zum ersten Mal mit den Nato-Kollegen in Brüssel.

Vance hatte einige nette Worte im Gepäck: «Der Trump-Regierung ist Europa sehr wichtig», sagte er an von der Leyen gerichtet. Auf dieser «wichtigen Wirtschaftsbeziehung» könne man aufbauen. Zudem strebe man eine Sicherheitspartnerschaft an, die sowohl für Europa als auch die USA gut sei, so der Vizepräsident. Derart versöhnlich ging es freilich nicht lange weiter. Vance kritisierte in seiner Rede die EU dafür, mit Regulierungen die künstliche Intelligenz, «eine der vielversprechendsten Technologien seit Generationen», lahmzulegen und gar «autoritäre Zensur» auszuüben. Auch an der EU-Klimapolitik fand er kein gutes Haar.

Zurückhaltung als Strategie

Kurz: Die Amerikaner flogen mit Zuckerbrot und Peitsche auf den alten Kontinent – aus Brüsseler Optik ist die Peitsche in der Waagschale aber deutlich gewichtiger. Seit dem späten Montagabend und Trumps Ankündigung, flächendeckende Importzölle von 25 Prozent auf Aluminium und Stahl einzuführen, gilt dies noch mehr.

Bis dahin hielten sich die EU-Kommission sowie die europäischen Staats- und Regierungschefs in ihren Wortmeldungen zurück. Sie reagierten – auch in Bezug auf Trumps Grönland- und Gaza-Pläne – vorsichtig oder gar nicht auf die verschiedenen Einwürfe, die aus dem Weissen Haus kamen. Das war kein Zufall, sondern vereinbarte Strategie.

Die Antwort der EU-Kommission auf Trumps Ankündigung war dann für europäische Verhältnisse geradezu energisch: Zölle seien Steuern – also schlecht für die Wirtschaft und noch schlechter für die Konsumenten, so von der Leyen. «Nicht gerechtfertigte Zölle werden entschiedene und verhältnismässige Gegenmassnahmen nach sich ziehen», sagte sie am Dienstag.

Es bleibt Zeit für Verhandlungen

Wie diese genau aussehen werden, verrät die Kommission noch nicht – obwohl sie stets betont, gegebenenfalls pfannenfertige Pläne aus der Schublade ziehen zu können. Dem Vernehmen nach könnten Gegenzölle, ähnlich wie während Trumps erster Präsidentschaft, auf Harley-Davidson-Motorräder, Whiskey oder Jeans geschlagen werden.

Die Taktik dahinter: Bis zum 12. März, wenn die amerikanischen Zölle in Kraft treten sollen, dauert es noch eine Weile. In der Zeit lässt sich in Verhandlungen allenfalls etwas herausholen – beispielsweise, indem die EU Kaufversprechen für (mehr) amerikanisches Flüssiggas oder Waffen abgibt. Kanada und Mexiko haben vorgemacht, dass der «Dealmaker» Trump durchaus zu Konzessionen bereit ist, wenn man auf seine Wünsche eingeht.

Wie EU-Diplomaten im Gespräch sagen, geht Brüssel aber davon aus, dass aus Washington noch mehr schlechte Nachrichten kommen werden – dass es die amerikanische Administration nicht bei Zöllen auf Aluminium und Stahl belassen wird, zumal diese für die meisten Mitgliedstaaten verkraftbar sind.

Viel schmerzhafter wären Handelsbeschränkungen etwa für Auto- oder Pharma-Importe. Auch darum will die Kommission noch nicht ihr ganzes Pulver verschiessen und ihre Gegenmassnahmen wenn nötig lieber auf einen Schlag ankündigen.

Gleichzeitig will man Washington die eigene Wirtschaftsstärke aufzeigen und Geschlossenheit demonstrieren – schliesslich pflegt die neue amerikanische Regierung gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten durchaus bilaterale Beziehungen. Diese Linie betonten auch die Handelsminister der EU-Mitgliedsstaaten, die sich am Mittwochabend zu einer eilig einberufenen Videokonferenz eingefunden hatten. Für Handelsfragen ist in der EU allerdings die Kommission zuständig.

Kurz: Es ist ein stetiger Balanceakt, den die EU seit Trumps Wahl im November zu vollziehen versucht.

Keine Nato-Mitgliedschaft für Ukraine

Dabei beobachtet Brüssel gespannt, wie sich die Verteidigungs- und insbesondere die Ukraine-Politik der USA unter der neuen Führung entwickelt. Trump und der russische Präsident Wladimir Putin sollen gemäss Agenturberichten am Mittwochabend bereits den Beginn von Verhandlungen vereinbart haben.

Dass die Ukraine dabei keine hohen Erwartungen haben sollte, machte der amerikanische Verteidigungsminister Hegseth bei der Nato in Brüssel klar. «Die Vereinigten Staaten glauben nicht, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ein realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung ist», sagte er.

Auch die Wiederherstellung der ukrainischen Grenzen von 2014 – also vor der russischen Besetzung der Krim – sei ein «illusorisches Ziel». Und schliesslich sollten keine amerikanischen Truppen zur Überwachung eines Waffenstillstandes in die Ukraine geschickt werden. Hegseth wiederholte, dass die Europäer mehr in die Sicherheit des Kontinents investieren müssten – unter anderem mit einer deutlichen Erhöhung der nationalen Verteidigungsbudgets.

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