An der Milano Fashion Week für den nächsten Herbst/Winter fielen die Kollektionen von Bally, Jil Sander und Prada auf – vor allem aber zwei Trends: bourgeoise Damen-Looks sowie eine Menge (Kunst-)Pelz.

War das nun die in jüngster Zeit oft diskutierte «fashion fatigue» – eine «Modeermüdung» –, die man an der eben zu Ende gegangenen Milano Fashion Week zu sehen bekam? Was die Modemarken und Designer für die Saison «Fall/Winter 2025/26» zeigten, war alles andere als ein Feuerwerk der Kreativität. Die unsicheren Aussichten auf die Entwicklungen im Luxussektor drücken sich offensichtlich nicht nur in den unübersichtlich vielen Designerwechseln aus, sondern auch in den jüngsten Modekollektionen. Überwältigende Experimente wie etwa John Gallianos letztjährige Margiela-Artisanal-Kollektion gab es in Mailand keine zu sehen, dafür fielen die diesjährigen Herbstkollektionen durchs Band solide und «vernünftig» aus – man bleibt weiterhin «on brand» und bewegt sich in sicheren Gewässern.

Einziges Reizthema: Pelz! Oder sagen wir es so: Zumindest seine Optik ist zurück. Das überrascht, war es doch eine gute Weile ziemlich verpönt und gar riskant, sich in der Öffentlichkeit mit Fellen bekleidet zu zeigen. Zu gross war das Risiko der sozialen Ächtung und der Attacken von Tierschützern. Die Modebranche schien sich in den letzten Jahren richtiggehend selbst zu applaudieren, indem immer mehr Firmen den Verzicht auf Pelz offensiv deklarierten.

Aber: In letzter Zeit sind immer mehr zum Verwechseln aussehende, synthetische Imitate zu sehen – und an den neuerdings als Mode-Ikonen gefeierten «Sciure», Mailands leicht arrogant wirkenden Damen aus besseren Verhältnissen, hat pelzige Mode Tradition. Gleichzeitig erlebt echtes Lammfell-Shearling einen wahren Boom, wohl weil man damit weniger eine tierquälerische Produktion assoziiert. Das ist paradox.

Dass nun die jüngste Mailänder Modewoche so viele fellige Looks propagiert, erweckt eine neue Lust und rollt die Pelzdebatte von neuem auf; diesmal ist sie aber komplexer – denn ob das, was da getragen wird, echt ist oder nicht, neu, vererbt oder aus dem Vintage-Laden, ist oft unklar, scheint aber vielen nun auch einfach etwas egal zu sein.

Streicheleinheiten

Was uns dieser Trend aus modischer Sicht sagen will? Nebst dem Winterschutz und dem Wärmefaktor steht Pelz für Glamour. So zeigte sich vergangene Woche die Grande Dame des französischen Kinos, Catherine Deneuve, in einem prunkvollen, schwarz glänzenden Fellmantel, als sie zur Verleihung der fünfzigsten César-Filmpreise als Ehrenpräsidentin über den roten Teppich ging.

Man kann im wiedererwachten Felltrend aber auch ein Bedürfnis nach Streicheleinheiten sehen, vor allem in Zeiten der sozialen Distanz. Das Handy, vollgepackt mit sozialen Netzwerken und künstlicher Intelligenz, ist Hauptansprechpartner und Trostspender. Was fehlt, sind taktile Reize, die über das Wischen auf glatter Bildschirmfläche hinausgehen. In diesem Kontext erleben Textilien mit üppigen, haptischen Texturen eine Hochblüte. Nicht nur Pelz, sondern dank technischen Innovationen auch formal verwandte Versionen aus Strick oder aufgerautem Cashmere und Wolle.

Für weiteren Gesprächsstoff sorgte unter anderem das 30-Jahre-Jubiläum von Dsquared2 der kanadischen Zwillingsbrüder Dean und Dan Caten. Mit dem Auftritt von vielen Promis, etwa dem Rap-Superstar Doechii, Naomi Campbell mit Löwenmähne oder Brigitte Nielsen als autoritärer Polizistin, wurde der Geburtstag in typischer Manier ausgelassen und äusserst sexy gefeiert. Modisch stachen die über die Jahre so bekannt gewordenen Looks mit Anlehnung an die kanadischen Wurzeln ins Auge: derb bis vulgär inszenierte Varianten von Holzfäller- und Trucker-Outfits mit pelzbesetzten Parkas, Karoflannell, Denim und Caps.

Viel Aufmerksamkeit erhielt auch die Fendi-Show, die das 100-jährige Bestehen der römischen Maison zelebrierte. Die Wurzeln als Pelzunternehmen standen dabei offensichtlich im Zentrum von Silvia Venturini Fendis Damen- und Herrenkollektion: Fell in allen Variationen, als Imitat und wohl auch Echtpelz, an Kleidern, Schmuck und Handtaschen, aber auch als punktuell gesetzte Verzierungen mit Pusteblumeneffekt auf Abendkleidern.

Fendi feiert sein 100-Jahre-Jubiläum der Maison.

Viele Shows in Mailand waren geprägt von den gegenwärtigen Designerwechseln: Mit Abwesenheit im Schauenkalender glänzte Bottega Veneta – die Marke befindet sich gerade in einer Übergangsphase zwischen zwei Kreativdirektoren. In derselben Situation steckt Gucci: Nur wenige Wochen vor der Show verliess der Kreativchef Sabato de Sarno seinen Posten. Was das zurückgebliebene Designstudio für die Modewoche auf dem Laufsteg präsentierte, war eine gute, für den Verkauf brauchbare Gucci-Kollektion, liess jedoch jenen Funken unbändiger Begehrlichkeit vermissen, der unter Alessandro Michele für Furore und klingelnde Kassen sorgte. Ein gehobenes Salon-Feeling mit konservativen Stilcodes, etwa den als Kopftuch gebundenen Seidentüchern, umgab diese Kollektion mit schimmernden Edelsteintönen.

Pelz bei Jacken und Taschen zu Unterwäsche-Looks und Seidenkopftüchern bei Gucci.

Mailänder Highlights: Jil Sander, Bally und Prada

Ein Abschied, der sich bereits gerüchteweise ankündigte, aber erst nach der Show offiziell wurde, war der Abgang von Lucie und Luke Meier bei Jil Sander. Sie zeigten ihre wohl beste Kollektion, die im Nachgang auch eine der besten der Mailänder Modewoche darstellt.

Längst ist Jil Sander nicht nur für minimalistische, schlicht-diskrete «Architekten-Uniformen» bekannt, sondern hat sich zu einem vielschichtigen, aparten Liebling unter Moderedaktorinnen gemausert: Die jüngste Kollektion hielt die perfekte Balance zwischen den puristischen Wurzeln der Gründerin Jil Sander und wilderen, unbändigen Noten, etwa üppigen Texturen mit Felleffekten, langen, wehenden Paillettenstreifen oder aber auch Punk-Anleihen mit Nieten und Spikes an Schuhen und farbig leuchtenden Leder-Looks.

Highlight zum Schluss: Die letzte Kollektion von Lucie und Luke Meier für Jil Sander für Herbst/Winter 2025 ist ihre bisher beste.

Während sich bei Jil Sander der Abgang nach der Show bestätigte, steht er bei einer anderen Marke weiterhin als Gerücht im Raum: jener von Simone Bellotti bei Bally. Dass die Firma mit Schweizer Wurzeln vergangenen Sommer erneut den Besitzer wechselte, verheisst nichts Gutes. Kurz darauf verliess der CEO Nicolas Girotto die Firma, die Bally Foundation schloss, es wurden Stellen im Tessin gekündigt und Produktionsstandorte in der Toskana geschlossen. Längst brodelt die Gerüchteküche, und Bellotti wird als Anwärter auf den Kreativchefposten bei Jil Sander oder gar Gucci gehandelt.

Gleichzeitig sorgt aber auch seine jüngste Kollektion für Gesprächsstoff: Der Italiener offenbart mit seiner subtilen Erzählweise eine neue Sichtweise auf Schweizer Stilcodes. Seine Show inszenierte er vor intimer Gästeschar im ikonischen Torre Velasca, einem brutalistischen Hochhaus von 1956. Unter dem Titel «Leistung Aufführung» – zwei Begriffe, die im Englischen für den Begriff «performance» stehen – präsentierte Bellotti seine typisch präzisen, fast konservativen Looks mit jenem Dreh in Schnitt und Details.

Inspiration waren der Schweizer Künstler Luciano Castelli und seine expressive Performance-Kunst der späten 1970er Jahre: Aus adretten Kostümen aus Wolle und Leder quollen Besätze aus ungestümem Pelz hervor – archaisch wirkende Gesten und rebellischer Gegensatz zum Kontrollierten und Zugeknöpften. Egal, ob er bei Bally bleiben wird, diese Kollektion stellt einen Triumph für Bellotti und ein Highlight für die jüngste Mailänder Modewoche dar.

Ein weiterer Höhepunkt: Prada. Erneut lieferten Miuccia Prada und Raf Simons den bewährten, mittlerweile erwartbaren Bruch mit bisherigen Sehgewohnheiten. Aber wie auch bei vielen weiteren Kollektionen in Mailand sah die Prada-Frau für kommenden März wie eine gut situierte Dame aus bourgeoisen Kreisen Mailands aus: in Bluse, Wollkostüm – und einem dicken Pelz. Das Prada-eske daran: Pelze kamen in Form gestapelt wirkender Kragen, waren gar bei einem Mantel durch eine transparente Plastikschicht geschützt oder kamen wie brachiale Versatzstücke bei einer «Wilderer»-Jacke daher.

Prada, Herbst/Winter 2025, von Miuccia Prada und Raf Simons.

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