Freitag, September 20

Die Vergabepraxis der milliardenschweren Prämienverbilligungen gehört überprüft. Falls diese zu grosszügig gewährt werden, sollte der Staat Leistungen kürzen.

Nächste Woche wiederholt sich in Bern ein alljährliches Ritual. Der Bundesrat wird bekanntgeben, um wie viel die Krankenkassenprämien im kommenden Jahr steigen werden. Der Krankenkassenverband Santésuisse erwartet eine deutliche Erhöhung von rund 5 Prozent. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit über die steigende Prämienlast ist programmiert. Und die Linke wird ihre Standardforderung erheben, dass einkommensschwache Haushalte mehr Prämienverbilligungen erhalten sollten.

Doch Letzteres wäre ein Fehler. Der Staat richtet die Prämienverbilligungen womöglich schon heute zu grosszügig aus. Darauf deuten NZZ-Recherchen hin: In der Schweiz haben offensichtlich viele Bezüger von Prämienverbilligungen genügend Geld, um sich nebenbei noch eine private Krankenzusatzversicherung zu leisten.

Eine grosse Krankenkasse hat dazu Daten offengelegt. Bei ihr hatten 71 Prozent der Bezüger von Prämienverbilligungen eine Zusatzversicherung – fast so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Sozialtransfers erhalten und sich dann doch Dinge leisten, für die andere aus eigenen Mitteln bezahlen müssen – das hinterlässt einen schalen Beigeschmack.

Verbote nicht sinnvoll

Die Reaktion darauf sollte allerdings nicht sein, den Bezügern von Prämienverbilligungen Dinge zu verbieten. Was Empfänger von staatlichen Unterstützungsleistungen mit ihrem Geld anfangen, sollte einen liberalen Staat grundsätzlich nicht interessieren. Die Prämienverbilligungen dienen dazu, niedrige Einkommen aufzustocken und finanzielle Härten zu vermeiden. Was die Bezüger mit dem Geld anstellen, liegt in ihrer Wahlfreiheit.

Zudem ist der Abschluss von kleinen Zusatzversicherungen häufig nicht verkehrt. Eltern können sich damit beispielsweise für wenig Geld gegen das Risiko absichern, dass ihre Kinder teure Zahnspangen brauchen.

Doch Bezüger von Prämienverbilligungen scheinen sich recht häufig auch teure Angebote wie Spital-Zusatzversicherungen (Privat, Halbprivat oder Flex) zu leisten. Darauf deuten die Daten hin, die die NZZ von einer grossen Krankenversicherung erhalten hat. Spital-Zusatzversicherungen gelten als Luxuslösungen, weil man sich damit vor allem mehr Komfort während eines Spitalaufenthaltes kauft, etwa ein grösseres Zimmer oder besseres Essen.

Wenn sich Haushalte solche teuren Zusatzversicherungen leisten können, liegt die Frage nahe, warum sie überhaupt eine Prämienverbilligung brauchen.

Mehr Transparenz nötig

Gefordert sind nun einerseits die Kantone. Sie sind es, die im Schweizer Föderalismus die Modalitäten für die Prämienverbilligungen festlegen. Das ist auch richtig so, denn die Höhe der Unterstützung muss fein abgestimmt werden auf die Steuerbelastung der Haushalte, die von Kanton zu Kanton verschieden ist. Doch die Kantone sollten genauer hinschauen: Erhalten nur bedürftige Personen die Sozialtransfers oder auch solche, die eigentlich nicht darauf angewiesen wären? Falls sich herausstellt, dass Prämienverbilligungen zu grosszügig gewährt werden, sollten Leistungen gekürzt werden.

Anderseits steht der Bund in der Pflicht. Ein Problem ist, dass es bis jetzt kaum Daten dazu gibt, wie häufig Bezüger von Prämienverbilligungen nebenbei noch Zusatzversicherungen haben – und von welcher Art diese sind. Der Bund könnte einfordern, dass ihm die Krankenversicherer diese Daten liefern. Dann würde das Ausmass des Phänomens klarer.

Es geht um viel. Die Prämienverbilligungen sind zu einem der grössten Sozialprogramme der Schweiz angewachsen. Bund und Kantone geben mittlerweile 6 Milliarden Franken pro Jahr dafür aus. Das ist ähnlich viel, wie der Staat für die Landesverteidigung aufwendet. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben Transparenz darüber verdient, ob der Staat das Geld für die Prämienverbilligungen sinnvoll einsetzt.

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