Donnerstag, Oktober 3

The Market macht sich regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. In der Schweiz scheiden UBS und Cosmo aus der Selektion aus. Dafür kommt es mit Phoenix Mecano und APG zu zwei Neueintritten. Zudem qualifizieren sich erstmals seit langem zwei deutsche Namen unter den günstigsten Werten.

Die Weltwirtschaft kann die Rezession abwenden: So lautet derzeit der Grundtenor an den Börsen. Überwogen kurz vor der ersten Zinssenkung durch die US-Notenbank noch Zweifel, ob die Konjunktur nicht doch einen grösseren Dämpfer einstecken muss, scheint seit der Ankündigung geld- und fiskalpolitischer Stimulusmassnahmen in China klar: Die Konjunktur wird aller Voraussicht nach weich landen.

So lässt sich jedenfalls die Reaktion der Börsen zusammenfassen. Hatten anfänglich noch defensive Namen aus den Bereichen Basiskonsum und Gesundheit die Nase vorn, werden jetzt hauptsächlich zyklische Namen aus den Sektoren Grundstoffe und Industrie gesucht. Wenig gefragt sind derweil Energie-, Pharma- und auch die bis in den Sommer gehypten Technologiewerte.

Die Verschiebungen machen sich in der Qualitätsauswahl von The Market bemerkbar, die ihren jeweiligen Vergleichsindex seit der letzten Bestandesaufnahme schlagen konnte. Das gilt besonders für die Selektion in der Schweiz und in den USA, die mit Industrietiteln gespickt ist. Derweil liegt die europäische Auswahl auch wegen ihres grossen Gewichts in Energievaloren nur gleichauf mit dem Stoxx Europe 600.

Zur Erinnerung: Seit der Lancierung 2019 macht sich The Market an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.

Die Kriterien

Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.

Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.

In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – definiert als Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.

Phoenix Mecano und APG sind neu dabei

In der Schweiz schaffen sechzehn Namen alle Hürden, gleich viele wie im Vormonat. Dabei ist es zu vier Wechseln gekommen. Ausgeschieden sind UBS und Cosmo Pharmaceuticals, die erst bei der letzten Bestandesaufnahme zur Auswahl gestossen waren. Neu dabei sind die Valoren des Komponenten- und Gehäuseherstellers Phoenix Mecano sowie des Aussenwerbers APG:

Der Abschied von UBS hat sich von Anfang an abgezeichnet, weil die Kapitalrendite wegen des Aufwertungsgewinns auf die sehr günstig übernommene Credit Suisse überhöht war. Mit der Vorlage des jüngsten Ergebnisses Mitte August ist die vom Datenanbieter Bloomberg berechnete Gesamtkapitalrendite denn auch in den banküblichen Bereich unter 5% zurückgekehrt. Cosmo scheidet derweil aus, weil der Median des Buchwertwachstums im SPI auf 2,6% und damit über den Wert des Bio- und Medtech-Unternehmens von 2,4% gestiegen ist.

Phoenix spürt die schwache Konjunktur in Europa und hat ein gemischtes Resultat vorgelegt. So ist der Umsatz im ersten Halbjahr auch wegen des Verkaufs eines Unternehmensteils um 5,6% auf 386,2 Mio. € gesunken, der Auftragseingang um 3% auf 388,3 Mio. € und der Ebit um 13% auf 26,2 Mio. €.

Organisch sehen die Zahlen besser aus, und vor allem verdeckt die Schwäche der beiden industriellen Sparten Gehäusetechnik (Enclosure Systems) und Industriekomponenten (Industrial Components) den sich fortsetzenden Turnaround bei der grössten Division DewertOkin Technology, die Antriebs-, System- und Beschlagstechnik für elektrisch verstellbare Komfort- und Pflegemöbel herstellt.

Grösste Sparte hat Turnaround geschafft

«2022 ging diese Sparte durch den perfekten Sturm, seither ist der Turnaround aber auf dem Weg», schreiben die Analysten von Helvetische Bank. Gemäss den jüngsten Zahlen habe der Turnaround sogar an Dynamik gewonnen. Das sei auch deshalb von Bedeutung, weil Phoenix Mecano diesen in China beheimateten Konzernbereich eigentlich abspalten und bereits per Anfang 2021 an der Technologiebörse Star Market in Schanghai kotieren wollte, die Pläne wegen der zwischenzeitlich schlechten Zahlen aber auf Eis legen musste.

Für eine Ausgliederung müsste sich gemäss den Analysten von Helvetische Bank die Ebit-Marge des Bereichs allerdings noch etwas weiter verbessern, was sie dem Management bis 2025 oder 2026 durchaus zutrauen. Für das laufende Jahr sind die Aussichten für die Gruppe noch nicht ganz so rosig: Das Betriebsergebnis soll zwischen 50 und 62 Mio. Fr. und damit höchstens so hoch wie im Vorjahr ausfallen. Allerdings reflektiere die Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,6 auf Basis der Schätzungen für 2024 die langsame Gangart bereits.

Dank der günstigen Bewertung und der geringen Verschuldung sei auch der Aktienrückkauf – bis Ende Jahr dürfte das Unternehmen rund 3,8% der ausstehenden Titel erwerben – sinnvoll. Die Experten von Helvetische Bank geben sich zuversichtlich, dass Phoenix Mecano nach zwanzig kursmässig enttäuschenden Jahren auf den Erfolgspfad eingeschwenkt ist, und führen die Papiere auf ihrer Favoritenliste der Small und Mid Caps.

APG konzentriert sich auf eine interessante Nische

APG ist der führende Aussenwerber der Schweiz mit einem geschätzten Marktanteil von 65%. Im Mai hat die NZZ-Gruppe, zu der auch The Market gehört, 25% an APG übernommen und ist damit zur grössten Aktionärin geworden. Verkäufer waren die bisherigen Hauptaktionäre JCDecaux und Pargesa. Mit dem Einstieg der NZZ war die Übernahmefantasie vom Tisch, die im Februar aufgekommen war, als die beiden Grossaktionäre ihre Verkaufsabsicht kundtaten und der Verwaltungsrat einen Käufer für das Unternehmen suchte.

Dennoch bleiben die Analysten der ZKB für APG positiv eingestellt. «Das Unternehmen ist in der Schweiz klarer Marktführer in der Aussenwerbung, die ein hohes Digitalisierungspotenzial hat», schrieb ZKB-Analyst Daniel Bürki anlässlich der Publikation der Halbjahreszahlen. Die Übernahme von Clear Channel Schweiz durch TX Group habe zudem entscheidend zur Konsolidierung eines Marktes beigetragen, auf dem bisher ein intensiver Konkurrenzdruck mit entsprechend aggressivem Pricing geherrscht habe.

Aufgrund der Konsolidierung im Sektor rechnet Bürki mit mehr Preisdisziplin, was kombiniert mit der Digitalisierung in höheren Margen resultieren sollte. Die Aussenwerbung sei eine interessante Nische zwischen Online-Werbung, Rubrikengeschäft und klassischer TV- und Printwerbung. Wachstumstreiber sei die Digitalisierung mit elektronischen Plakaten; Letztere dürften ihren Marktanteil in den nächsten Jahren deutlich ausweiten. Mehr als 10% des Umsatzes blieben als freier Cashflow übrig, das Unternehmen verfüge über eine starke Bilanz und biete eine attraktive Dividendenrendite von 5,9%.

In Europa qualifizieren sich zwei deutsche Namen

In Europa qualifizieren sich 43 Namen, nach 47 bei der letzten Ausmarchung. Erstmals dabei sind der Reiseveranstalter TUI und der Mobilfunk- und TV-Anbieter Freenet, beide aus Deutschland, sowie die französische Lotteriegesellschaft La Française des Jeux.

TUI hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt: In der Pandemie rettete die deutsche Regierung das Unternehmen mit Staatsgeld. Schon zuvor hatten die früheren CEO Michael Frenzel und Friedrich Joussen über Jahre einen erdrückenden Schuldenberg angehäuft. Dies auch, weil sie den Trend zu Online-Buchungsplattformen wie Booking.com verpasst hatten und weiterhin hauptsächlich auf den Verkauf von Pauschalreisen in Reisebüros plus eigene Hotels und Flugzeuge setzten, also auf ein sehr kapitalintensives Geschäftsmodell. Ausserdem hielt der russische Oligarch Alexej Mordaschow ein Drittel der TUI-Aktien.

Der seit Oktober 2022 waltende CEO Sebastian Ebel hat also einen Problemfall übernommen, den er aber zum Glück gut kennt: Er arbeitete jahrelang bei TUI und verliess den Konzern vor vielen Jahren im Zwist mit Frenzel. Durch Kapitalerhöhungen hat er es geschafft, die Verschuldung so weit zu reduzieren, dass TUI nun auch dieses Kriterium für die Qualitätsauswahl erfüllt. Die Schulden beim Staat sind durch Kredite privater Kapitalgeber abgelöst worden. Die Aktionäre allerdings haben seit dem Hoch bei 63 € bis heute 90% ihres Kapitals verloren.

Nebeneffekt: Der Anteil der Mordaschows – Ehefrau Marina hält offiziell die Aktien – sank auf 10,9%. Im April kehrte TUI aus London zurück an die Frankfurter Börse.

TUI steigert Marktanteil

Operativ läuft einiges gut: Der Marktanteil bei deutschen Reiseveranstaltern stieg in den vergangenen Jahren von 25 auf 30%. TUI profitiert von der Insolvenz der Rivalen Thomas Cook (2019) und FTI (2024).

Ausserdem sind Pauschalreisen – eine Stärke von TUI – seit kurzem wieder deutlich beliebter. Als Grund geben Branchenkenner vermehrte Flugausfälle an. Bei Pauschalreisen muss der Veranstalter Ersatz bereitstellen, was bei Touristen für mehr Vertrauen sorgt. Positiv entwickelt sich auch das Gemeinschaftsunternehmen mit dem US-Kreuzfahrtkonzern Royal Caribbean.

Mittelfristig will Ebel beim Vermitteln von Hotels (die nicht immer TUI gehören) und Flügen nach Tagespreisen wachsen und so dem kapitalschonenden Modell von Booking.com nacheifern. Hotels und Flüge sollen nicht nur als Pauschalreise, sondern auch einzeln online buchbar werden. Der Umbau dürfte indes Jahre dauern.

Die Analysten erwarten für 2024 rund 23 Mrd. € Umsatz und einen Ebitda von 2,2 Mrd. €. Die Aktien sind nurmehr mit dem gut Sechsfachen des für 2024 erwarteten Gewinns bewertet.

Internet- und Kabelfernsehverträge als Treiber für Freenet

Freenet hat mehr als 7,6 Mio. Mobilfunkkunden, nachdem es vor fünf Jahren 6,8 Mio. waren. Das Unternehmen vermittelt Verträge in den Netzen anderer Anbieter wie Deutsche Telekom und O2. Beim Ebitda brachte die Sparte im zweiten Quartal 107 Mio. von insgesamt 127 Mio. € ein. Das Geschäft mit Internet- und Kabelfernsehverträgen lieferte den deutlich kleineren Rest, ist aber der Hoffnungsträger des Unternehmens: In diesem Segment wuchs der Umsatz im Quartal um 16% gegenüber dem Vorjahreszeitraum, während das Mobilfunkgeschäft um nur knapp 1% zulegte.

Rückenwind in Sachen Fernsehen verspricht eine Gesetzesänderung, von der auch die Telekom profitieren könnte. Sie könnte dafür sorgen, dass Kunden Fernsehen künftig aus dem Internet und nicht aus der Anschlussdose beziehen. Laut Warburg Research dürfte sich der wirtschaftliche Effekt dieser gesetzlichen Änderung vor allem 2025 zeigen. Freenet selbst rechnet gemäss Warburg Research mit zwischen 1,5 und 2 Mio. zusätzlichen Kunden für Waipu.tv (das Freenet-Angebot) aus dem Segment der Nutzer, die noch Kabelfernsehen beziehen.

Dazu kommen strategische Partnerschaften, die das Produktportfolio vergrössern sollen, sagt das Unternehmen gegenüber The Market. An der Börse zumindest ist Freenet im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahre mit einem KGV von etwas über 11 noch recht günstig bewertet. Und das bei einer Dividendenrendite von knapp 7%.

La Française des Jeux: Übernahme soll Wert schaffen

La Française des Jeux erzielt über 80% des Umsatzes mit Lotterien in Frankreich und Irland. Rund 20% stammen von Sportwetten und Online Gaming. Während mehrerer Monate wurde der Kurs durch die im Januar angekündigte Übernahme des schwedischen Konkurrenten Kindred belastet, weil die französische Wettbewerbsbehörde den Zusammenschluss bewilligen und 90% der Kindred-Aktionäre ihre Titel andienen müssen. Gemäss Simon Davies von Deutsche Bank Research dürfte der Zusammenschluss noch diese Woche vollzogen werden.

Ebenfalls nicht hilfreich dürften regulatorische Risiken in den Niederlanden sein, wo Kindred unangefochtener Marktführer ist. Werbeverbote und ein monatlicher Maximaleinsatz wurden bereits eingeführt, und nun hebt die neue rechtskonservative Regierung auch noch die Steuern auf Online Gaming an. Dazu kommt eine Untersuchung der Europäischen Kommission, ob Frankreich wegen möglicher Subventionen an La Française rechtswidrig gehandelt hat.

Gemäss Simon Davies dürfte die Untersuchung der Europäischen Kommission demnächst abgeschlossen werden, und die regulatorischen Risiken in den Niederlanden seien von Kindred in der Guidance für dieses Jahr bereits berücksichtigt worden.

Kritik wurde auch laut, weil der Zusammenschluss kaum Synergien bringe. Während La Française den Hauptharst der Einnahmen mit Lotterien erzielt, ist Kindred vollständig auf Online Gaming (62% des Umsatzes) und -Wetten (38%) ausgerichtet.

Dennoch rechnet Davies mit kleineren Einsparungen, und vor allem erwartet er, dass La Française nach einer erfolgreichen Übernahme dank breiterer geografischer Aufstellung und besserer Diversifizierung des Angebots ein erfolgreicheres Unternehmen sein wird. Durch den Zusammenschluss werde der Gewinn je Aktie nächstes Jahr um 40% steigen und sich in einem deutlich niedrigeren KGV von 13,6 niederschlagen. Davies hat die Einstufung für die La-Française-Valoren Anfang September von «Halten» auf «Kaufen» erhöht.

Cisco schafft den Wiedereinstieg in den USA

In den USA erfüllen 72 Namen alle Kriterien, nach 76 bei der letzten Bestandesaufnahme. Unter den zwanzig Werten mit der höchsten Ausschüttungsrendite kommt es zu einem Wiedersehen mit dem Netzwerkausrüster Cisco Systems:

Cisco ist jüngst auf der Erfolgswelle der künstlichen Intelligenz (KI) mitgeritten, weil mit dem enormen Bedarf an Rechenleistung die Nachfrage nach Netzwerkausrüstung ebenso kräftig wächst. Viele Analysten, die das Unternehmen verfolgen, bleiben aber eher zurückhaltend. «Cisco versucht, sich als KI-Play zu positionieren, aber das dürfte nur ein moderater Pluspunkt sein», schreiben die Analysten des US-Brokers Needham. Sie befürchten, dass Cisco in allen ihren Divisionen Marktanteile verlieren wird, und stufen die Valoren deshalb mit «Halten» ein. Immerhin halten sie Cisco zugute, dass die Aktie im Fall einer Rezession «womöglich ein sicherer Ort ist, um Geld zu parken».

Keine Veränderung gab es unter den zwanzig günstigsten US-Werten, die weiterhin von Finanz-, Energie- und Hausbauvaloren dominiert werden.

Durch die jüngsten Auswechslungen ist die Auswahl noch etwas zyklischer geworden, als sie es ohnehin schon war. Deshalb würde sie unter Druck geraten, wenn die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleitet. Auch ein erneutes Aufflackern des Hypes um künstliche Intelligenz würde auf der Performance lasten, weil zunehmend Geld aus Old-Economy-Branchen abgezogen und in die (vermeintlichen) Gewinner aus dem Tech-Sektor umgeschichtet würde. Andererseits bieten gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten die besten Gelegenheiten für den Einstieg in konjunktursensitive Werte.

An diesem Artikel haben Mark Böschen und Arne Gottschalck mitgearbeitet.

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