Montag, September 30

Seit 71 Tagen sassen vier britische Raser in Zürich, Winterthur und Horgen in Sicherheitshaft. Drei von ihnen sind nun verurteilt worden.

Als vier englische Touristen am 13. Juni dieses Jahres in Italien im Rahmen einer Vergnügungsfahrt am Morgen in ihre Sportwagen stiegen, hätte keiner von ihnen wohl auch nur im Traum daran gedacht, dass sie ihr geliebtes England erst rund zweieinhalb Monate später wieder sehen würden. Dafür lernten sie Zürcher Gefängniszellen von innen kennen.

Eigentlich hatten sie im Rahmen einer organisierten Autoreise mit rund einem Dutzend anderer Teilnehmer nur geplant, die Schweiz zu durchqueren und am gleichen Abend in Richtung Frankreich wieder zu verlassen.

Letzteres offenbar so schnell wie nur irgendwie möglich; die Landschaft zu geniessen, gehörte nicht in ihr Konzept.

Auf der Autobahnstrecke von Matzingen im Thurgau bis Würenlos im Aargau wurde bei ihren Autos zwischen 21 Uhr 10 und 21 Uhr 23 an mehreren Orten – in Matzingen, in Hagenbuch, in Wiesendangen – fast die doppelte Geschwindigkeit jenes Tempos, das erlaubt gewesen wäre, gemessen.

Die Spitzengeschwindigkeit erzielten sie auf Höhe Bertschikon mit 238 km/h. In Brüttisellen, wo Tempo 80 gilt, wurde bis zu 160 km/h erreicht. Zum Teil sind auch Abstände von lediglich 8 Metern bei Tempo 80, beispielsweise im Gubrist-Tunnel, dokumentiert.

Mindestens eines der Autos war mit Dashcams ausgestattet und nahm die Fahrten auf. Auf der Autobahnraststätte Würenlos wurden die vier Briten im Alter zwischen 24 und 50 Jahren schliesslich von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Bei den Automobilisten wurden auch Go Pros, robuste Action-Videokameras, und mehrere Funkgeräte sichergestellt.

71 Tage Sicherheitshaft wegen Fluchtgefahr

Die nächsten 71 Tage verbrachten die britischen Staatsbürger voneinander getrennt in Gefängnissen in Zürich, Winterthur und Horgen. Der Grund: Fluchtgefahr.

Für einmal mahlten die Mühlen der Justiz aber genauso rasend schnell, wie die Raser unterwegs gewesen waren: Am Mittwoch wurden am Bezirksgericht Winterthur bereits drei von ihnen abgeurteilt und konnten aus der Sicherheitshaft entlassen werden. Der Prozess gegen den vierten Beschuldigten findet nächste Woche statt.

Alle vier Raser zeigten sich in der Untersuchung geständig und gingen Deals mit der zuständigen Staatsanwältin auf abgekürzte Verfahren ein, um so schnell wie möglich wieder ausreisen zu können. Die Urteilsvorschläge lauten auf bedingte Freiheitsstrafen von 18 oder 20 Monaten sowie Bussen von 3000 oder 4000 Franken wegen mehrfacher vorsätzlicher qualifizierter grober Verletzung von Verkehrsregeln. Zudem mussten alle Beschuldigten je 10 000 Franken Kaution bezahlen, die zum Teil zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet werden.

Die Autos hatten alle britische Kontrollschilder. Es handelt sich um einen Mercedes-Benz C 63 AMG S, einen BMW M140 und zwei BMW M4. Nach Rechtskraft der Urteile werden die Fahrzeuge den Beschuldigten wieder herausgegeben und müssen dann nach England transportiert werden. Die Beschuldigten selber dürfen in der Schweiz nicht mehr fahren. Wie an den ersten drei Prozessen zu erfahren war, handelt es sich bei allen Personenwagen um Leasing-Fahrzeuge. Der jüngste Beschuldigte erklärte, das Auto gehöre seiner Tante.

Zwei der Verurteilten sind Vater und Sohn. Alle drei Beschuldigten bestreiten im Gerichtssaal, dass es sich um ein Rennen gehandelt habe. Nach dem Motiv für die massiven Tempoüberschreitungen und ihr «rücksichtsloses Verhalten» befragt, erklärt der Vater – ein 50-jähriger Security Consultant aus London –, er habe sich nicht richtig konzentriert. «Wir haben nicht realisiert, dass wir so schnell gefahren sind», übersetzt die Gerichtsdolmetscherin. Es sei keine Absicht gewesen.

Signalisation angeblich nicht verstanden

Sein 24-jähriger Sohn, von Beruf Apotheker, meint hingegen, er sei sich bewusst gewesen, so schnell gefahren zu sein. Als Grund für die Raserfahrt gibt er an, sie hätten noch ihr Hotel erreichen müssen, bevor dieses geschlossen habe. Der dritte Beschuldigte, ein 35-jähriger Laden- und Online-Shop-Betreiber, behauptet wiederum, er habe die Signalisation mit der Geschwindigkeitslimite nicht verstanden. Auch er spricht von Konzentrationsmangel.

Alle drei zeigen jedoch Reue und entschuldigen sich bei der Schweiz und ihrer Bevölkerung. Der 50-jährige Vater erklärt: «I’d like to apologize to the people in Switzerland for my stupidity», er entschuldigt sich also für seine «Dummheit». Es sei vorher nie passiert und werde auch in Zukunft nie mehr passieren.

Das Gericht hiess die Urteilsvorschläge gut. Alle drei Verurteilten werden zu den Bussen und bedingten Freiheitsstrafen verurteilt, mit sofortiger Wirkung aus der Sicherheitshaft entlassen und können wieder ausreisen. Der vierte Automobilist muss noch bis zu seinem eigenen Prozess nächste Woche warten. Den Beschuldigten werden nebst den Bussen auch die Verfahrens- und Gerichtskosten auferlegt und mit ihren geleisteten Kautionen verrechnet.

Urteile DH240031, DH240033 und DH240034 vom 22. 8. 2024, abgekürzte Verfahren.

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