Montag, Februar 3

Die Beschuldigten sassen je 173 Tage in Haft, werden abgeschoben und mit Landesverweisen von je 6 Jahren belegt.

In der Stadt Zürich tanzten nach Mitternacht immer noch Zehntausende durch die Partynacht oder torkelten durch die Strassen, als Schweizer Grenzbeamten im Rafzerfeld im Grenzgebiet zu Deutschland ein Citroën mit französischen Kontrollschildern auffiel.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der Lenker wurde von der Patrouille aufgefordert, anzuhalten. Er versuchte noch, sich durch Flucht einer Kontrolle zu entziehen, was ihm aber nicht gelang.

In der Nacht nach der Street Parade 2024 verhafteten die Mitarbeitenden des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit alle Insassen des Autos: Vier Kolumbianer, die heute zwischen 32 und 39 Jahre alt sind.

Die Beamten stellten fünfzig Mobiltelefone sicher, die in Alufolie eingepackt waren. Damit wollten die Verhafteten verhindern, dass die Geräte geortet werden konnten.

Zudem kamen drei Portemonnaies mit fremden Bankkarten und 800 Euro Bargeld zum Vorschein. Der Verdacht, dass die vier Männer zuvor an der Street Parade zahlreiche Festbesucher bestohlen hatten, wurde schnell bestätigt.

Die Kolumbianer hatten aber durchaus auch mitgefeiert, teilweise standen sie unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.

Die Täter wurden der Kantonspolizei Zürich übergeben und nach Zürich gebracht. Schon während der ersten Befragungen gingen Meldungen von Opfern ein, die ihre Mobiltelefone, die inzwischen im Polizei- und Justizzentrum Zürich lagen, hatten orten können.

Geständnisse und reuiges Verhalten

Nun sitzt das kriminelle Quartett vor einem Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich in einem sehr vollen Gerichtssaal; zusammen mit acht uniformierten Polizisten, vier Anwälten, einer Dolmetscherin, dem Gerichtspersonal und dem Medienvertreter.

Alle vier sind geständig, und ihre amtlichen Verteidiger einigten sich mit der zuständigen Staatsanwältin auf abgekürzte Verfahren, so dass die Fälle relativ rasch abgeschlossen werden konnten.

Alle vier sind in Bogotá geboren. Ein 33-jähriger Hilfsarbeiter lebt aber mittlerweile in Frankreich, ein 36-jähriger Verkäufer in Rio de Janeiro in Brasilien. Dessen Bruder ist der jüngste des Quartetts: Laut eigenen Angaben betreibt der 32-jährige verheiratete Mann in Bogotá eine eigene Schneiderei zusammen mit seiner Mutter. Der älteste, 39-jährige Beschuldigte lebt ebenfalls noch in Bogotá und arbeitet als Bäcker.

Ihren Trip zur Street Parade starteten sie als Touristen in Paris. Sie überquerten am Samstagmorgen mit dem Citroën bei Schaffhausen die Grenze, drei von ihnen illegal, da sie gar keine gültigen Reisepässe auf sich trugen.

Ihre Beute sammelten sie am Samstagnachmittag in der Menschenmenge rund ums Zürcher Seebecken ein. Zum Teil stahlen sie sie auch «in Ausnützung der Unachtsamkeit» der Festbesucher aus Taschen und Rucksäcken.

Laut Anklage war es ihr Ziel, die Mobiltelefone in Paris zu verkaufen und den Erlös untereinander gleichmässig aufzuteilen. Gemäss einer Liste beläuft sich der Deliktsbetrag immerhin auf 38 191 Franken 75. Die angegebenen Einzelwerte der Handys variieren von 300 Franken für ein Samsung Galaxy A71 bis zu 1463 Franken für ein iPhone 14 Pro Max.

Sechs der fünfzig sichergestellten Handys konnten bis heute keinem Besitzer zugeordnet werden. Zu diesen fehlen Wertangaben, und sie wurden dem Deliktsbetrag nicht hinzugerechnet.

Den Citroën bekommen die Täter nicht zurück

Im Deal zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern haben alle Beschuldigten eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen bandenmässigen Diebstahls akzeptiert. Sie wird zwar eigentlich bei einer Probezeit von 2 Jahren aufgeschoben. Alle vier haben aber wegen Fluchtgefahr bereits 173 Tage Haft und/oder vorzeitigen Strafvollzug abgesessen. Bei drei Beschuldigten kommt der Straftatbestand der rechtswidrigen Einreise hinzu. Die Strafen sind aber alle gleich hoch.

Die Beschuldigten haben zudem alle Schadenersatzforderungen im Grundsatz anerkannt. Die Untersuchungs- und Gerichtskosten werden unter den vier Tätern aufgeteilt, was jeden rund 2000 Franken kostet.

Die Beschuldigten haben sich mit je 6 Jahren Landesverweis einverstanden erklärt. Denn bandenmässiger Diebstahl ist eine Katalogtat mit obligatorischem Landesverweis. Sie sind auch damit einverstanden, dass der Citroën zur Deckung der Kosten eingezogen und verwertet wird.

Sollte das Auto nicht verwertet werden können, soll es möglicherweise der Feuerwehr als Übungsobjekt überlassen werden, wie der Einzelrichter erklärt.

Auf die Frage, wieso sie ihre Taten begangen hätten, antworten zwei der Beschuldigten. Einer wird von der Dolmetscherin wie folgt übersetzt: «Ich habe mich einfach so mitnehmen lassen von der Situation an diesem Fest.» Und auch der zweite Täter deutet an, dass ihre Tat ein spontaner Entschluss gewesen sei: «Ich bin eigentlich gekommen, um das Fest zu geniessen. Ab welchem Zeitpunkt ich den Fehler gemacht habe, weiss ich nicht.»

Alle vier entschuldigen sich für ihre Taten, zum Teil bei der gesamten Schweizer Bevölkerung. Es wird versprochen, es nie wieder zu tun. Sie bedanken sich, dass der Prozess so schnell durchgeführt werden konnte. Einer sagt, er habe zu Hause drei Schwestern, die auf ihn warteten.

Der Einzelrichter erhebt die Urteilsvorschläge schliesslich zu Urteilen. Er erklärt allerdings, so wie er die Akten gelesen habe, seien die vier Beschuldigten sehr zielgerichtet vorgegangen. Sie hätten dabei ausgenützt, dass die Wahrnehmung vieler Opfer durch Alkohol oder andere Substanzen beeinträchtigt gewesen sei.

Wenn ein Handy abhandenkomme, habe man heutzutage ein grösseres Problem, weil jeder sein ganzes Leben darauf verwalte, meint der Richter und erklärt: «Ich glaube Ihnen bis zu einem gewissen Grad, dass es Ihnen heute leidtut. Aber da hätte man vorher darüber nachdenken müssen, ob man nur mitfeiern oder sich kriminell betätigen will.»

Mit Gerichtsbeschluss werden die Verurteilten noch am gleichen Tag aus dem Gefängnis entlassen und dem Migrationsamt zur Ausschaffung übergeben. Zumindest die nächsten sechs Jahre werden sie also nicht mehr an der Street Parade mitfeiern können.

Urteile GG240304 bis GG240307 vom 30. 1. 2025, abgekürzte Verfahren.

Exit mobile version