Donnerstag, September 19

Der Skipper von Ineos Britannia, Ben Ainslie, fährt den Schweizern davon – sie stehen im Halbfinal des America’s Cup kurz vor dem Aus.

Der Big Ben ist das berühmteste Wahrzeichen von London. Seinen Klang verbinden die Engländer mit Hoffnung und Freiheit. «Big Ben» ist auch der Übername von Ben Ainslie, dem berühmtesten Segler Englands. Mit ihm verbinden die Briten die Hoffnung, den America’s Cup ein erstes Mal zu gewinnen. In Barcelona ist der Steuermann und Skipper von Ineos Britannia gerade dabei, das Aus von Alinghi im Halbfinal einzuläuten.

Nach zwei Siegen am Samstag zwang Ainslie die Schweizer Crew am Sonntag im Vorstart des dritten Rennens zu einem extremen Ausweichmanöver, was das «Boat One» beinahe zum Kentern brachte. Und auch im vierten Race war Alinghi nach einem weiteren schlechten Start chancenlos. Den Engländern fehlt noch ein Sieg, um die Finalqualifikation für den Louis-Vuitton-Cup klarzumachen und Alinghi nach Hause zu schicken.

In der Heimat ist er längst eine Legende

Ainslie und Britannia hatten zuvor die Qualifikationsregatta für den America’s Cup gewonnen und am Freitag Alinghi als Halbfinalgegner ausgewählt. Das war vorhersehbar, Alinghi hatte diese Serie mit nur zwei Siegen und einem Forfait-Gewinn als Viertplatzierter beendet und dabei Schwächen in der Bootsgeschwindigkeit und den Manövern gezeigt.

Nur einmal, im ersten Rennen, konnte die Crew des Genfer Skippers Psarofaghis nach gewonnenem Start den Briten auf der ersten Bahn Paroli bieten. Danach sah sie nur noch das Heck des Gegners, der schlicht besser segelte und auch eine höhere Bootsgeschwindigkeit aufwies.

Ben Ainslie ist in Grossbritannien längst eine Legende. Er gewann in den Bootsklassen Laser und Finn bei Olympischen Spielen zwischen 1996 und 2012 fünf olympische Medaillen, davon vier goldene. Er ist damit der erfolgreichste olympische Segler. Dazu kommen elf WM-Titel.

2013, ein Jahr nach seinem Rücktritt vom olympischen Sport, wurde er im Buckingham Palace von Prinzessin Anne zum Ritter geschlagen. Er kann seither den Titel «Commander of the British Empire» und das Wort «Sir» führen. Für Ainslie war das nach eigenen Angaben eine grosse Ehre; die Zeremonie bezeichnete er als «einen der grössten Momente in meinem Leben».

Im Umgang an Land gilt der 47 Jahre alte Ainslie als freundlich und zugänglich. In jungen Jahren ist er schüchtern gewesen, wie ehemalige Segler erzählten. Ein unscheinbarer Junge, der den Blick senkte, wenn man ihn ansprach. Nicht so auf dem Wasser, da sei er förmlich explodiert. Er habe im Wettkampf keine Freunde, nur Gegner gekannt. Eine Auseinandersetzung mit einem Kamera-Team, bei der es zu einem Gerangel kam, machte 2011 Schlagzeilen und hätte ihn beinahe die Olympischen Spiele von Weymouth (England) gekostet.

Das Drama um den engen Freund

Ainslies Stärke ist seine Fähigkeit, auf praktisch allen Booten gut zu segeln. Bereits während seiner jungen Jahre sammelte er erste Erfahrungen im America’s Cup. Zuerst bei den Amerikanern (2003), anschliessend bei den Neuseeländern im Hinblick auf die Kampagne 2007 in Valencia. Zunächst als Taktiker, dann als Steuermann des zweiten Kiwi-Bootes.

Einen ersten Cup-Höhepunkt erlebte er 2013 in San Francisco. Er war Steuermann des Trainingsbootes von Oracle. Als die Amerikaner gegen Neuseeland fast uneinholbar zurücklagen, holte der Skipper Spithill Ainslie als Taktiker an Bord. Dann begann eine der grösste Aufholjagden im Sport: Oracle gewann den Cup nach einem Rückstand von 1:8 noch mit 9:8. Sir Ben Ainslie konnte sich nun auch Cup-Sieger nennen. Und die Amerikaner profitierten von den Comeback-Fähigkeiten des Briten: Zwei seiner Goldmedaillen hatte er nach scheinbar aussichtslosen Situationen gewonnen.

Ainslies grösste Mission ist jedoch eine andere: Er will den America’s Cup, 1851 von den Engländern gestiftet, zurück nach England bringen. 2012 gründete er sein eigenes Cup-Team unter dem Namen Ben Ainslie Racing (BAR), das jedoch 2017 im Halbfinale der Challenger-Serie ausschied. Mit dem neuen Sponsor Ineos folgte 2021 ein zweiter Versuch. Die «Mission possible» scheiterte in Auckland erneut. Britannia erreichte zwar den Challenger-Final, wurde dort aber von Luna Rossa geschlagen.

In Barcelona verlief der Auftakt der Briten nicht optimal. Im Team gab es Unruhen, Ainslie wechselte im August den vorgesehenen zweiten Steuermann, den Doppelolympiasieger Giles Scott, gegen Dylan Fletcher aus, ebenfalls Olympiasieger. Dieser Wechsel zahlte sich zunächst nicht aus, erst in der zweiten Round Robin, die England ungeschlagen beendete, fand Ineos Britannia den Rhythmus.

Ainslie hinterlässt in Barcelona einen abgeklärten und selbstbewussten Eindruck. Der Segler, der wegen seines guten Aussehens und seiner Liaison mit der Niederländerin und heute zweifachen Olympiasiegerin Marit Bouwmeester früher häufig Gegenstand der britischen Boulevardpresse war, ist mit einer Journalistin verheiratet und Vater zweier Töchter.

2013 musste er miterleben, wie sein langjähriger Freund, der britische Segler und Olympiasieger Andrew Simpson, bei der Vorbereitung zum America’s Cup nach einer Kenterung des schwedischen Katamarans ums Leben kam. Er habe damals darüber nachgedacht, nicht mehr zum amerikanischen Team Oracle zurückzukehren. Heute führt er eine Crew an, die in der Lage ist, den Cup nach 173 Jahren nach England zurückzubringen.

Exit mobile version