Einst verkaufte Audi mehr Autos als Mercedes. Doch seit dem Dieselskandal ist die Marke in einer Dauerkrise. Das schlechte Marktumfeld und hausgemachte Probleme verschärfen diese noch.
Die Redimensionierung der deutschen Autoindustrie setzt sich unvermindert fort. Sie trifft inzwischen die Oberklasse mit voller Härte. Jetzt kündigte Audi einen erheblichen Stellenabbau in Deutschland an und legte enttäuschende Geschäftszahlen für das vergangene Jahr vor. In allen drei Hauptmärkten – Europa, China und den USA – gibt es inzwischen grosse Probleme.
Audi gehört zum VW-Konzern und gilt als Keimzelle des 2015 ruchbar gewordenen Dieselskandals. Seitdem ist am Stammsitz in Ingolstadt nie wirklich Ruhe eingekehrt; die Marke mit den vier Ringen befindet sich quasi in einer Dauerrestrukturierung. Innerhalb des Konzerns gehören auch die Edelmarken Bentley und Lamborghini sowie der Motorradhersteller Ducati zur Markengruppe Audi.
Audi bleibt länger beim Verbrenner
Nun plant Audi den Abbau von bis zu 7500 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2029, davon sollen 6000 Stellen bereits bis Ende 2026 wegfallen. Im vergangenen Jahr hatte Audi weltweit über 88 000 Mitarbeiter, von denen mehr als 55 000 in Deutschland tätig waren. Zugleich haben sich Vorstand und Betriebsrat auf eine Verlängerung der Beschäftigungssicherung bis Ende 2033 geeinigt.
Der Stellenabbau soll vor allem Bereiche ausserhalb der Produktion treffen. Beobachter rechnen damit, dass der Standort Ingolstadt besonders leiden wird. Audi will die Führungsstruktur vereinfachen, Entwicklungs- und Innovationsprozesse beschleunigen und die Digitalisierung forcieren. Zugleich sinkt die erfolgsabhängige Beteiligung für Mitarbeiter. Insgesamt will das Management so rund 1 Milliarde Euro sparen, plant zugleich jedoch Investitionen in Höhe von rund 8 Milliarden in die Heimatstandorte.
Ferner sollte 2026 die letzte Generation von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren auf den Markt kommen. Davon rückt Audi nun ab und will das Ende des Verbrenners für jede Weltregion einzeln prüfen. Der Konkurrent BMW dagegen hat bis heute kein Ablaufdatum für Benzin- und Dieselaggregate genannt.
Vor einem Jahr hatte der Vorstand auf der Bilanzpressekonferenz noch das brandneue SUV Q6 e-tron präsentiert und seine Hoffnungen auf eine Modelloffensive in den Jahren 2024 und 2025 gesetzt. Zudem kam mit dem A6 e-tron ein zweites Elektro-Flaggschiff auf den Markt. Allerdings erfüllt der Q6 e-tron die Erwartungen bis jetzt nicht, wie Medien unter Berufung auf Firmeninsider melden. Auch beim A6 e-tron bleiben wohl Wünsche offen. Hier hofft man vor allem auf einen Erfolg im Flottengeschäft.
Schliessung der Q8-e-tron-Fabrik in Brüssel
Entsprechend war auch 2024 einmal mehr ein schwieriges Jahr für Audi. Das schlechte Marktumfeld und die hausgemachten Probleme sorgten für schlechte Zahlen. Mit 1,67 Millionen verkauften Fahrzeugen (–12 Prozent) lag die Marke nicht nur deutlich hinter den deutschen Konkurrenten BMW und Mercedes-Benz, sondern erstmals auch hinter Tesla (1,79 Millionen Autos). Der operative Gewinn brach um 38 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro ein. Dafür verantwortlich waren unter anderem die Restrukturierungskosten von 1,6 Milliarden Euro für die Schliessung einer Fabrik in Brüssel, wo Audi das SUV Q8 e-tron produzierte. Dieses erwies sich als schwer verkäuflich.
Das Ende des belgischen Standorts war auch für den massiven Gewinneinbruch der Kernmarke Audi verantwortlich, bei der die entsprechenden Kosten verbucht wurden. Dadurch sank die Umsatzrendite von Audi auf magere 4,6 Prozent, was einer Premium-Marke unwürdig ist. Lamborghini (27 Prozent), Bentley (14,1) und Ducati (9,1) sorgten mit ihren besseren, aber meist auch gesunkenen Ergebnissen dafür, dass die Markengruppe insgesamt noch auf eine Marge von 6 Prozent kam, nach 9 Prozent im Vorjahr. Langfristig soll die operative Marge von 11 Prozent auf schliesslich 13 Prozent steigen.
Einst standen die vier Ringe von Audi für den langjährigen Slogan «Vorsprung durch Technik», etwa durch den Allradantrieb mit der Quattro-Technologie, die Aluminiumkarosserie, das Laserlicht und die Turbo-Direkteinspritzung. Das Versprechen des Slogans erfüllt Audi nach Ansicht von Experten aber schon lange nicht mehr. Im Zeitalter der Elektromobilität und der auslaufenden Verbrennungsmotoren gelinge es Audi nicht, seine Technikkompetenz unter Beweis zu stellen, heisst es.
Vor allem die Jahre nach dem Dieselskandal haben Audi erschüttert. Bereits 2019 war ein Stellenabbau von rund 10 000 Arbeitsplätzen angekündigt worden. Anfang der 2020er Jahren litt das Unternehmen schliesslich wie alle Hersteller durch die Corona-Pandemie und die Lieferkettenprobleme. Zugleich verzettelte sich der VW-Konzern mit seiner Software-Einheit Cariad, an der Audi einen grossen Anteil hatte. Dadurch verzögerte sich der Anlauf mehrerer wichtiger Modelle um weit mehr als zwei Jahre.
Zollkrieg würde Audi hart treffen
Hinzu kamen ständige Personalrotationen. Der derzeitige Konzernchef Gernot Döllner ist bereits der dritte CEO in den vergangenen fünf Jahren. Zudem gab es reihenweise Wechsel auf anderen Vorstandsposten, vor allem bei der Entwicklung. Im vergangenen Sommer verliess schliesslich die Vertriebschefin Hildegard Wortmann das Unternehmen.
Die beiden wichtigsten Märkte für Audi sind Europa und China, die USA folgen mit erheblichem Abstand. In China war Audi einst die führende Oberklassen-Marke, hat unter anderem durch den Wandel zur Elektromobilität allerdings den Anschluss verloren, wie auch andere Marken des VW-Konzerns. In Europa kämpft das Unternehmen mit dem generell schwachen Absatz und dem geringen Erfolg einiger Modelle, etwa des in Brüssel gefertigten Q8 e-tron.
In den USA dagegen ist Audi schon seit Jahren vergleichsweise schwach aufgestellt. Dort erwarten Göllner und sein Finanzchef Jürgen Rittersberger erhebliches Wachstum, das aber auf sich warten lässt. Sollte der amerikanische Präsident Donald Trump nun auch noch seine Ankündigung wahr machen, Zölle auf Importe von Fahrzeugen zu verlangen, würde das Audi besonders hart treffen.
Im Gegensatz zu BMW und Mercedes-Benz produziert die Firma nicht in den USA, sondern importiert die Modelle aus Europa und Mexiko. Im VW-Konzern wird daher schon länger erwogen, die Produktion in den USA auf die Marken Audi und Porsche auszuweiten. Diese Entscheidung liegt aber beim Konzernvorstand.
Schrumpfung der deutschen Autoindustrie
Das Malaise bei Audi verschärft auch die Krise des Gesamtkonzerns. Audi und Porsche waren in den vergangenen Jahren die Gewinnbringer und Renditeperlen des Konzerns. Doch nun sind auch diese beiden Marken in der Bredouille. Die Marke VW hatte im vergangenen Herbst den Abbau von 35 000 Arbeitsplätzen angekündigt, Porsche will rund 2000 Stellen streichen. Auch BMW und Mercedes-Benz mussten im vergangenen Jahr starke Gewinneinbussen hinnehmen. Zugleich streichen deutsche Zulieferer Zehntausende Stellen. Die Schrumpfung der deutschen Autoindustrie könnte noch lange nicht zu Ende sein.
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