Der Staatsanwalt und die vier Verteidiger sind sich einig und beantragen Freisprüche. Nur der Anwalt des angeblichen Gewaltopfers hält dagegen.
Der Polizeieinsatz ist schon zweieinhalb Jahre her: Am 4. Juli 2021 sollten zwei Zürcher Kantonspolizisten in Wangen bei Dübendorf eine heute 53-jährige Frau wegen akuter Suizidalität in eine fürsorgerische Unterbringung (FU) transportieren. Dabei stiessen sie auf heftigen Widerstand. Die Beamten forderten Verstärkung an, drangen in die Wohnung der Frau ein und verhafteten sie.
Nun sitzen vier Polizisten im Alter zwischen 30 und 46 Jahren als der Körperverletzung Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Uster.
Sie beschreiben ihr Eingreifen vor Gericht als einen «völlig angemessenen», «souveränen», «verhältnismässigen», «eher milden» Einsatz. Sie hätten trotz extremer Gegenwehr auf die Bedürfnisse der Frau Rücksicht genommen und nicht einmal Pfefferspray oder Taser eingesetzt. Der Anwalt der Frau sieht es völlig anders. Er spricht von einer «erniedrigenden Behandlung», die Artikel 3 der EMRK erfülle, und will eine Verurteilung.
Der Staatsanwalt ist allerdings nicht auf seiner Seite. Er hatte nach der Strafanzeige Nichteintreten beim Obergericht beantragt, wurde aber dazu verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten. Die Untersuchung stellte er dann allerdings ein. Es bestehe schlichtweg kein genügender Tatverdacht. Erneut wurde er vom Obergericht zurückgepfiffen. Nach dem geltenden Grundsatz «in dubio pro duriore», also «im Zweifel für das Härtere», klagte er die Polizisten an. Erst vor Gericht gilt der gegenteilige Grundsatz «in dubio pro reo».
Eine Büchse Ravioli an den Kopf geworfen
Die Frau war vor dem Polizeieinsatz auf ihr eigenes Ersuchen hin mit dem Rettungsdienst ins Spital Uster gebracht worden. Dort wurde eine FU in eine psychiatrische Klinik verfügt. Die Patientin verliess das Spital aber, was eine polizeiliche Ausschreibung auslöste. Zwei Polizisten begaben sich an ihren Wohnort.
Die Frau weigerte sich, aufzumachen und dem FU Folge zu leisten. Die Beamten boten einen Schlüsselservice auf und forderten Verstärkung an. Die Frau schob derweil Möbel vor die Türe und verbarrikadierte sich. Das Türschloss konnte aufgebohrt und die Türe einen Spalt weit aufgemacht werden. Die Frau warf Tetrapacks, Konservendosen und ein Modellschiff ihres Ehemanns durch den Spalt. Ein Polizist wurde von einer Büchse Ravioli am Kopf getroffen, wie er im Gerichtssaal aussagt.
Mit einem Holzstab versuchten die Polizisten die Möbel durch den Spalt wegzuschieben. Die Frau packte den Stab, und sowohl sie als auch die Polizei zogen eine Weile kräftig daran. Laut Anklage gelang es den vier Polizisten nach etwa 20 Minuten, in die Wohnung einzudringen. Die Versionen über den weiteren Ablauf gehen dann völlig auseinander.
Handschellen-Demonstration im Gerichtssaal
Die Frau räumt zwar im Gerichtssaal eine heftige Gegenwehr ihrerseits und sogar Tritte ein, sie sei aber brutal über ein Schrankmöbel «grüert» worden. Und das, obwohl sie den Beamten zuvor erklärt habe, dass sie eine Rückenoperation gehabt habe und den Rücken nicht belasten dürfe.
Die Polizisten hätten keine Rücksicht genommen, ihr die Füsse weggezogen und sie ruckartig auf den Boden gesetzt. Sie habe versucht, die Handschellen abzustreifen, da habe ihr ein Polizist diese absichtlich enger angezogen; so habe sie am Boden sitzend eineinhalb Stunden warten müssen. So lange brauchte das in Zürich angeforderte Transportfahrzeug, bis es eintraf. Sie habe Blutergüsse und eine Quetschung des Nervs an einem Daumen erlitten.
Ihr Anwalt, der Schadenersatz und 6000 Franken Genugtuung verlangt, spricht auch von einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Polizisten hätten eine psychologisch geschulte Fachperson beiziehen müssen, kritisiert er. Eine hilfsbedürftige Frau sei als Verbrecherin behandelt worden.
Die Polizisten bestreiten die Vorwürfe. Was die Frau erzähle, stimme nicht. Sie hätten sie im Gegenteil sehr milde behandelt. Im Gerichtssaal wird sogar demonstriert, dass es gar nicht möglich ist, die Handschellen nachträglich ohne Schlüssel enger zu ziehen.
Der Staatsanwalt und die Verteidiger argumentieren unter anderem, dass die Verletzungen der Frau gar nicht bewiesen seien und sie sich diese möglicherweise selber zugefügt habe. Das sei aufgrund ihrer psychischen Probleme früher schon vorgekommen. Zudem habe sie trotz Rückenoperation selber freiwillig schwere Möbel herumgeschoben und Gegenstände geworfen. Eine angebliche Verschwörung der Polizisten sei nicht plausibel.
Die Urteile sollen am 6. März eröffnet werden.