Mittwoch, April 30

Horst Faas / AP

Mit der zunehmenden Verbreitung des Fernsehens wurde der Vietnamkrieg auch zum «Wohnzimmerkrieg». In Zeitungen, Magazinen und am Bildschirm wurde der Krieg omnipräsent. Die Brutalität des Geschehens wurde in die Wohnzimmer gebracht. Die politische Sprengkraft war gigantisch.

1965 zogen die USA aufseiten Südvietnams gegen Nordvietnam in den Krieg. Es war die Zeit des Kalten Krieges, und Amerika wollte mit allen Mitteln verhindern, dass das Land unter kommunistischen Einfluss fiel. Die amerikanische Regierung fürchtete den Dominoeffekt: Sie war davon überzeugt, dass, wenn Südvietnam fiele, bald andere Staaten Südostasiens folgen würden.

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Links: Der Leichnam eines gefallenen amerikanischen Fallschirmjägers wird 1966 im Dschungel zum Abtransport in einen Helikopter gehoben. Rechts: «Der Terror der Kriegszone D» (1967): Ein Sanitäter versorgt auf dem Schlachtfeld einen schwerverwundeten Infanteristen.

Journalisten kamen oft zusammen mit der US-Armee ins Kampfgebiet. Die Berichterstattung über den Krieg war unmittelbar und roh. Es waren diese verstörenden Bilder, die dazu beitrugen, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippte.

Hunderttausende junge Amerikaner wurden in den Krieg eingezogen. Rund 60 000 US-Soldaten starben, 300 000 wurden verwundet. Viele kamen schwer traumatisiert zurück – und begingen im Nachgang Suizid.

Seitens Vietnams verloren nach Schätzungen zwischen 2 und 3,5 Millionen Menschen ihr Leben. Viele der Opfer waren Zivilisten.

Zu Beginn des Krieges standen zwei Drittel der Amerikaner hinter den Kriegshandlungen gegen das kommunistische Nordvietnam. Ab 1968 war eine Mehrheit dagegen, der Druck auf Washington wuchs.

Zum Leid der Zivilisten kamen die immensen Kosten, die der Krieg verursachte, und die Frage, wer Vietnam nach einem möglichen Sieg gegen die Kommunisten überhaupt regieren sollte. All dies liess das amerikanische Volk immer mehr am Sinn dieses Krieges zweifeln.

Das wohl berühmteste Opfer war ein mutmasslicher Kämpfer der kommunistischen Guerilla. Er wurde 1968 auf offener Strasse erschossen. Der Fotograf, Eddie Adams, erhielt den Pulitzerpreis für das Bild, aber bereute später, die Aufnahme gemacht zu haben. So schrieb er im «Time Magazine»: «Der General tötete den Vietcong; ich tötete den General mit meiner Kamera.» Adams und der General, Nguyen Ngoc Loan, wurden nach der Aufnahme Freunde. Er sei kein kaltblütiger Killer, aber ein Produkt Vietnams während des Kriegs, sagte Adams über Loan. Doch Loan wurde den Ruf des kaltblütigen Killers nie wieder los. «Bilder sind die mächtigsten Waffen der Welt. Menschen glauben ihnen, aber Fotografien lügen, selbst ohne Manipulation. Sie erzählen nie die ganze Wahrheit», schrieb Adams.

Das Massaker im Dorf My Lai am 16. März 1968 steht wie kaum ein anderes Ereignis für die amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam. Weltweit lösten solche Bilder eine Welle des Antiamerikanismus aus. Der Leutnant William Calley junior, der den Befehl zum Massaker gegeben hatte, wurde später vor ein Kriegsgericht gestellt.

Ein südvietnamesisches Flugzeug hatte 1972 versehentlich Napalm über eigene Truppen und Zivilisten abgeworfen, ein brennendes Gel, das bei Kontakt mit der Haut verheerende Verbrennungen verursacht. Die 9-jährige Kim Phuc riss sich die brennende Kleidung vom Leib, um zu überleben.

Der vietnamesisch-amerikanische Fotograf Nick Ut hielt diesen Moment des Terrors fest. Ein neuer Dokumentarfilm («The Stringer») behauptet jedoch, das Bild sei in Wirklichkeit vom vietnamesischen Freelancer Nguyen Thanh Nghe aufgenommen worden. Die Agentur AP weist die Vorwürfe zurück und hält an Ut als Autor fest.

Mitten im Chaos kniet die 14-jährige Mary Ann Vecchio am 4. Mai 1970 neben dem Körper des erschossenen Studenten Jeffrey Miller auf dem Campus der Kent State University in Ohio. Angehörige der Nationalgarde hatten das Feuer gegen die protestierenden Studenten eröffnet – vier von ihnen starben, neun weitere wurden verletzt. Das Foto von Howard Ruffner wurde zur Inspiration für den Song «Ohio» von Neil Young.

Im Jahre 1973 zogen die Amerikaner die meisten ihrer Truppen ab. Es dauerte nochmals fast zwei Jahre, bis der Krieg ein endgültiges Ende fand. Am 30. April 1975 eroberten die Truppen Nordvietnams Saigon und vereinten das Land unter kommunistischer Herrschaft. Die Stadt Saigon wurde in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt.

Die Regierung in Washington zog ihre Lehren aus dem verlorenen Krieg. Journalisten erhielten fortan nur noch kontrollierten Zugang zu Kriegsgebieten. Bilder von verletzten oder toten amerikanischen Soldaten, zivilen Opfern oder Kriegsverbrechen wurden seltener.

Das amerikanische Militär versuchte in künftigen Kriegen, den Eindruck einer sauberen Kriegsführung zu erwecken. Starken innenpolitischen Widerstand gegen militärische Handlungen im Ausland, das sogenannte Vietnam-Syndrom, sollte es nicht noch einmal geben.

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