Sonntag, Oktober 6

Auf der dritten Station seiner selbsterklärten «Friedensmission» trifft der ungarische Ministerpräsident Xi Jinping. Chinas Staats- und Parteichef forderte an dem Treffen eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Russland und der Ukraine.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist am Montagvormittag überraschend zu einem Besuch in Peking eingetroffen. Orbans China-Visite kam, nur wenige Tage nachdem er in Moskau den russischen Präsidenten Wladimir Putin und in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski getroffen hatte.

Ungarn hat seit Juli die EU-Rats-Präsidentschaft inne. Orbans «Friedensmission», wie er sie selbst betitelt, begann kurz nach der Übernahme des sechsmonatigen Amts. «Man kann Frieden nicht von einem bequemen Sessel in Brüssel aus schaffen», hatte er in Moskau gesagt.

Und nun trifft Orban Xi Jinping. Das Gespräch fand im pompösen Staatsgästehaus Diaoyutai statt. Gemäss einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders CCTV sagte Xi an dem Treffen, «der Fokus» müsse jetzt auf eine «Abkühlung der Situation» gelegt werden. Die internationale Gemeinschaft müsse die Bedingungen für eine «Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Russland und der Ukraine» schaffen, sagte Chinas Staatschef weiter.

Orban pflegt enge Kontakte zu Putin und Xi

Orban, der enge Kontakte zu Putin und Xi pflegt, lobte Chinas Diplomatie in höchsten Tönen. Ungarn wisse die chinesische Friedensinitiative in der Sache, die Ungarns Nachbarländer betreffe, zu würdigen, sagte Orban laut der ungarischen Nachrichtenagentur MIT im Gespräch mit Xi. Es sei «sehr wichtig», dass China sich für «Frieden in der Welt einsetzt».

Die chinesische Regierung hatte im vergangenen Jahr ein zwölf Punkte umfassendes Positionspapier zum Krieg in der Ukraine vorgelegt. Bislang hat der sogenannte «Friedensplan» aber nichts Zählbares hervorgebracht. China gilt vielmehr als wichtigstes Unterstützerland Russlands bei seinem Krieg gegen die Ukraine. Erst vor wenigen Wochen hatte der deutsche Vizekanzler Robert Habeck erneut Chinas Lieferungen von sogenannten Dual-Use-Gütern an Russland kritisiert. Und so dürfte auch Orbans Reisediplomatie kaum konkrete Ergebnisse bringen.

Ungarn und China: eine «wetterfeste und allumfassende Partnerschaft»

Orban hat wiederholt die westliche Militärhilfe für die Ukraine kritisiert. Der Peking-Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten findet nur wenige Tage vor dem Nato-Gipfel statt. Dort soll auch über eine weitere Unterstützung für die Ukraine gesprochen werden.

Der Schulterschluss zwischen Xi und Orban folgt aber wohl auch knallharten Interessen. Ungarn schielt auf weitere Investitionen aus China und wird für seine freundlichen Worte gegenüber Peking belohnt. Der chinesische E-Auto-Hersteller BYD und der Batterieproduzent CATL wollen Fabriken in Ungarn bauen. Bereits vergangenes Jahr flossen 44 Prozent der chinesischen Direktinvestitionen in Europa nach Ungarn gemäss einer Analyse des Mercator Institute for China Studies und der Rhodium Group.

Peking braucht Ungarn als letzten Verbündeten in der EU. Orban hat sich in den vergangenen Wochen wiederholt gegen die von der EU eingeführten Zölle auf Elektroautos aus China gewandt.

Orban nahm im Oktober vergangenen Jahres ausserdem als einziger Regierungschef der EU am Seidenstrassen-Forum in Peking teil. Dafür wurde er von anderen europäischen Regierungschefs zum Teil scharf kritisiert. Bei Xis Staatsbesuch in Ungarn im Mai beschlossen China und Ungarn eine «wetterfeste und allumfassende Partnerschaft».

Baerbock wurde von Ungarn ausgeladen

Ungarns Regierungschef wurde in Peking von seinem Aussenminister Peter Szijjarto begleitet. Damit ist auch klar, warum dieser am Freitagabend kurzfristig seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock ausgeladen hatte, die am Montag nach Budapest hätte reisen sollen.

Das ungarische Aussenministerium hatte als Begründung eine unvorhergesehene Terminänderung angegeben. In Berlin bedauerte man die Absage. «Ein ernstes und ehrliches persönliches Gespräch» zwischen den beiden Aussenministern wäre in Anbetracht der nicht abgestimmten Moskau-Reise Orbans «durchaus wichtig gewesen», liess das Auswärtige Amt gegenüber deutschen Medien verlauten. Der Besuch solle aber nachgeholt werden.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatte Orbans «Friedensmission» am Freitag wie diverse andere europäische Spitzenpolitiker kritisiert und betont, der ungarische Regierungschef habe kein europäisches Mandat für Vermittlungen. Die EU werde aussenpolitisch durch Charles Michel vertreten.

Auch der deutsche Vizekanzler Robert Habeck wandte sich am Montag gegen Orbans selbsterklärte «Friedensmission». Der ungarische Ministerpräsident spreche nicht für die EU, und Ungarns Politik stehe oftmals nicht für den Kern des EU-Denkens.

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