Donnerstag, November 28

Mit seiner humorvollen Art und hervorragendem Fussball hat der Belgier die Fans für sich eingenommen. Nun muss er sich im Spitzenkampf gegen den Meister Leverkusen beweisen.

Sechste, siebte oder achte Wahl? Was davon war Vincent Kompany, als er vom FC Bayern als neuer Trainer vorgestellt wurde? Nach einem Absteiger habe der FC Bayern gegriffen, war allenthalben zu lesen, als Kompany seinen Vertrag in München unterschrieben hatte – am Ende einer endlos erscheinenden Serie von Absagen und gescheiterten Verhandlungen. Nie schien der Trainerposten in München unbeliebter gewesen zu sein.

Ein Absteiger: De facto ist das richtig, denn Kompany konnte den FC Burnley nach dem Aufstieg nicht in der Premier League halten. Gewiss keine Referenz, die einen Coach für Bayern München prädestiniert.

Die Bayern trumpfen auf wie lange nicht mehr

Und nun? Liegt nicht nur München Vincent Kompany zu Füssen. Die ganze Fussballrepublik reibt sich die Augen. Sämtliche Pflichtspiele hat sein Team bisher gewonnen – und das teilweise auf spektakuläre Weise. In der Champions League demontierten die Bayern Dinamo Zagreb mit einem Rekordergebnis von 9:2, am vergangenen Wochenende bezwangen sie Werder Bremen auswärts 5:0. Der Anspruch, nach einem titellosen Jahr wieder obenauf zu sein, hätte nicht eindrucksvoller bekräftigt werden können.

Regelrecht unerbittlich präsentiert sich das Team gegenwärtig: Harry Kane, der englische Stürmer, sagte kürzlich, dem Trainer genüge eine 2:0-Führung nie. Er fordere stets das dritte, vierte und fünfte Tor. Natürlich ist das eine Frage der Methode: Bei Kompany, der im Team von Manchester City als der Adjutant Josep Guardiolas galt, stimmen die Abläufe wieder, das Mittelfeld stützt die bisweilen wackelige Abwehr. Die Bayern spielen wie aus einem Guss, obwohl das Kader mit demjenigen der vergangenen Saison weitgehend identisch ist.

"Wieso lacht Ihr?" - Kompany sorgt für Lacher #shorts

Aber es ist auch eine Frage der Mentalität. Als Uli Hoeness, der nach wie vor allmächtige Ehrenpräsident des FC Bayern, kürzlich von einem Reporter gefragt wurde, was sich denn im Vergleich zur Vorsaison geändert habe, sagte er: «Es wird wieder gearbeitet.» Das war als klarer Seitenhieb an die Adresse von Kompanys Vorgänger Thomas Tuchel zu verstehen.

Solches Nachtreten hat in München Tradition. Und so dürfte sich Kompany keine Illusion darüber machen, wohin er geraten ist: in einen der grössten, sicher aber auch in einen der schwierigsten Klubs der Welt. Gemessen an den Anforderungen, die der FC Bayern an seinen Trainer stellt, scheint selbst die Jobbeschreibung bei Real Madrid lax auszufallen; kein anderer Spitzenklub, abgesehen vom notorisch irrlichternden Paris Saint-Germain, tauschte in den vergangenen Jahren häufiger das Personal. Ruhe? Die kennen Bayern-Trainer nicht.

Am Samstag trifft Kompany mit seinem Team in München auf den Meister Leverkusen. Xabi Alonso, der Coach des Gegners, galt lange als Favorit der Münchner. Und so war die Frage unausweichlich, ob dieser Match für Kompany ein besonderer sei. Für Kompany keine heikle Frage: Es gehe nicht um einen Kollegen, sondern darum, wer am Ende der Saison oben stehe.

Er erinnert an Nagelsmanns Auftreten

Die Selbstverständlichkeit, mit der sich der 38-Jährige in München bewegt, frappiert. In gewisser Weise ähnelt er dem früheren Bayern-Coach Julian Nagelsmann, als dieser im Alter von 28 Jahren in Hoffenheim als jüngster Bundesliga-Trainer debütierte. Gross waren die Zweifel, ob ein so junger Trainer Erfolg haben könne. Doch je länger man Nagelsmann zuhörte, desto mehr trat sein Alter in den Hintergrund und desto deutlicher wurde, dass Alter und Erfahrung allein nicht die einzigen Kriterien für einen Coach sind.

Genauso verhält es sich mit Kompany: Er ist kommunikativ ähnlich begabt wie Nagelsmann. Die Frage, ob der FC Bayern nicht doch besser Xabi Alonso engagiert hätte, stellt sich vor dem Schlagerspiel jedenfalls nicht – was auch damit zu tun hat, dass Leverkusen, das in der vergangenen Saison souverän die Meisterschaft gewonnen hat, gegenwärtig ausser Tritt scheint.

Kommunikation als Schlüssel: Nicht nur in der Kabine ist diese Fähigkeit gefragt, sondern auch in der Öffentlichkeit. Wer Kompany zuhört, der erlebt einen verschmitzten Zeitgenossen, der Medienkonferenzen schon nach wenigen Wochen konsequent auf Deutsch hielt und dabei Humor und Schlagfertigkeit offenbarte, wie sie in diesem Geschäft selten sind.

Für ihn gehe es auch darum, sich mit der bayrischen Kultur und den Eigenheiten zu beschäftigen, zum Beispiel mit Redewendungen, sagte Kompany. Er und sein Stab seien schliesslich für die nächsten «vier, fünf, sechs, sieben Jahre adoptierte bayrische Leute». Die Pointe sass. Sie zeugt vom Selbstbewusstsein eines Trainers, der in München unterschrieben hat, um eine ganze Weile dort zu bleiben.

Bei Kompany spricht niemand über die Herkunft

Jüngst erst äusserte sich Kompany zu den Zweifeln, die seine Verpflichtung begleitet hatten. Sein Vater sei ein Flüchtling aus Kongo; wie gross sei die Chance wohl gewesen, dass er Fussballprofi werde und dann Trainer? Die Antwort gab er selber: «0,001 Prozent. Und nun bin ich der Trainer.»

Bei Kompany klingen solche Sätze selbstverständlich. Und so kommt es, dass bisher noch kaum darüber gesprochen wurde, dass er der erste schwarze Trainer in der 1. Bundesliga ist. In einem Land, das gerne über Identitäten diskutiert, kann das für einmal als ein positives Zeichen aufgenommen werden.

Kompany ging rasch zur Tagesordnung über. Denn eines hat er in München rasch begriffen: Gemessen am Ergebnis ist alles andere zweitrangig.

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