Montag, November 25

Immer mehr Schauspielerinnen zeigen sich in Vintage-Modellen auf dem Roten Teppich, gerade wieder Taylor Russel während der Filmfestspiele in Venedig. Egal, wie durchgeknallt das Stück ist, die Tatsache, dass es Vintage-Couture ist, verleiht ihm seine Daseinsberechtigung.

30 Jahre alt ist die kanadische Schauspielerin Taylor Russell, Indie-Film-Nerds bekannt aus «Bones and All» (2022) und «Waves» (2019). Das Kleid, mit dem sie sich an den 81. Filmfestspielen Venedig zur «Beetlejuice Beetlejuice»-Premiere zeigte, wurde vor ihr geboren: 1993 präsentierte Claudia Schiffer das abgedrehte Brautkleid mit kreisförmiger Tournure, langer Schleppe und einer Corsage mit Stickereien und durchsichtigem Plastik auf dem Laufsteg für die Frühjahr/Sommer-Haute-Couture-Kollektion.

Sie ist in guter Gesellschaft: viele Frauen setzten in letzter Zeit auf Vintage-Mode für den Roten Teppich, von Kim Kardashian über Zendaya und Anne Hathaway hin zu Rooney Mara.

Chanel! Und Vintage!

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen geht man mit einem solchen Kleid auf Nummer sicher. Egal, wie durchgeknallt es ist, der grosse Name und die Tatsache, dass es eben Vintage ist, adelt es sofort und verleiht ihm seine Daseinsberechtigung, aller stilistischen Eskapaden zum Trotz. Hätte eine Newcomer-Designerin das Teil erdacht, wäre es wohl kontroverser besprochen worden – aber es ist ja Chanel! Und Vintage! Zudem schwingt auch immer der explizite Einzelstück-Charakter mit, obwohl dieser bei vielen massgefertigten Red-Carpet-Kleidern schon vorhanden wäre.

Sowieso tritt man ein schönes Erbe an mit der Wahl eines solchen Kleides: in den 1990er Jahren waren es angesagte Namen wie Kate Moss, Winona Ryder und Reese Witherspoon, die sich in Vintage-Kleidern zeigten. Damals übrigens bevorzugt aus den 1950er Jahren, während Stars wie Zendaya und Bella Hadid heute lieber in Kleidern aus dem 1990er und 2000er Jahren posieren, dem aktuellen modischen Hang zu diesen Epochen entsprechend.

Die Roben stammen zum Teil aus den Archiven der Häuser selbst. Und es haben sich Anbieterinnen wie Lily and Cie und Lab2022 auf das Sourcen, also das Suchen und Finden solcher Stücke spezialisiert. So kann man natürlich auch das wohl manchmal etwas komplizierte Ausleih-Prozedere mancher grosser Modehäuser umgehen.

Mode mit Geschichte

Natürlich muss man die Sache auch pragmatisch sehen: Es gehört zu den Aufgaben einer Schauspielerin, mit ihrem Auftritt aufzufallen. Kann man mehr über ein Kleid schreiben, als dass es aus der aktuellen Kollektion eines Luxuslabels ist, freuen sich alle Content-Creators von Instagram über Tiktok hin zum klassischen Printmedium. Ein Vintage-Kleid bringt immer eine Geschichte mit. Das kann eine grosse sein wie jene des legendären Marylin-Monroe-Glitzerkleids, in das Kim Kardashian sich für die Met Gala 2022 zwängte. Oder nur die Möglichkeit, neben einem Bild von Taylor Russel auch eines von Supermodel Claudia Schiffer zu posten, die das gleiche Modell trägt. Den Umweltschutz-Aspekt, der bei Secondhand immer auch noch mitschwingt, nimmt man dann auch gerne noch mit.

Dennoch sollte man die Wahl eines solchen Kleides nicht nur auf Marketing-Strategien und ein Auf-Nummer-Sicher gehen schieben, oder auf die Rückwärtsgewandtheit der armen, zutiefst verunsicherten Generation der Millennials, die sich nach den guten alten hedonistischen Zeiten sehnt. Denn da schwingt auch eine Hommage mit an das Erbe und die Geschichte der grossen Modehäuser. Und ganz viel Freude an Mode.

Und da nach wie vor nicht nur alte, sondern auch aktuelle Roben gezeigt werden, kann man sich eigentlich beruhigt zurücklehnen und sich darüber freuen, dass Schätze aus dem Archiv wieder einmal ihren verdienten Auslauf bekommen.

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