Montag, Oktober 7

Seit Monaten kommt der Nachrichtendienst des Bundes nicht aus den Negativschlagzeilen. Der Hauptvorwurf: Er sei zu sehr mit seiner internen Umstrukturierung beschäftigt. Nun interveniert das Departement.

«Die Transformation soll einen Mehrwert bringen», erklärte der Direktor des Nachrichtendienst des Bundes (NDB), Christian Dussey, im Januar auf der Website des VBS. Und weiter: «Sie soll es uns ermöglichen, einfacher und effizienter zu arbeiten.» Bis dato kommen Adjektive wie «einfach» oder «effizient» im Zusammenhang mit dem neu organisierten Dienst jedoch nicht vor.

Kritik, weil auf Transformation fokussiert wird

Seit März arbeitet der NDB in der modernen Organisationsform mit neuen Chefs, neuen Prozessen. «Teams of teams», lautet eines von Dusseys Zauberworten. Doch die kritischen Stimmen zur Reorganisation reissen nicht ab. So wie jene der kantonalen Polizeikommandanten. Diese sprechen in einer Umfrage davon, dass die Leistungen des NDB seit der Transformation «deutlich nachgelassen haben», die Umstrukturierung stehe im Vordergrund des Dienstes. Ende März machten sie ihrem Unmut Luft im Arbeitspapier «Diskussionspunkte mit dem Direktor NDB». Darin ist die Rede von «schwammigen Rückmeldungen» und dass der Dienst «allgemein nicht wirklich gespürt» werde, was problematisch sei.

Denn auch die Kantonspolizeien haben Mitarbeitende, die nachrichtendienstliche Tätigkeiten ausüben. Sie sind in den Polizeikorps integriert, erhalten aber die Aufträge vom NDB. Somit ist eine gute Zusammenarbeit essenziell, beispielsweise bei der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung. Doch auch hier sehen die Kommandanten negative Punkte: So gebe es keine Weiterbildungsmöglichkeiten für die kantonalen Nachrichtendienstler. Ausserdem widme sich der Lage-Radar auf 20 Seiten sicherheitspolitisch bedeutsamen Vorgängen im Ausland, das Thema «gewalttätiger Extremismus» werde dagegen auf lediglich zwei Seiten strategisch abgehandelt.

Setzt der NDB seine Prioritäten falsch? Direktor Dussey beschwichtigte im Interview mit der NZZ im April: «Der tiefgründige Umbau des NDB hat zu Problemen im Austausch mit anderen Ämtern geführt, auch mit den Kantonen. Aber das ist normal.»

VBS schickt stellvertretenden Generalsekretär

So ganz normal offenbar auch wieder nicht. Denn nun setzt das Verteidigungsdepartement (VBS) unter Bundespräsidentin Viola Amherd Prioritäten. Die VBS-Chefin hat den Transformationsprozess ihres Nachrichtendienstes vor zwei Jahren in Auftrag gegeben. Seither ist die Mitarbeiterzufriedenheit merklich gesunken, was sich in einer Fluktuationsrate von 8 bis 9 Prozent niederschlug – normalerweise liegt sie bei 5 bis 6 Prozent.

Nun wurde das Personal vergangene Woche informiert, dass das Generalsekretariat des VBS den NDB für die Transformationsarbeiten verstärkt – im Klartext: Der Dienst hat sich zu stark mit sich selbst auseinandergesetzt. Zu viel Personal war mit der Reorganisation beschäftigt. Marc Siegenthaler, stellvertretender Generalsekretär und Chef Ressourcen im VBS, wird gemäss Medienstelle des Nachrichtendienstes «die Transformation im NDB begleiten und mit Ressourcen unterstützten».

Die Geschäftsleitung des Nachrichtendienstes, also Direktor Dussey und seine eben erst eingesetzten Direktunterstellten, sollen «ihr Hauptaugenmerk auf die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages legen können», schreibt die Medienstelle auf Anfrage der NZZ. Der Imperativ des Departements: Der Nachrichtendienst muss sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren! Das verlange insbesondere die Bedrohungslage: Der islamistische Terror, zwei Kriege im strategischen Umfeld der Schweiz und die zunehmende Polarisierung in Europa zwingen zur Konzentration der Kräfte auf das Wesentliche.

Der NDB erhält einen Führungscoach

Dussey war die schwierige Lage seines Diensts offensichtlich bewusst: In einem Tamedia-Interview forderte er kürzlich mehr Personal. Damit meinte er aber operativ tätige Mitarbeitende. Seine Begründung ist nachvollziehbar: Seit Beginn des Krieges im Nahen Osten hat sich nämlich die Terrorgefahr, die von jihadistisch motivierten Tätern ausgeht, merklich erhöht. In der Schweiz und in Europa gab es allein in diesem Jahr rund dreissig Verhaftungen von Verdächtigen. Das seien mehr als im gesamten letzten Jahr, so Dussey.

Dem Vernehmen nach leidet aber genau die Schnittstelle zwischen Terrorabwehr und den Nahost-Spezialisten unter einer chronischen Unterbesetzung. Nur rund fünf NDB-Mitarbeitende sollen sich laut Aussagen aus Sicherheitskreisen mit der Thematik beschäftigen. Insbesondere die Verfolgung der Lage im Nahen Osten scheint keine Priorität zu haben, wie NZZ-Recherchen zeigen.

Die Bedeutung des Dienstes in der aktuellen Lage ist unbestritten: Mehr Mitarbeitende für den NDB wünscht sich deshalb auch SVP-Ständerat Werner Salzmann im «Blick». Er plädiert für zusätzliche 200 Stellen in den nächsten Jahren. Auch SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf findet, eine Stellenaufstockung müsse diskutiert werden. Sie nehme diese Frage mit in die nächste Sitzung der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates.

Immerhin: einen zusätzlichen Mitarbeiter hat NDB-Direktor Christian Dussey nun mit dem stellvertretenden Generalsekretär und Chef Ressourcen des VBS erhalten. Fraglich ist, ob er sich diesen gewünscht hat. Dussey ist der erste Direktor des NDB, der vom eigenen Departement einen Aufpasser – oder zumindest einen Führungscoach bekommt.

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