Donnerstag, Januar 2

Kommunikation im Nahkampf +++ Berset im Rausch +++ Rätoromanen in Finnland +++ Perlen im Bundeshaus

Arme Armee

fab.

Peinliche Szenen an bundesrätlichen Medienkonferenzen kommen immer wieder vor, aber so hoch wie vergangenen Mittwoch ist der Fremdschämfaktor selten. Zunehmend verzweifelt versuchte die Verteidigungsministerin Viola Amherd zusammen mit dem Armeechef Thomas Süssli und dem Rüstungschef Urs Loher die Verwirrung zu beseitigen, die sie selbst geschaffen hatten. Es ging um echte oder angebliche Liquiditätsengpässe der Armee, um Verpflichtungskredite, Zahlungsrahmen und andere komplexe Dinge. Vor allem aber offenbarte der Auftritt nebst den bekannten sicherheitspolitischen auch beträchtliche kommunikative Fähigkeitslücken.

Zwischendurch schwenkte Amherd gar die weisse Fahne: Es tue ihr leid, aber sie könne es wirklich nicht besser erklären, sagte sie. Als gar nichts mehr half, versuchte sie es mit der rhetorischen Superwaffe: dem einfachen Vergleich. Amherd erklärte einem Journalisten, mit den Beschaffungen der Armee verhalte es sich ganz ähnlich, wie wenn er seine Wohnung renovieren wolle: Wenn er plötzlich weniger Einkommen habe, könne er entgegen der ersten Planung auch nicht alles gleichzeitig machen lassen, sondern zuerst vielleicht nur die Küche, während das Badezimmer warten müsse. Die Armee als Stockwerkeigentum.

Auch langjährige Zuschauer des Berner Staatstheaters sind sich einig, dass dieser Auftritt zu den Höhepunkten gehört, die als abschreckende Beispiele in keinem Kommunikationskurs fehlen sollten. Zumindest in dieser Hinsicht verfügt die Schweizer Landesverteidigung weiterhin über beträchtliches Abschreckungspotenzial.

Ich-Rausch statt Kriegsrausch

geo.

Die Schweizer Botschaft in Kiew vermeldete am Mittwoch die Ankunft von alt Bundesrat Alain Berset in der Ukraine. Er reise in seiner Eigenschaft als Kandidat für das Amt des Europarat-Generalsekretärs. Berset kann sich ganz auf die Unterstützung der Schweizer Emoji-Diplomatie verlassen: Eine kleine Ukraine-Fahne grüsst das Schweizerkreuz. Auf dem X-Account der Botschaft ist man ganz nah dran. Nach dem Bild am Bahnhof sitzt der Schlafwagen-Reisende zuerst mit dem Bürochef des ukrainischen Europarat-Teams zusammen, dann verkündet Berset, er werde dem Europarat mehr politisches Gewicht und Sichtbarkeit verleihen.

Das glauben wir dem Instagram-Influencer aufs Wort, und doch erstaunt die erneute Kiew-Reise Bersets. Als Bundespräsident des eben erst verstrichenen Jahres hatte er bis Ende November gewartet, bis er endlich seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski besuchte. Zuerst lag der Reisefokus auf Afrika, und der Fokus Ukraine schien ihm eher suspekt zu sein: «Ich spüre heute in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch», sinnierte er vor knapp einem Jahr in Interviews. Jetzt geht’s um die Karriere: Ich-Rausch statt Kriegsrausch, lautet das Rezept.

Im Heuhaufen

fab.

Die Zahl der parlamentarischen Vorstösse steigt und steigt. Es ist kaum mehr möglich, die vielen tausend Ideen und Forderungen im Überblick zu haben, die von den Damen und Herren in National- und Ständerat in immer höherer Kadenz auf die politische Umlaufbahn geschickt werden. Doch wer Glück hat, findet hin und wieder die Nadel im Heuhaufen der politischen Betriebsamkeit, findet die glorreiche Eingebung, den genialen Wurf. Sie sind selten, diese Perlen, aber sie kommen vor.

Unter den 107 Vorstössen, die der Bundesrat letzte Woche beantwortet hat, fällt einer auf, mit dem Christian Dandrès (SP) angesichts der steigenden Gesundheitskosten die Krankenkassenprämien einfrieren will. Oder einer, in dem Mauro Poggia (MCG) Schlafstörungen durch Ambulanzsirenen in der Nacht anprangert. Yvan Pahud (SVP) findet derweil, der Bund sollte in seinen Gebäuden mehr Käferholz verbauen.

Wie gesagt: Die Perlen sind selten.

Rumantsch für Finnen

fab.

Bern muss sparen. Also nicht wirklich sparen, wie normale Menschen sparen, sondern so, wie Bern spart: Man gibt immer noch mehr aus als bisher, aber nicht so viel mehr wie geplant. Doch schon dies fällt Bundesrat und Parlament schwer. Der Verteilkampf ist in vollem Gange. Auch in der Verwaltung ist man allenthalben damit beschäftigt, die eigenen Aufgaben als besonders wichtig darzustellen, wenn nicht sogar als unentbehrlich.

Einen schönen Kontrapunkt setzt – vermutlich unfreiwillig – das Aussendepartement (EDA) von Bundesrat Ignazio Cassis. Es hat am Montag über die «Internationale Woche der rätoromanischen Sprache» informiert, die in Mailand im Centro Svizzero begonnen hat, natürlich im Beisein des Aussenministers. Gemäss offizieller Mitteilung standen zwei sehr originelle Themen – «Innovation und Nachhaltigkeit» – im Zentrum. Und weil zufällig gleichzeitig die Mailänder Modewoche stattfindet, sei auch viel über Mode gesprochen worden.

Damit nicht genug, die rätoromanischen Wochen finden nicht nur in Italien statt. In Finnland zum Beispiel hat die Schweizer Botschaft dafür gesorgt, dass an der Universität Jyväskylä ein Anfängerkurs in Rätoromanisch angeboten wird.

In Zeiten akuten Geldmangels offensiv über derlei Aktivitäten zu berichten, offenbart beträchtlichen Wagemut. Man kann nie wissen: Wenn Finnen lernen können, rätoromanisch zu sprechen, könnten vielleicht auch Politiker lernen, zu sparen.

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