Freitag, Dezember 27

Die Verteidigungsministerin Viola Amherd sorgt sich um die Sicherheit des Landes und kontert kritische Stimmen an ihrer Kommunikation.

Frau Bundespräsidentin, das Parlament diskutiert über die Erhöhung des Armeebudgets. Der Nationalrat will es schneller erhöhen als der Bundesrat. Bereits 2030 soll es 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) betragen und nicht per 2035. Ein Erfolg für Sie?

An den Eckwerten zur Ausrichtung der Armee ändert sich nichts. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage ist es wichtig, dass die Armee so rasch wie möglich die nötigen Mittel zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit erhält. Die Beschaffung der in der Armeebotschaft 2024 vorgesehenen Waffensysteme kann schnell oder langsam umgesetzt werden. Eine langsamere Beschaffung ist finanzpolitisch einfacher, sicherheitspolitisch wäre aber eine raschere Beschaffung von Vorteil. Wichtig ist, dass wir mit der erstmaligen fähigkeitsbasierten Armeebotschaft neu auf der strategischen Ebene Planungssicherheit für die nächsten zwölf Jahre haben.

Der Bundesrat plädiert für eine Erhöhung des Armee-Budgets auf 1 Prozent des BIP bis 2035. Können Sie es als Verteidigungsministerin verantworten, wenn der Wiederaufbau der Armee länger dauert?

Wir müssen die vorhandenen Mittel optimal nutzen. Der Bundesrat hat beschlossen, das Armeebudget bis 2035 auf 1 Prozent des BIP zu erhöhen. Das ist eine Verbesserung gegenüber den letzten drei Jahrzehnten.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter bezweifelt, dass die Erhöhung allein durch Einsparungen möglich sein wird. Im Raum steht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Zuerst einmal müssen jetzt die Entscheide des Parlaments abgewartet werden. Wichtig ist in erster Linie das Budget 2025. Das ist verbindlich. Der Finanzplan über die nächsten Jahre hingegen dient als Planungsinstrument. Selbstverständlich ist es wesentlich, neben der Armeebotschaft 2024 und weiteren Planungsgrundlagen auch einen Finanzplan zu haben, der aufzeigt, welche Fähigkeiten bis wann ausgebaut werden können. Aber ich will mich jetzt nicht in die Parlamentsberatungen einmischen. Der Bundesrat hat einen Finanzrahmen beschlossen, der realisierbar ist. Wenn das Parlament das Armeebudget schneller erhöhen will, ist das für die Sicherheit der Bevölkerung positiv.

Vor allem die Linke bezweifelt, dass die Armee auch in der Lage ist, in so kurzer Zeit so viele Beschaffungen zu tätigen.

Es besteht ein grosser Nachholbedarf bei den Investitionen, weil in den letzten drei Jahrzehnten massiv zu wenig in die Armee investiert wurde. Die Armee hat genug wichtige Projekte, um die finanziellen Mittel gezielt und sinnvoll einzusetzen.

Die Präsidenten von FDP und SVP haben kürzlich gefordert, dass Sie dem Parlament einen klaren Plan vorlegen, eine politische Gesamtstrategie inklusive Preisschildern und Priorisierung.

Die Planung liegt vor, man muss die Papiere nur lesen.

Sie meinen die verschiedenen Grundlagenberichte der Armee?

Ja, die Grundlagenberichte und jetzt die Armeebotschaft 2024, die die Schwerpunkte für die nächsten zwölf Jahre definiert. Darin geht es um strategische Fragen und Entscheidungen. Der Bundesrat hat diese Armeebotschaft abgesegnet und dem Parlament vorgelegt. Die Armee hat zusätzlich eine detaillierte Liste der Systeme mit einem Zeitplan und einem Preisschild erarbeitet. Diese Detailplanung, das Zielbild und die Strategie für die Armee der Zukunft, das sogenannte «Schwarze Buch», ist den zuständigen Kommissionen bekannt und ist auf der Website des VBS einsehbar.

Parlamentarier kritisieren, das «Schwarze Buch» sei nur ein Papier der Armee. Was fehle, sei eine politische Gesamtstrategie des Bundesrats.

Es ist nicht Aufgabe des Bundesrates, technische Detailfragen zu klären, wie etwa, welche Radschützenpanzer beschafft werden sollen. Der Bundesrat hat zu entscheiden, ob beispielsweise geschützte Mobilität am Boden erforderlich ist oder nicht. Er muss die Strategie vorgeben, und das hat er mit der Armeebotschaft 2024 und den weiteren Grundlagenberichten getan.

Es gibt den Vorstoss von FDP-Ständerat Josef Dittli, der ein Zielbild vom Bundesrat fordert. Der Ständerat und der Bundesrat befürworten den Vorstoss. Also ist das Bedürfnis nach einem bundesrätlichen Zielbild sogar im Bundesrat selbst vorhanden.

Wie bereits erwähnt, liegt alles schon vor. Wenn es gewünscht wird und es dem Verständnis dient, alles zusammenzufassen, werden wir das selbstverständlich tun.

Diverse Umfragen zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung zwar eine einsatzfähige Armee will, aber sie darf nicht mehr kosten. Wie soll dieser Widerspruch gelöst werden?

Der Ernst der geopolitischen Lage ist bei uns noch nicht vollständig angekommen. Wir sind geografisch in einer komfortablen, privilegierten Lage – das hat uns in der Vergangenheit geholfen. Als Land hatten wir das grosse Glück, dass wir von grossen Konflikten, Kriegen und Terroranschlägen weitgehend verschont geblieben sind. Dafür müssen wir dankbar sein. Doch in einer Welt mit hybrider Konfliktführung bietet die geografische Distanz keinen verlässlichen Schutz mehr. Die Schweiz ist bereits heute zunehmend von Cyberangriffen und Desinformationskampagnen betroffen. Dieses Bewusstsein müssen wir stärken und uns gezielt auf diese Herausforderung vorbereiten.

Sie tauschen sich mit Staatspräsidentinnen und Staatspräsidenten auf der ganzen Welt aus. Wie blicken diese auf die gegenwärtige Weltlage?

Sie sind sich einig, dass die Weltlage so schwierig und instabil ist wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Niemand weiss, wie schnell oder wo die Situation weiter eskalieren könnte. Doch alle sind überzeugt, dass eine rasche Verbesserung nicht in Sicht ist – im Gegenteil, die Gefahren nehmen weiter zu, wie beispielsweise die Entwicklung in Syrien zeigt.

Und wie blicken diese Länder auf die Schweiz?

Die Bürgenstock-Konferenz hat stark zu einer Verbesserung des Schweizer Images beigetragen. Davor habe ich oft Kritik gehört, beispielsweise wegen der Praxis der Kriegsmaterialexporte. Der Schweiz wurde Rosinenpickerei vorgeworfen. Seit der Konferenz hat sich das stark geändert. Andere Länder zeigen sich dankbar dafür, dass die Schweiz den Dialog für einen dauerhaften und gerechten Frieden in der Ukraine gestartet hat.

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