Samstag, November 23

Tasten und Knöpfe im Auto sind out. Hersteller setzen auf Wohlfühl- statt Hightech-Stimmung. Doch mancher Fortschritt macht die Dinge nur komplizierter.

Mit einer Handbewegung erscheint eine neue Grafik vor dem Fahrer – quer über die gesamte Frontfläche. Der Lenker entscheidet, was er sich als Info einblenden lassen will. Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Anzeige der Geschwindigkeit können das unter anderem Navigation, Temperatur oder ein abgespieltes Musikstück sein. Mechanische Knöpfe und Tasten muss der Fahrer nicht mehr drücken.

Seit Jahren verdrängen digitale Instrumente analoge Anzeigen. Mercedes installiert bis zu drei Displays im Armaturenbrett seiner Fahrzeuge – über die gesamte Fahrzeugbreite. Der chinesische Hersteller Byton zeigte vor Jahren ein Cockpit aus einem 1,25 Meter breiten und 25 Zentimeter hohen Monitor. Es lässt sich per Berührung, aber auch über Gesten, Gesicht und Stimme bedienen.

Das Unternehmen ist zwar längst insolvent, doch als Vorbild diente die riesige Anzeige unter der Frontscheibe immer mehr anderen Autoherstellern.

Nahezu jeder Hersteller pflastert mittlerweile sein Cockpit mit den berührungsempfindlichen Glasoberflächen zu. Vermittelt werden Geschwindigkeit, Motordrehzahl, Akku-Kapazität und Reichweite, aber auch Infos über Wetter, Verkehr, Musik oder Kalendereinträge. Als Assistenten mit Sprachsteuerung wie Google Assistant, Siri oder Alexa bilden die Displays ein Bindeglied zwischen Mensch, Maschine und Aussenwelt.

Eine Trendwende zeichnet sich bereits wieder ab

Doch die Zeiten mehrerer Displays und eines volldigitalen Cockpits scheinen bald vorbei zu sein. Zumindest für einige Hersteller. BMW will ab 2025 in seiner «Neuen Klasse» die Art und Weise revolutionieren, wie Autofahrer künftig ihre Fahrzeuge bedienen. Ein langes, rund 12 Zentimeter hohes Display in der Scheibe, «Panoramic Vision» genannt, füllt die komplette Breite des Innenraums, fügt sich dabei aber dezent ins Armaturenbrett ein.

Über eine Spiegelung im unteren Schwarzraum der Scheibe können digitale Inhalte eingeblendet werden. «Dadurch lassen sich einerseits viele Informationen darstellen, gleichzeitig sieht der Innenraum aufgeräumt und luftig aus, weniger kalt und digital», sagt Kai Langer, der für die Elektromodelle von BMW verantwortlich ist.

Zusätzlich erhält der Fahrer über ein Head-up-Display weitere Informationen zu Geschwindigkeit und Navigation, die ihm in der Windschutzscheibe dank Spiegelung bis zu sechs Meter vor dem Fahrzeug angezeigt werden. Über das zentrale Display lassen sich sechs Felder auswählen, die parallel in «Panoramic Vision» gespiegelt werden.

Kai Langer sagt: «Das Interieur soll ein Wohlfühlraum sein.» Entsprechend sollen Darstellungen für Funktionen künftig nur noch erscheinen, wenn der Nutzer sie benötigt.

Schöner wohnen statt Hightech-Gefühl

Das bedeutet eine Abwendung von der Technik-Verliebtheit und eine Hinwendung zur wohnlichen Einrichtung im Auto. Bisher galten Autos mit üppigen Tablet-Glasflächen, aufgeteilt in mehrere Monitoren wie bei Mercedes, als besonders modern. Diese strahlen laut Langer allerdings «eine technoide, räumliche Kälte» aus. BMW wolle mit dem neuen Konzept ab 2025 eine «umarmende, gemütliche Wohnlandschaft» schaffen. Dazu passen ein personalisierter Fahrsound für die Insassen sowie eine Ambiente-Beleuchtung – abgestimmt auf die jeweilige Stimmung.

Die Entwicklung scheint logisch. Hersteller haben das Design der Bedienung längst zur Marken-Differenzierung entdeckt. Monitoren in Autos werden immer grösser, weil ihre Herstellung günstiger wird und die Touch-Displays teure Knöpfe, Regler und Schieber überflüssig machen. «Dazu kommt, dass es immer mehr Assistenten im Auto gibt, Piloten fahren weniger bewusst Auto», sagt Paolo Tumminelli, Professor für Design-Konzepte an der Köln International School of Design.

Bei heutigen Systemen besteht allerdings ein absurdes Missverhältnis. Die Benutzung des Smartphones während der Fahrt ist untersagt, zugleich sollen Fahrer ein Tablet-förmiges Display mit vielen Untermenus bedienen, das dazu noch wenig intuitiv gestaltet ist. Durch all das wird die Aufmerksamkeit des Fahrers von der eigentlichen Fahraufgabe abgelenkt.

«Längerfristig könnte ein Trend hin zu einer einfachen Bedienung gehen», sagt Professor Tumminelli. «Nicht die Menge der Funktionen ist entscheidend, sondern deren Bedienung. Auch eine Normierung bestimmter Funktionen ist auf Dauer sinnvoll.» Entscheidend für die Akzeptanz sind neben der Grösse der Displays auch verschiedene Darstellungsmöglichkeiten und die Geschwindigkeit der Displays – sie sollten in Echtzeit reagieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass BMW die Menuführung revolutionieren will. 2001 stellten die Bayern mit der damals neu lancierten 7er-Baureihe das I-Drive-Bedienkonzept vor. Mithilfe eines Controllers zwischen Fahrer- und Beifahrersitz steuern Fahrer damit durch das Menu, können scrollen und drücken.

Der I-Drive-Controller – bei BMW nannte man ihn etwas sperrig «Dreh-Drück-Steller» – ermöglicht es, die komplexer werdenden Fahrzeugfunktionen einfach über ein ergonomisch gestaltetes Bedienelement zu steuern und das Cockpit übersichtlicher zu halten. «Damals hatten wir eine Fülle von Informationen, die wir nicht über noch mehr Schalter bedienen wollten. Daher entstand die Idee zum listenbasierten System I-Drive», erklärt Kai Langer.

Die anfänglich zu vielen und unübersichtlichen Untermenus glättete BMW zwei Jahre später und entwickelte die Menuführung fast bis zum Industriestandard weiter. Auch andere Hersteller haben sich an dem System orientiert.

Doch die Anforderungen der Kunden steigen. Um immer mehr Funktionen auch in Zukunft übersichtlich bedienen zu können, ist laut Langer eine Weiterentwicklung nötig.

Auf der Suche nach der idealen Benutzererfahrung

Neben der haptischen Eingabe am Display wird die Sprachsteuerung im Innenraum wichtiger. Zum einen, weil die Technik immer komplexer wird, zum anderen, weil Menschen gerne sprachlich kommunizieren. Nach dem Motto «Hands on the wheel, eyes on the road» (Hände am Steuer, Augen auf die Strasse gerichtet) bietet Sprachsteuerung einen weiteren Vorteil: mehr Sicherheit. Allerdings benötigt KI-gestützte Sprachsteuerung einen hohen und schnellen Datentransfer – der im Auto nicht immer zur Verfügung steht.

Neu sind auch die haptischen Bedienungsfelder. Dabei handelt es sich um virtuelle Tasten, die durch Ultraschall in den Innenraum projiziert werden. Nutzer fühlen eine Taste oder einen Knopf, erhalten beim Drücken oder Drehen eine haptische Rückmeldung. Diese Technologie wird noch erprobt.

Reine Gestensteuerung hat sich bei Autos bisher nicht durchgesetzt. Zwar lassen sich bei einigen Modellen Musiktitel und Radiosender per Geste steuern. Doch dazu sind häufig Bewegungen nötig, die Kunden nicht aus dem Alltag kennen.

Auch das sogenannte Eye-Tracking, forciert von Toyota, konnte bisher nicht vollends überzeugen. Dabei verfolgt eine Kamera die Blicke des Fahrers und erkennt, wohin er schaut. Wandern sie zum Lichtschalter, aktiviert das System die Scheinwerfer. Doch welcher Blick ist gewollt, welcher ist nur Reflex?

Das optimale Bedienkonzept für Autos gibt es daher bis jetzt nicht. Vielmehr richtet es sich nach den Anforderungen der Fahrsituation: Aktivere Autofahrer verlangen andere Konzepte als passive Geniesser.

Sicher ist, Displays werden nicht aus dem Auto verschwinden. Für kontinuierlich angezeigte Werte wie Geschwindigkeit brauchen Autos eine visuelle Darstellung. Denn kein Autofahrer will dauernd per Sprache seine gefahrene Geschwindigkeit vorgesagt bekommen.

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