Wildvögel auf allen Kontinenten sterben zu Tausenden an Vogelgrippeviren. Diese töten auch immer mehr Säugetiere. Experten weisen warnend darauf hin, dass die Gefahr für den Menschen steigt. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Einige EU-Länder haben kürzlich 665 000 Dosen Impfstoff gegen Vogelgrippe bestellt und eine Kaufoption für 40 Millionen in den kommenden vier Jahren vereinbart. Aus Mexiko wurde die erstmalige Infektion eines Menschen mit einer bisher unauffälligen Virusvariante namens H5N2 gemeldet, die Person starb. In den USA grassiert das besonders gefürchtete Vogelgrippevirus H5N1 weiterhin ungebremst auf immer mehr Milchkuhbetrieben. Drei Mitarbeiter haben sich bereits infiziert. Und Experten aus Saudiarabien befürchten jetzt, dass es zu Übertragungen des Vogelgrippevirus H5N1 während der millionenfachen Geflügelschlachtungen zum Ende der muslimischen Pilgerreise nach Mekka kommen könnte.

Können Vogelgrippeviren auch Menschen befallen?

Ja, aber: Auf Tiere spezialisierte Influenzaviren können menschliche Zellen nur sehr schlecht befallen und sich dann dort nicht effizient vermehren. Allerdings sind Influenzaviren genetisch instabil. Daher ist es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass sich tierische Influenzaviren genetisch derart verändert haben, dass sie neu auch gut in menschliche Zellen eindringen. Das war zum Beispiel bei der Spanischen Grippe mit geschätzt bis zu 50 Millionen Toten weltweit der Fall. Damals hatte sich ein Vogelgrippevirus an Menschen angepasst – und war auch noch leicht zwischen Personen übertragbar.

Welche Influenzaviren zirkulieren?

Viele. Es gibt vier Stämme von Influenzaviren, nämlich A, B, C und D. Von den A-Viren gibt es dann noch zahlreiche Subgruppen. Sie werden anhand von zwei Eiweissmolekülen, die sie auf ihrer Oberfläche tragen, charakterisiert: Hämagglutinin (kurz H) und Neuraminidase (N). Bisher hat man 18 unterschiedliche H- und 11 N-Proteine gefunden. Es kann jede mögliche Kombination geben. Im vergangenen Winter zirkulierten unter uns Menschen Influenza-A-Viren vom Typ H1N1 sowie H3N2. Unter Wildvögeln grassiert seit Jahren H5N1.

Wie gefährlich ist denn das H5N1-Vogelgrippevirus?

Wildvögel und Nutzgeflügel infizieren sich sehr leicht, eine Ansteckung verläuft nahezu immer tödlich.

Anders sieht es für Menschen aus. Mit seiner momentanen Ausstattung ist H5N1 zwar in der Lage, uns zu infizieren. Doch es ist noch sehr schlecht angepasst. Obwohl das H5N1-Virus in den vergangenen Jahren Millionen von Wild- und Nutzvögeln angesteckt hat, wurden der Weltgesundheitsorganisation seit 2003 nur 889 Infektionen mit diesem Virus gemeldet. Allerdings: In 463 Fällen starben die Betroffenen. Es ist aber denkbar, dass viele Infektionen nicht erkannt wurden und daher die Todesrate in Tat und Wahrheit keine erschreckende 50 Prozent beträgt. Es wurde noch nie eine H5N1-Übertragung von Mensch zu Mensch beobachtet.

Behörden und Fachorganisationen weltweit stufen daher das Risiko, das derzeit vom Vogelgrippevirus H5N1 für uns Menschen ausgeht, als gering ein. Aber es besteht die realistische Möglichkeit, dass es sich verändert. Denn weil es derzeit unter so vielen Vögeln und immer mehr Säugetieren kursiert, bietet sich dem Virus millionenfach die Chance für Veränderungen – und jene, auf Menschen überzuspringen.

Sind auch andere Vogelgrippeviren für den Menschen gefährlich?

Ja, bisher wurden Infektionen mit H5N2 (im Mai 2024 in Mexiko), H9N2 (März 2024 in Indien und Vietnam), H3N8 (2022 und 2023 in China) oder H10N5 (November 2023 in China) entdeckt. Manche Patienten starben, viele hatten zuvor schon andere gesundheitliche Probleme. Aus China wurden in den letzten Jahren zudem mehr als 1500 Infektionen mit H7N9 gemeldet, mehr als 600 Betroffene starben daran.

Was für Impfstoffe und Medikamente gibt es?

Es gibt einige Impfstoffe gegen H5-Viren. Alle Produkte enthalten virale Eiweissstücke oder inaktivierte Viren. Es ist unklar, ob diese Vakzine immer einen hundertprozentigen Schutz verleihen. Die Impfungen gegen die saisonalen menschlichen Influenzaviren tun das nicht. Zudem werden derzeit mRNA-Impfstoffe gegen H5N1-Viren entwickelt.

Fünfzehn EU-Länder haben kürzlich einen solchen Eiweissimpfstoff bestellt. Deutschland zählt nicht dazu. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit darf die Bundesregierung nur bei einer «bestehenden oder drohenden bedrohlichen übertragbaren Krankheit» Impfstoffe zentral beschaffen. Diese Situation liege gemäss den Experteneinschätzungen bei der Vogelgrippe noch nicht vor.

Auch die Schweiz hat bis anhin keinen gegen H5-Viren wirkenden Impfstoff bestellt. Ebenso wie die EU hat sie aber für den Fall einer Pandemie ein Kontingent reserviert.

In Finnland werden nun Landwirten, Mitarbeitern von Pelzfarmen und Tierärztinnen Impfungen angeboten. Denn dort grassierte 2023 monatelang auf insgesamt 72 Pelzfarmen das H5N1-Vogelgrippevirus. 485 000 Pelztiere, vor allem Füchse und Nerze, mussten gekeult werden. Analysen hatten ergeben, dass die zirkulierenden Viren sich genetisch verändert hatten und so besser an Nerze angepasst waren. Das ist insofern beunruhigend, als Influenzaviren, die Nerze infizieren, leichter auch Menschen befallen können als die ursprünglichen Vogelgrippeviren.

Es gibt mehrere Medikamente, die die Vermehrung von Grippeviren im Körper hemmen. Die Mittel können aber keine Infektion verhindern und wirken auch nur dann effizient, wenn sie ganz zu Beginn der Erkrankung eingenommen werden.

Vogelgrippeviren wurden in den USA in Milchprodukten gefunden. Ist das gefährlich?

Bis jetzt gilt nur unbehandelte Rohmilch als gefährlich. Denn dort wurden bereits aktive Vogelgrippeviren entdeckt. Es gibt zudem Berichte, dass sich Bauernhofkatzen durch den Konsum von Rohmilch mit H5N1 infiziert hätten und daran gestorben seien.

Was wird in der Schweiz und Deutschland überwacht?

Im Rahmen des regulären Influenzamonitorings werden von Patienten isolierte Grippeviren analysiert. Das umfasst auch Vogelgrippeviren. Zudem werden Personen, die mit infiziertem Geflügel in Kontakt kamen, überwacht. Werden im Abwasser erhöhte Mengen an Influenza-A-Viren entdeckt, wird ebenfalls auf Vogelgrippeviren getestet.

Weiter werden tot aufgefundene Wildvögel auf Vogelgrippeviren untersucht. In Deutschland werden zudem auch Proben von lebenden Wildvögeln analysiert. Da nun aus den USA bekannt ist, dass sich Milchkühe mit H5N1 anstecken können und sie dann eine Euterentzündung entwickeln und die Milchproduktion nachlässt, sind Tierärzte wie Landwirte angehalten, verstärkt auf solche Anzeichen zu achten und gegebenenfalls auf Vogelgrippe zu testen.

In Deutschland wurden zudem als Pilotversuch Rinder in Gegenden mit H5N1-Ausbrüchen bei Wildvögeln getestet, ebenso Stichproben von Tankmilch aus ganz Deutschland. Bisher hat man dabei kein H5N1-Virus gefunden.

Werden Hühner gegen Vogelgrippe geimpft?

Derzeit wird weder in der Schweiz noch in Deutschland Nutzgeflügel geimpft. Würden die Tiere geimpft, würde das die Unterscheidung zwischen infizierten und geimpften Tieren und damit die Überwachung erschweren oder sogar verunmöglichen, schreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.

Andere Länder hingegen impfen Nutzgeflügelbestände. In Europa impfte einzig Frankreich Entenbestände. Pilotversuche in mehreren Ländern haben gezeigt, dass die Vakzine zwar Infektionen minimieren, aber nicht alle Tiere hundertprozentig schützen. Daher müssen geimpfte Bestände sehr genau überwacht werden.

In der Schweiz wurden 2023 im Rahmen einer Studie Zoovögel in Bern und Basel geimpft. Erste Ergebnisse zeigen laut dem Institut für Immunologie und Virologie in Mittelhäusern, dass sie einen guten Antikörperschutz aufgebaut haben.

Dass die vorhandenen Vakzine auch Rinder vor einer Infektion schützen, wird von Experten zwar erwartet, ist aber noch nicht bewiesen. In den USA werden zudem nun mehrere H5N1-Vakzine speziell für Rinder entwickelt.

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