Dienstag, November 26

Kleine Schritte zur Stärkung der Eigentumsrechte der Vermieter haben eher Chancen als eine grosse Reform. Diese Lehre hat das Parlament gezogen. Die Folgen: mehr Aufwand für Referendumsführer, mehr Mitspracherechte für das Volk.

Die zwei Abstimmungsvorlagen zum Mietrecht für den Urnengang in knapp zwei Wochen verführen nicht zu reisserischen Schlagzeilen. Es geht um relativ kleine «technische» Änderungen – zu den Regeln für die Untervermietung beziehungsweise für die Kündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters. Beide Vorlagen sollen die Stellung der Eigentümer ein bisschen stärken. Der Mieterverband bekämpft aber auch diese kleinen Schritte mit hochgeschraubter Rhetorik («Rauswurf-Vorlagen»).

Gemessen an der Rhetorik der Gegner scheint die generelle Vorgehensweise der bürgerlichen Parlamentsmehrheit im Mietrecht gar noch schlimmer zu sein als der Inhalt der Abstimmungsvorlagen. So spricht der Mieterverband ohne sichtbare Ironie von einem «demokratiepolitischen Skandal». Skandalös ist in seiner Lesart, dass die Bürgerlichen keine grosse Mietrechtsreform wagen, sondern sich kraft einer «Salamitaktik» auf kleine Schritte konzentrieren, weil dies politisch chancenreicher ist.

So läuft Politik

Diese «Skandal»-Rhetorik ist skurril. In der Logik der Kritiker müsste es dann zum Beispiel auch ein Skandal sein, dass die SP Schweiz trotz der klaren Zielsetzung in ihrem Parteiprogramm keine Volksinitiative zur Abschaffung des Kapitalismus lanciert, sondern mit einer Vielzahl von chancenreicheren kleineren Schritten in diese Richtung gehen will. Das Gleiche könnte man in allen Politikbereichen sagen, in denen Akteure zwecks Verbesserung der Chancen nur Teile ihrer Ziele in eine Reform packen wollen.

Das Mietrecht ist in der Schweiz chronisch reformresistent. Schon kleinste Änderungen rufen grössten Widerstand hervor, wie die gegenwärtige Kontroverse zum Urnengang vom November erneut demonstriert. Genau darum hat das Parlament in den letzten Jahren eine Serie von Änderungswünschen der Vermieter auf fünf Vorlagen aufgeteilt. Ein Kernsatz bei der genannten Begründung dieser Aufteilung: «Die Erfahrung zeigt, dass sich zu umfassenden Revisionsvorhaben keine politischen Mehrheiten finden.» Es sei zielführender, «einzelne punktuelle Verbesserungen vorzunehmen».

Einer der Vorstösse war mässig umstritten und ist mangels Referendum schon in Kraft getreten; dabei ging es um eine Vereinfachung formaler Vorgaben für die Unterschriften bei der Mitteilung von Mietzinserhöhungen. Die vier anderen Vorstösse sind stark umstritten. Alle gehen auf parlamentarische Initiativen zurück. Über zwei von diesen stimmt das Volk am 24. November ab. Die zwei übrigen Vorlagen stecken noch in der zuständigen Parlamentskommission.

Das Geld im Fokus

Nach derzeitigem Stand dürften die beiden im Parlament steckenden Dossiers zusammen im nächsten Frühling in den Nationalrat kommen. Beschliesst das Parlament diese Änderungen, kann der Mieterverband wiederum gegen eine der beiden oder auch gegen beide das Referendum ergreifen. Bei beiden Gesetzesprojekten geht es um die Mietzinse. Eines dieser Projekte will die Anfechtung von missbräuchlichen Anfangsmietzinsen durch Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen einschränken. Grundsätzlich steht die Anfechtung eines Anfangsmietzinses im krassen Widerspruch zum Prinzip «Verträge sind einzuhalten». Das Gesetz lässt indes im Namen der Missbrauchsbekämpfung auch Anfechtungen durch Neumieter zu.

Nach geltendem Recht sind solche Anfechtungen in drei Konstellationen möglich: Der Mieter steckt in einer persönlichen oder familiären Notlage; oder es gibt eine Knappheit auf dem örtlichen Markt; oder der Vermieter hat den Preis im Vergleich zum Vormieter «erheblich» erhöht (laut Bundesgericht um nominal mindestens 10 Prozent). Die parlamentarische Initiative will die Anfechtungsmöglichkeit auf Fälle beschränken, in denen eine Notlage des Mieters in Kombination mit einer der beiden anderen genannten Konstellation vorliegt.

Die andere erwähnte Initiative will die Beweisbarkeit von «orts- und quartierüblichen» Mietzinsen erleichtern. Laut geltendem Gesetz sind Mietzinse missbräuchlich, «wenn damit ein übersetzter Ertrag» erzielt wird (definiert vom Bundesgericht). Das folgt dem Prinzip der Kostenmiete. Doch das Gesetz enthält auch ein marktnäheres Element. Gemäss diesem sind Mietzinse in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie «im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen».

Gemäss Vermietervertretern hat das Bundesgericht so schwierige Bedingungen für den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit gelegt, dass diese Klausel in der Praxis kaum brauchbar sei. Die parlamentarische Initiative will den Kreis der vergleichbaren Mietobjekte erweitern, die notwendige Mindestzahl von vergleichbaren Objekten von fünf auf drei reduzieren, den Richtern in Streitfällen mehr Flexibilität geben und künftig nicht nur amtliche Daten, sondern auch «branchenetablierte Statistiken» als Vergleichsgrundlage zulassen.

Kosten- contra Marktmiete

Auch diese beiden Gesetzesprojekte dürften keine Revolution auslösen. Doch die Bedeutung ist wohl grösser als bei den Abstimmungsvorlagen vom laufenden Monat. Es wird in den Debatten des nächsten Jahres um den traditionellen Hauptstreitpunkt im Mietwesen gehen: die Mietzinshöhe.

Nach geltendem Recht ist in vielen Fällen die Kostenmiete rechtlich massgebend (Kosten plus angemessener Ertrag). Die marktnähere Orts- und Quartierüblichkeit ist als dominierendes Kriterium auf gewisse Fallkonstellationen beschränkt: vor allem die Anfechtung von Anfangsmieten in Liegenschaften, die seit mindestens 30 Jahren dem aktuellen Eigentümer gehören, sowie Einreden von Vermietern gegen beantragte Mietpreissenkungen. Die beiden parlamentarischen Initiativen könnten in solchen Fällen die Position der Vermieter spürbar stärken. Das Ausmass würde von der Gerichtspraxis abhängen.

All dies ist kein Skandal. Die Aufteilung von Vermieteranliegen auf verschiedene Vorlagen erlaubt den Bürgern mehr Mitsprache: Die Bürger können nicht nur Ja oder Nein zu einem Paket sagen, sondern voraussichtlich viermal je ein Verdikt zu Kleinreformen abgeben. Man kann zum Beispiel diesen Monat an der Urne die neuen Regeln zum Eigenbedarf der Vermieter unterstützen, aber die neuen Regeln zur Untervermietung ablehnen – so wie dies die Grünliberalen empfehlen. Viele Urnengänger dürften zweimal Ja oder zweimal Nein stimmen, weil ihnen die ideologische Grundhaltung wichtiger sein mag als der konkrete Inhalt. Doch inhaltlich wäre eine Differenzierung nach Vorlage keine unlogische Haltung.

Unerfreulich ist die Aufteilung eines Pakets auf mehrere Einzelteile für den Mieterverband. Dessen Kampfrhetorik wirkt bezogen auf die Einzelteile überdreht, und anstelle eines Referendums muss er voraussichtlich zwei Doppel-Referenden stemmen. Das bringt ihm mehr Aufwand, aber dies taugt nicht als schlagendes Argument gegen eine Aufteilung.

Ohne klaren Trend

In den letzten Jahrzehnten ist kein klarer Trend im Mietrecht ersichtlich. Nach dem Notregime im Zweiten Weltkrieg brachten die folgenden Jahrzehnte bis zu den 1970er Jahren schrittweise Lockerungen – von einer Mietpreiskontrolle über eine Mietpreisüberwachung bis zur Beschränkung auf eine Missbrauchsregelung an Orten mit Wohnungsknappheit. Dann kamen Schritte in die Gegenrichtung, mit der Ausdehnung der Missbrauchsgesetzgebung und einem verstärkten Kündigungsschutz. Seit den 1990er Jahren scheiterten grössere Schritte in die eine oder andere Richtung an der Urne, im Parlament oder schon in einem früheren Stadium.

Beim bisher jüngsten Versuch zur Schaffung einer mehrheitsfähigen Gesetzesreform über Einzelpunkte hinaus hatte der Bundesrat 2022 die Segel gestrichen: «Ohne eine minimale Unterstützung von wichtigen Partnern macht die Fortsetzung des Diskussionsprozesses keinen Sinn.» So waren Veränderungen im Mietrecht in den letzten zwanzig Jahren weitgehend beschränkt auf Verordnungsänderungen mit überschaubarer Bedeutung und auf Urteile des Bundesgerichts – die zum Teil in unterschiedliche Richtungen gingen. Doch die Geschichte ist nie zu Ende: 2023 hat der Mieterverband wieder einmal eine Volksinitiative für mehr Mieterschutz und (noch) weniger Markt angekündigt.

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