Der Bundesrat lehnt die Initiative der Jungsozialisten für eine nationale Erbschaftssteuer auf Grossvermögen für die Klimapolitik ohne Gegenvorschlag ab. Die Initiative verlangt auch Massnahmen gegen Ausweichmanöver. Müsste man die Reichsten mit einer hohen Wegzugssteuer faktisch im Land einsperren?

Mehr Staatsausgaben und höhere Steuern: Das gehört zu den Standardforderungen der politischen Linken. Dabei soll es die grosse Kelle richten, wie jüngst Vorstösse zu AHV, Krankenkassenprämien und Klimapolitik zeigten. Der Bundesrat hat diesen Mittwoch beschlossen, zwei Klima-Initiativen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen. Beide Initiativen fordern massive Zusatzsubventionen. Die Kombination beider Vorstösse klingt nach doppelt gemoppelt, aber im Prinzip wäre auch ein doppeltes Ja möglich.

Eine der Klima-Initiativen stammt von den Jungsozialisten. Sie verlangt eine nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent auf Vermögensteilen über 50 Millionen Franken. Erleichterungen für Familienbetriebe sind nicht vorgesehen. Die Erträge sind laut Initiativtext «zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft» zu verwenden. Das verspricht ein Fest des Geldverteilens für die Politiker.

Spiel mit Neidgefühlen

Die Juso-Initiative ist der neuste Anlauf der Linken für eine nationale Erbschaftssteuer. Der letzte Versuch scheiterte 2013 klar an der Urne (71 Prozent Nein-Stimmen). Damals ging es um eine Erbschaftssteuer von 10 Prozent auf Vermögen über 2 Millionen Franken, zweckgebunden für die AHV. Die neue Initiative hat mit 50 Millionen Franken einen solch hohen Freibetrag, dass fast alle Bürger sich sagen können: «Das wird mich nie betreffen.»

Die deklarierte Logik der Initianten geht wie folgt: Die Superreichen seien etwa mit ihren Privatflugzeugen und Villen hauptverantwortlich für den Klimawandel, deshalb sollten sie die Kosten der Klimapolitik tragen. Wer an das Verursacherprinzip glaubt, würde aber keine Erbschaftssteuer vorschlagen, sondern die Erhöhung und/oder Verbreiterung der CO2-Abgabe. Doch eine Steuer nur für die Superreichen klingt weit populärer: Das breite Publikum bleibt scheinbar unbehelligt, und die Initianten können auf gängige Neidgefühle setzen.

Der Bundesrat hat für seine Ablehnung der Initiative vor allem fünf Gründe genannt: Die Initiative bringe im Unterschied zur geltenden Klimapolitik keine Lenkungswirkung, sie setze mit der Zweckbindung der Steuererträge Anreize zur Verschwendung, sie senke die Standortattraktivität der Schweiz für die Reichen, sie gefährde die Nachfolgeplanung von Unternehmen, und sie beschränke die Spielräume der Kantone bei ihrer eigenen Erbschaftssteuer.

Sympathien bei den Ökonomen

Losgelöst vom Problem der Zweckbindung hat die Erbschaftssteuer unter den Ökonomen erhebliche Sympathien. Die Fehlanreize sind im Vergleich zu anderen Steuern (wie etwa Einkommenssteuer oder Firmengewinnsteuer) kleiner. Erbschaftssteuern können zwar zum Wegzug oder zum Verzicht auf Vermögensaufbau verleiten, aber laut der internationalen Forschungsliteratur sind diese Effekte relativ gering. Bei den Erben nehmen die Arbeitsanreize sogar zu: Wer weniger erbt, muss sich mehr anstrengen. Auch in den Schweizer Daten zeige sich diese Tendenz, sagt der Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart von der Universität Lausanne.

Doch bei der Juso-Initiative mit ihrem Fokus auf die Reichsten und dem sehr hohen Steuersatz sind Ausweichmanöver programmiert. Eine Studie von 2023 aus den USA über die 400 reichsten Milliardäre gemäss dem Magazin «Forbes» schätzte, dass US-Gliedstaaten mit Erbschaftssteuer als Folge dieser Steuer etwa einen Drittel der Milliardäre verloren hatten – und dies bei Spitzensteuersätzen um 16 Prozent.

Amerikanische Gliedstaaten sind flächenmässig im Mittel grösser als die Schweiz, doch die Hürden für einen Wohnsitzwechsel von der Schweiz ins Ausland mögen höher sein. Allerdings sind die Reichsten auch international besonders mobil, und der 50-Prozent-Satz der Juso-Initiative liegt weit über den besagten 16 Prozent in US-Staaten. Für den Wirtschaftsprofessor Brülhart ist deshalb zunächst nicht einmal klar, ob die geforderte Erbschaftssteuer per saldo wesentliche Mehreinnahmen brächte.

Laut Brülharts Schätzung dürften zurzeit pro Jahr in der Schweiz etwa 90 Milliarden Franken vererbt oder verschenkt werden. Die Initianten rechnen mit jährlichen Erträgen aus der Erbschaftssteuer von etwa 6 Milliarden Franken, der Bundesrat spricht von einer theoretisch «einstelligen Milliardenzahl». Eine neue Steuer wird Zusatzerträge bringen, doch im Gegenzug könnten wegen des Rückgangs beim Bestand von Superreichen in der Schweiz die Erträge aus Einkommens- und Vermögenssteuer sinken. Ohnehin könnte es Reformdiskussionen bei den kantonalen Vermögenssteuern geben. Die Kombination von hoher Erbschaftssteuer und breiter Vermögenssteuer wäre im globalen Kontext speziell.

Aus dem Milchbüchlein

Gemäss der Vermögenssteuerstatistik betrug 2020 das Total der versteuerten Reinvermögen in der Schweiz rund 2260 Milliarden Franken. Gut ein Drittel davon entfiel auf Vermögen über 10 Millionen – aufgeteilt auf knapp 20 000 Pflichtige (0,36 Prozent aller Pflichtigen). Laut ersten groben Schätzungen dürften etwa 2000 Steuerpflichtige in der Schweiz ein Reinvermögen über 50 Millionen Franken ausweisen. Diese Gruppe könnte zusammen ungefähr einen Fünftel der gesamten versteuerten Reinvermögen ausmachen.

Für eine nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer käme man nach Abzug des verlangten Freibetrags von 50 Millionen Franken auf einen zu versteuernden Anteil von vielleicht etwa 15 Prozent aller Erbschaften/Schenkungen. Dies ergäbe bei einem Erbschaftsvolumen von 90 Milliarden Franken ein Steuersubstrat von 13 bis 14 Milliarden pro Jahr – und mit Steuersatz von 50 Prozent jährlich 6 bis 7 Milliarden Franken Steuererträge ohne Verhaltensänderungen. Zum Vergleich: Die kantonalen Vermögenssteuern brachten 2021 total knapp 9 Milliarden Franken und die kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern 1,4 Milliarden.

Käme eine Wegzugssteuer?

Die Volksinitiative fordert «die Verhinderung von Steuervermeidung». Näher ausgeführt ist dies weder im Initiativtext noch in den Erläuterungen dazu. Streng genommen ist diese Forderung nicht umsetzbar: Steuervermeidung (die nach geltendem Recht legal ist) wird sich nie ganz verhindern lassen.

Wie man die Forderung ein Stück weit umsetzen könnte, will der Bund noch nicht sagen. Denkbar wäre eine Wegzugsbesteuerung für die Reichsten ab 50 Millionen Franken im Umfang der potenziellen Erbschaftssteuer. Das käme faktisch nahe an eine Enteignung heran oder an ein Einsperren der Reichsten im eigenen Land. Ob dies verhältnismässig wäre, gäbe es zu klären. In einer abgeschwächten Variante würde die Bezahlung einer Wegzugssteuer bis zum Tod des Betroffenen aufgeschoben.

Die neue Steuer soll laut der Initiative sofort nach dem Volks-Ja greifen – zwecks Vermeidung von schnellen Wegzügen Betroffener. Faktisch würde dies zu einer Rückwirkung der erst später kommenden Umsetzungsbestimmungen von vielleicht ein bis drei Jahren führen. Auch hier würde sich die Frage der Verhältnismässigkeit stellen.

Doch auch mit solch drastischen Massnahmen werden sich Verhaltensänderungen nicht vermeiden lassen. Denkbar sind etwa frühere Wegzüge noch vor dem Erreichen der 50-Millionen-Grenze und vor allem ein massiver Rückgang von Zuzügen der Reichen. Fast die Hälfte der 300 Reichsten in der Schweiz gemäss «Bilanz»-Liste sind Ausländer. Wer will noch in ein Land ziehen, das man nur zu hohen Kosten wieder verlassen kann?

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