Freitag, November 29

Der neue Stromer fällt durch einen Volvo-entwickelten Zentralrechner und moderne Assistenzsysteme auf. Er ist bereits für autonomes Fahren vorbereitet, aber noch nicht dafür zugelassen.

Volvo konzentriert sich wie viele Autohersteller immer mehr auf Elektrofahrzeuge mit Antriebsbatterie. Nun lanciert der schwedisch-chinesische Hersteller eine elektrische Variante seiner SUV-Baureihe XC90 mit der Bezeichnung EX90.

Bemerkenswert ist dabei eine Neuentwicklung, auf die der Volvo-CEO Jim Rowan besonders stolz ist. «Der EX90 ist der erste Volvo mit einem von uns entwickelten Zentralrechner», erklärt der ehemalige Dyson-Chef, seit 2022 CEO des Autobauers. Der Core-Computer steuert die gesamte Elektronik der Fahrsysteme und stammt in der Autoindustrie meist von Zulieferern.

Es war dem Schotten wichtig, in diesem Bereich dem grossen Vorbild Tesla zu folgen. Damit verfügt Volvo über eine in allen künftigen E-Modellen verwendbare Eigenleistung, die Hersteller wie VW ihren Kunden nicht bieten.

Die technologische Basis liefern Plattformen von Nvidia und Qualcomm, die Anwendungssoftware entwickelt Volvo selbst. Der Hersteller verspricht sich davon «ein reaktionsschnelleres und komfortableres Fahrerlebnis». Als Betriebssystem fürs Infotainment fungiert Android Automotive, wie bereits in bestehenden Volvo-Modellen.

Das gut fünf Meter lange SUV entstand mit Blick auf die nordamerikanische Kundschaft und ist entsprechend grosszügig gestaltet. Das Karosseriedesign folgt dem automobilen Zeitgeist, grosszügige Flächen werden nur von wenigen Kanten unterbrochen. Wie es für ein Elektroauto typisch ist, verzichtet auch der EX90 an der Front auf einen grossen Kühlergrill. Der Innenraum profitiert bei der Raumausnützung vom fast drei Meter langen Radstand und lässt sich auf Wunsch mit fünf, sechs oder sieben Sitzen in bis zu drei Reihen bestellen.

Für das autonome Fahren bereits vorbereitet

Das neue Elektroauto verfügt bereits über technische Details wie einen oberhalb der Frontscheibe integrierten Lidar-Sensor. Mit ihm und weiteren eingebauten Systemen ist der EX90 bereits für das hochautomatisierte Fahren vorbereitet. Der Kunde kauft somit ein Fahrzeug, das deutlich mehr könnte, als es heute darf. Erst zu einem späteren Zeitpunkt lassen sich bestimmte Funktionen gegen Aufpreis freischalten, wenn es bei Volvo genügend Erfahrungsdaten gibt.

Marten Wahlstedt, Projektleiter beim neuen E-SUV, verrät: «Wir sammeln mit dem Auto während der Fahrt jede Menge Daten, aber wir wissen heute noch nicht genau, wie wir sie verwenden wollen.» Das Produkt folgt dem Bananenprinzip und erlangt erst beim Kunden mit der Zeit die gewünschte Anwendungsreife.

Zur Wahl stehen zwei unterschiedlich starke Allradversionen mit je einem E-Motor an Vorder- und Hinterachse, wobei die Kraft variabel zwischen den beiden Achsen verteilt wird. Das Basismodell verfügt über 300 kW (408 PS) Leistung und ein maximales Drehmoment von 770 Nm. Die Version Performance leistet 380 kW (517 PS) und bietet bis zu 910 Nm Kraft.

Beide Varianten sind mit einer Antriebsbatterie gleicher Grösse ausgestattet, die 107 kWh nutzbare Kapazität bietet. Sie schafft eine nach WLTP-Zyklus gemessene Reichweite von 614 Kilometern. In der Praxis dürften es regelmässig mehr als 500 Kilometer mit einer Batterieladung sein. Dank einer maximalen Ladeleistung von 250 kW sind rasche Nachladevorgänge an der Schnellladesäule möglich. Zudem bietet der EX90 als erster Volvo die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens: Der Akku kann also auch als Stromlieferant für den Hausstrom dienen.

Als Einstiegsversion gibt es eine heckgetriebene Variante mit nur einem Elektromotor, die 205 kW (279 PS) leistet, auf dem Schweizer Markt jedoch eine untergeordnete Rolle spielen dürfte.

Die Sitze des EX90 sind auf allen Plätzen straff, aber bequem und verfügen vor allem bei Fahrer und Beifahrer über ausreichenden Seitenhalt. Die Bedienung des Cockpits ist für den Fahrer einfach und ergonomisch gestaltet. Das zentrale Hochkant-Display in der Mittelkonsole verfügt über eine verbesserte Gestaltung und bessere Ablesbarkeit als in früheren Volvo-Modellen. Zusätzlich sorgt ein kleineres Display, das auf der Lenksäule angebracht ist, für die wichtigsten Fahrinformationen.

Modernes Fahrwerk sorgt für hohen Komfort

Erste Testfahrten in Kalifornien zeigen, dass der neue Stromer gut mit den Bedingungen auf Highways, in der Stadt und auf kurvigen Küstenstrassen zurechtkommt. Er ist komfortabel ausgelegt und profitiert von einer Zweikammer-Luftfederung. Diese gleicht blitzschnell Wankbewegungen der Karosserie aus und ermöglicht eine fast erschütterungsfreie Fahrt.

Es fällt während der Fahrt im allradgetriebenen EX90 auf, wie gut die Regelung der Traktionsverteilung funktioniert. Selbst an der Vorderachse kommen die Räder nie an die Haftungsgrenze, auch wenn die variable Momentenverteilung zwischen den Antriebsrädern nur an der Hinterachse gewährleistet ist.

Der für die Testfahrten bereitgestellte EX90 Performance bietet mehr als genug Leistung und Drehmoment, um den bis zu 2,7 Tonnen schweren Stromer leichtfüssig zu bewegen. Er dürfte auch in Europa seine Kundschaft finden. Das Topmodell kostet ab 113 750 Franken, doch dürfte auch die Version mit 408 PS genügen, um das grosse SUV auch auf der Passfahrt schwungvoll voranzubringen. Die ab 97 450 Franken erhältliche Heckantriebversion dürfte jedoch für häufige Gebirgsfahrten etwas untermotorisiert sein.

Gebaut wird der EX90 seit Anfang 2024 im Volvo-Werk in der Nähe von Charleston im amerikanischen Gliedstaat South Carolina. Dort sollen pro Jahr bis zu 150 000 Fahrzeuge vom Band rollen. Der Volvo-Chef Rowan zeigt sich überzeugt: «Dieses Fahrzeug ist der Beginn einer neuen Ära für Volvo.» Ob dies auch auf die Verkaufszahlen zutrifft, dürfte sich spätestens dann zeigen, wenn die gleich grossen XC90-Versionen mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.

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