Kaffee zu ordern, ist das Einfachste der Welt – theoretisch. In der Praxis hingegen kann sich die Kundschaft schon einmal verlieren vor lauter Fachsimpelei.
Das Wort Cappuccino streicht man am besten für alle Zeiten aus seinem Wortschatz, führt es doch entweder zu Missverständnissen oder lässt den Besteller in einem fahlen Licht leuchten. Wer etwa in Frankreich Cappuccino verlangt, wird vom Kellner sogleich als dummer Ausländer eingestuft und bekommt, ob er will oder nicht, einen Café au Lait. Wer dagegen auf Mallorca Cappuccino bestellt, outet sich als Mensch mit zu viel Geld. Es gibt hier eine Gastro-Kette, die genau so heisst und sehr viel verlangt für mässig guten Milchkaffee und viel zu süssen Kuchen.
Auch in Italien ist der Cappuccino nicht so selbstverständlich, wie das italienische Wort suggeriert. Schlechter Kaffee ist zwischen Turin und Palermo zwar weniger üblich als in der Schweiz, und die Preise liegen kilometerweit unter jenen der Zürcher Luxushotellerie, die sich allmählich traut, die Zehn-Franken-Grenze zu durchbrechen. Doch wer nach dem Mittag- oder Abendessen in einer Trattoria an der Riviera Cappuccino bestellt, macht sich erstens unbeliebt und zweitens erkennbar als Nichtkenner mediterraner Kaffeegewohnheiten. Cappuccino, dessen Name von der braunen Kutte der Kapuzinermönche abgeleitet wurde, gilt als Frühstück. Basta!
Darf’s etwas Spiced Pumpkin sein? Gott bewahre!
Apropos unbeliebt. Alle, die bei Starbucks oder anderen zu Unrecht als fancy geltenden Kaffeeläden einen Americano erbitten, werden schief angeschaut. Bei denen lassen sich all die vom Marketing ausgetüftelten Kreationen (Spiced Pumpkin – übersüsst und überteuert) ebenso an Mann oder Frau bringen wie die Upselling-Techniken der Branche («darf’s ein Shot mehr sein?»). Selbst in Bangkok veralbert man die Touristen, indem man ihnen Kopi Luwak aufs Auge drückt, den grotesk teuren Kaffee mit dem unvergleichlichen Aroma von Schleichkatzen-Magensekreten. Wer diesen fermentierten Kaffee kauft, hat es freilich verdient, betrogen zu werden.
Tatsächlich ist simpler Americano oft die beste Wahl, vor allem dann, wenn der Filter aus einer French Press oder, fast noch besser, aus einer Chemex besteht. Dass man solche Serviceformen weder in der deutschen noch in der österreichischen Gastronomie allzu häufig findet, wirft ein unschönes Schlaglicht auf die hiesige Kaffeekultur. Warum dem Kunden etwas Besonderes bieten, sagen sich die Wirte, wenn es auch der Knopfdruck an der Maschine tut? Es gibt noch zu viele Vollautomaten in der Schweiz. Gerade in der Hotellerie.
Flat White – was ist das?
In den Städten sieht es freilich anders aus. Gerade in Zürich, von der «Financial Times» als Weltklasse-Kaffeemekka gelobt, hat sich in den letzten Jahren der Flat White ausgebreitet, also jene Cappuccino-Alternative mit in der Regel weniger stark aufgeschäumter Milch und einem Espresso-Shot mehr. Sollte die Kundschaft bei dessen Bestellung dann noch die gestellte Frage nach Röstung («dunkel oder hell?») und Aroma («fruchtig, nussig oder schokoladig?») und jene nach der gewünschten Herkunft der Bohnen korrekt beantworten, darf sie sich vollends zum Kreis der Connaisseurs zählen und eine Summe in die Kreditkartenmaschine tippen, für die er andernorts ein ganzes Essen bekäme. Rechnen Sie mit mindestens sechs Franken.
Noch mehr Eindruck bei den Umherstehenden kann der Kaffee-Aficionado durch offensives Nachfragen schinden. «Haben Sie was aus dem kenyanischen Hochland da?» klingt zumindest nach Kennerschaft. Wichtiger wäre allerdings die Frage nach dem Röstdatum, denn auch die besten Bohnen verlieren ab dem Datum des Erhitzens rasant an Aroma.
Wiener Kaffee – eine Geschichte für sich
Es ist natürlich eine Legende, dass jeder Kaffee in Rom gut schmecke und in Paris ausschliesslich Ungeniessbares in die Tasse komme. Hier wie da kommt es darauf an. Für Österreich gilt Ähnliches. Man kann sich so gut auskennen, wie man will, der Ober eines Wiener Kaffeehauses wird schon auf hundert Meter den Touristen erschnuppern. Also ist es eigentlich ganz egal, wie und was man bestellt – absolut richtig machen kann es niemand, der nicht in der siebten Generation im Dunstkreis des Praters aufwuchs.
Warum also nicht gleich einen Fiaker nehmen? Den tranken einst die Kutschenfahrer, um Wärme und Laune aufrecht zu halten. Neben Kaffee ist auch Schnaps drin, meist Schlagrahm, oft Zucker. Der Fiaker ist aufgrund von Fett, Kohlenhydraten und Alkohol in Verbindung mit reichlich Koffein die wahrscheinlich politisch unkorrekteste Kaffeespezialität der Welt. Aber gerade deswegen eine unentbehrliche Attraktion und perfekt für alle, die sich bei der Kaffeebestellung nicht an Moden halten wollen.