Mittwoch, Oktober 9

André Wyss stieg nach einer Berufslehre zum Chemikanten erst die Karriereleiter beim Pharmakonzern Novartis auf. Seit knapp sechs Jahren ist er CEO des Bauriesen Implenia. 2026 soll der flexible Manager das Präsidium bei den SBB übernehmen.

André Wyss zieht es vom Bau auf die Schienen. Wie am Mittwoch bekanntwurde, wird der bekannte Schweizer Manager per Ende März 2025 als Konzernchef von Implenia zurücktreten. Danach soll er in den Verwaltungsrat der SBB gewählt werden und nach einem Jahr die derzeitige Präsidentin Monika Ribar ersetzen. Ribar, auch sie eine erfahrene Managerin, wird wegen der Amtszeitbeschränkung 2026 aus ihrem Amt ausscheiden.

Langjährige Laufbahn bei Novartis

An der Spitze des grössten Schweizer Bauunternehmens Implenia steht der heute 57-jährige Wyss seit Oktober 2018. Zuvor war er über 30 Jahre lang für den Pharmakonzern Novartis beziehungsweise für die Vorgängerfirma Sandoz tätig gewesen, die 1996 mit dem Konkurrenten Ciba-Geigy fusioniert hatte.

Wyss hat eine Bilderbuchkarriere absolviert. Ganz am Anfang seiner Laufbahn stand – bei Sandoz – die Berufslehre zum Chemikanten. Fünf Jahre nach seinem Lehrabschluss absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV).

Dies ebnete ihm zusammen mit dem Besuch von Seminarien an der Harvard Business School ab 1996 bei der frisch gebildeten Firma Novartis den Weg ins Management. Er stieg dort bis in die Konzernleitung auf, nachdem er zuvor diverse Funktionen unter anderem als Leiter des US-Geschäfts sowie als Verantwortlicher der pharmazeutischen Produktion in Europa bekleidet hatte.

Seine letzte Station beim Basler Pharmariesen war, von 2016 bis 2018, die Führung der Konzerneinheit Operations. Damit zeichnete Wyss nicht nur für die gesamte Produktion, sondern auch für den weltweiten Einkauf, die IT sowie das Personal- und Rechnungswesen verantwortlich.

Beendigung von Auslandabenteuern

Mit dem Übertritt zu Implenia vollzog der gebürtige Fricktaler, der in Bottmingen wohnt, nicht nur den Wechsel in die Rolle des CEO. Er musste sich auch in einer neuen Branche beweisen. Doch Wyss gab sich keine Blösse und führte das Unternehmen mit sicherer Hand.

Dabei setzte er durch, dass sich der Konzern aus weiteren Auslandmärkten zurückzog, in die Implenia unter seinem risikofreudigen Vorgänger Anton Affentranger, einem ehemaligen Banker (Schweizerische Bankgesellschaft, Lombard Odier), vorgestossen war.

Die Nachfolge von Wyss als Implenia-Chef wird Jens Vollmar übernehmen. Mit seiner Wahl hat sich der Baukonzern, dessen Verwaltungsrat nach wie vor unter der Leitung des ehemaligen Credit-Suisse-Managers Hans-Ulrich Meister steht, für eine interne Lösung entschieden. Der Süddeutsche aus Grenzach-Wyhlen, der als 40-Jähriger 17 Jahre jünger als Wyss ist, arbeitet sei gut zehn Jahren für Implenia. Seit 2019 steht er der Hochbausparte des Unternehmens (Buildings) vor.

Reich an Selbstvertrauen

An der Halbjahreskonferenz von Implenia äusserte sich Wyss überzeugt davon, seinem Nachfolger ein «optimal» aufgestelltes Unternehmen zu hinterlassen. Die Wortwahl zeugt von viel Selbstvertrauen, das der Manager auch in seiner künftigen Rolle als SBB-Präsident gut gebrauchen wird.

Tatsächlich schaffte es Wyss, bei Implenia für eine stabile Entwicklung zu sorgen. Anders als früher leistete sich die Firma unter seiner Leitung kaum mehr Projekte, die hohe Verluste verursachten, weil Kosten falsch kalkuliert und Gegenmassnahmen nicht rechtzeitig ergriffen worden waren.

Implenia konzentrierte sich sowohl im Hoch- wie auch im Tiefbau auf grosse komplexe Bauvorhaben wie Spitäler, Laborgebäude, Tunnels und Brücken, bei denen es auf Spezialkenntnisse ankommt und die Konkurrenz vergleichsweise gering ist.

Zudem wurde der Konzern dank der letztjährigen Übernahme von Wincasa verstärkt in der Immobilienbewirtschaftung tätig, die höhere Margen als das Baugeschäft ermöglicht.

Konkurrenten von Implenia arbeiten profitabler

Im zurückliegenden ersten Semester nahm der Umsatz trotz der schwierigen Situation, in denen sich wegen stark gestiegener Kosten weite Teile des Bausektors nicht nur in der Schweiz, sondern im gesamten Europa befinden, um 1 Prozent auf 1,7 Milliarden Franken zu. In Lokalwährungen erreichte das Wachstum knapp 3 Prozent.

Die Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) verharrte bei 2,9 Prozent. Damit blieb Implenia aber nach wie vor ein Stück weit von den mittelfristig angestrebten über 4,5 Prozent entfernt. Für gewisse ausländische Konkurrenten wie Strabag und Webuild ist dieser Zielwert bereits in Griffweite gerückt.

Wertvolle Erfahrungen auch für die SBB

Bei den SBB dürfte Wyss auch von seiner Erfahrung profitieren, die er in den vergangenen Jahren beim Management grosser Bauprojekte gesammelt hat. Die SBB müssen selbst zahlreiche Vorhaben bei der Erneuerung und Expansion ihres Schienennetzes stemmen.

Ribar hat sich beim Bahnausbau spät, aber pointiert in die Diskussion eingebracht. Wyss mit seinem Hintergrund in der Baubranche sind neue Impulse zuzutrauen. Implenia war etwa am Bau des Gotthard-Basistunnels beteiligt.

Für die SBB geht es darum, dass die Politik dort Ausbauten beschliesst, wo auch ein Bedarf besteht. Die zunehmende Abhängigkeit von Bundesgeldern macht es jedoch nicht einfacher, sich Gehör zu verschaffen.

Ein weiteres wichtiges Standbein des bundeseigenen Unternehmens sind die Immobilien. Viele Bahnhöfe sind zu Einkaufszentren an bester Lage geworden. Wyss bringt auch in diesem Bereich wertvolle Erfahrungen mit, wobei die SBB die Erwartungen der Öffentlichkeit mitberücksichtigen müssen.

Weg von immer mehr Subventionen

Betrieblich sind die Bundesbahnen zwar gegenwärtig gut aufgestellt. Die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind hoch. Unternehmerisch bleiben die Herausforderungen aber gross.

Das Fordern von immer mehr Subventionen sei zur DNA der Branche geworden, kritisierte der langjährige Direktor des Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler. Die Bundesbahnen sind hochverschuldet und müssen höhere Einnahmen erzielen. Die Gütersparte bleibt ein Sorgenkind. Nun sollen es befristete Subventionen für den Verkehr mit einzelnen Wagen und Wagengruppen sowie für die Umstellung auf die digitale, automatische Kupplung richten. Für SBB Cargo ist es wohl der letzte Versuch, den Güterverkehr in den nächsten Jahren auf eine tragfähige Basis zu stellen.

Auch die amtierende Verwaltungsratspräsidentin kam aus der Privatwirtschaft zu den SBB. Die Bundesbahnen bewegen sich unternehmerisch allerdings in einem engen Korsett. Den Fernverkehr betreiben sie eigenwirtschaftlich, aber nach den Vorgaben des Konzession des Bundes, etwa zum Mindestangebot.

Mehr unternehmerischen Spielraum haben die SBB im internationalen Fernverkehr, der für die Konkurrenz geöffnet werden soll. Ribar verteidigt das heutige Modell der Kooperation mit den Partnerbahnen aus den Nachbarländern der Schweiz. Spielraum für neue Direktverbindungen, die die SBB selber anbieten, sieht die Verwaltungsratspräsidentin wenig, wie sie im Interview mit der NZZ sagte. Ob Wyss hier neue Akzente setzen wird, muss sich zeigen.

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