Die Französin Lucie Thiéblemont hat im berühmten Anbaugebiet Chablis ihr eigenes Weingut gegründet und aufgebaut. Vorher hatte die heutige Winzerin als Köchin eines Restaurants gearbeitet, das mit drei Michelin-Sternen dekoriert ist. Ihre Weissweine sind eine Entdeckung.
Chablis steht für geradlinige, mineralische Weissweine aus Chardonnay. Die hervorragenden Crus aus diesem französischen Anbaugebiet im Nordosten des Landes sind weltweit begehrt. Daher sind auch die Preise wie fast überall im Burgund teilweise stark gestiegen. Die Winzerin Lucie Thiéblemont hatte das Glück, einige Parzellen in dieser begehrten Region übernehmen zu können. Sie baute ihr eigenes Weingut auf – mithilfe ihres Ehemanns Charly Nicolle, der aus einer Winzerfamilie stammt und seit 2001 ebenfalls einen Betrieb führt.
Zu Beginn ihrer beruflichen Karriere deutete nichts auf einen önologischen Weg hin. Die heute 42-Jährige studierte Politikwissenschaften und arbeitete danach in den französischen Botschaften in Neuseeland und Iran. Im Alter von 27 Jahren entschloss sich Thiéblemont, eine Ausbildung in einer Kochschule zu beginnen. Dann folgte ein Engagement im Dreisternerestaurant La Côte Saint-Jacques – eine bereichernde, aber auch anstrengende Arbeit: «Ich war die einzige Frau im Team, und die oftmals Macho-geprägte Umgebung behagte mir immer weniger», so erinnert sich Thiéblemont zurück.
So kam der Ruf ihres Ehemanns, in seiner Domaine mitzuarbeiten, gerade rechtzeitig. Für Lucie Thiéblemont war und ist es weiterhin wichtig, mit unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammenzuarbeiten. Diesbezüglich biete der Wein viele Möglichkeiten, sagt die Winzerin: «Edle Tropfen überschreiten die Grenzen.» Wie wahr – und glücklicherweise sind ihre Chablis-Weine seit kurzem auch in der Schweiz erhältlich.
Thiéblemont will Crus mit einer feinen Mineralität, Salzigkeit und Frische keltern, aber auch mit einem gewissen Reichtum und gutem Druck im Gaumen. Im Keller interveniert sie bei der Vinifikation so wenig wie möglich, lässt aber den Wein möglichst lange auf der Hefe liegen, ein Jahr im Minimum. «Das Ziel besteht stets darin, möglichst ausgewogene Weine zu produzieren», hebt die Winzerin hervor. Um gleich anzufügen: Perfekt reife Trauben seien dafür zwingend nötig. Thiéblemont arbeitet in den Rebbergen so nachhaltig wie möglich. Sie stellt gerade auf die Bioproduktion um, das ist aber in einem feuchten Jahr wie 2024 eine komplizierte Angelegenheit.
Mit dem Chardonnay ist in Chablis eine der grossen Weisswein-Rebsorten heimisch. Sie drücke die Lage perfekt aus, hebt Thiéblemont hervor. Die Böden bestehen im Wesentlichen aus Kalkstein und Ton. Die Winzerin mag die Traube, weil sie nicht zu aromatisch sei und bestens in das gemässigte Klima das Anbaugebiets passe. In der Tat überzeugen ihre Weine mit einer eher kühlen Aromatik und einer grossartigen Spannung. Der Ortswein Chablis 2022 zeigt sich trocken, frisch, schlank, puristisch, mineralisch und mit einer schönen Länge (25 Franken). Der Chablis Premier Cru Les Fourneaux 2022 ist ein komplexer, intensiver, generöser und mit mineralischen Finessen ausgestatteter Weisswein – ein idealer Begleiter zu Fischgerichten und hellem Fleisch (35 Franken; beide Weine über weibelweine.ch).
Neue Rebberge in Chablis zu erwerben, ist äusserst schwierig geworden, namentlich in den Premier-Cru- sowie den Grand-Cru-Lagen. «Man braucht grosse finanzielle Mittel», sagt Lucie Thiéblemont bedauernd. Sie hat mit ihrem Ehemann Charly andere Projekte, etwa eines, um einen Bourgogne blanc im weniger renommierten Anbaugebiet Yonne zu produzieren. Es befindet sich ausserhalb von Chablis. Das Weinabenteuer der zweifachen Mutter hatte ebenfalls in einer unbekannten Gegend begonnen. Aus Tonnerre kam ihr erstes Gewächs, ein prickelnder Crémant de Bourgogne aus Pinot noir. Egal ob Winzer oder Konsument: Wer im Burgund preislich vernünftige Weine erzeugen will oder sucht, weicht am besten in weniger prestigeträchtige Gegenden aus. Immerhin: Die Chablis-Weine von Thiéblemont kosten noch nicht alle Welt.