Dienstag, April 29

Das Ende der Pax Americana ist eingeläutet. Die jahrzehntelange Ausrichtung von Exporten und Finanzströmen aus aller Welt auf das imperiale Zentrum ist damit überholt. Die Rückkehr der Nationalstaaten und einer multipolaren Weltordnung machen die Diversifikation wieder grossartig.

Künftige Historiker werden sich darüber streiten, was den Untergang der «Pax Americana» herbeigeführt hat, des globalen Friedens unter dem Auge der USA als «wohlwollender Hegemon». Die naheliegende Argumentation, alles sei nur das mutwillige Werk von Donald Trump, greift zu kurz und ist dem politischen Lagerdenken geschuldet.

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Längerfristige historische Trends sind am Werk. Auch über die Gründe für das Ende des Römischen Reiches wird heute noch debattiert. Gewisse Parallelen der USA zum alten Rom sind unverkennbar:

  • Das Imperium hat Mühe, den Frieden aufrechtzuerhalten. Die USA können die Aggression Russlands an der Ostgrenze nicht eindämmen. Und es erscheint zunehmend zweifelhaft, ob Amerika den Inselstaat Taiwan ernsthaft gegen China verteidigen könnte. Die Vasallenstaaten des Imperiums müssen sich überlegen, wie sie notfalls alleine zurechtkommen.
  • Die Wehrtüchtigkeit des Imperiums lässt nach. Die US-Armee erfüllt seit Jahren ihre Rekrutierungsziele nicht mehr. Viele Rekruten sind Einwandererkinder. Der Dienst in Uniform wird von den alteingesessenen Eliten als etwas für Verlierer aus «Fly-over Country» angesehen. Der letzte US-Präsident, der aktiv Dienst geleistet hatte, war George Bush Senior, der 1992 abgewählt wurde.
  • Das Imperium kann die Handelswege nicht sichern. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs garantierte die US-Navy die Seewege und ermöglichte damit die zweite grosse Globalisierungswelle des Handels nach der Pax Britannica des 19. Jahrhunderts, welche im Ersten Weltkrieg untergegangen war. Heute bekundet die US-Navy beträchtliche Mühe, nur schon mit den Houthi-Milizen im Jemen fertig zu werden. Diese gewinnen mit einfach gebauten Drohnen für ein paar Tausend Dollar die Abnützungsschlacht im Roten Meer gegen die Navy, welche mit ihren millionenteuren Raketen aus Mangel an Vorräten bereits haushalten muss. Die chinesische Flotte wächst zudem rapide und ist, was die Zahl der Schiffe angeht, bereits grösser als die amerikanische. Die USA verfügen kaum noch über Schiffswerften. Chinas Werftkapazitäten sind 200 Mal grösser.
  • Die Kernlande des Imperiums sind wirtschaftlich ausgehöhlt. In einem Imperium, das den Frieden und die Handelswege aufrechterhält, ist es egal, woher die Güter für die Konsumenten in den Kernlanden stammen. Der im Zentrum konzentrierte Reichtum führt dazu, dass die Abhängigkeit von in den Provinzen billig hergestellten Waren mit der Zeit wächst. Die Produktion in den Kernlanden ist nicht mehr wirtschaftlich und verlagert sich in die Peripherie. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der US-Industrieproduktion an der Welt gemäss UN-Statistiken noch 25% und war damit drei Mal so gross wie der Anteil Chinas. Heute ist die Industrieproduktion Chinas doppelt so gross wie diejenige der USA.
  • Die Währung des Imperiums wankt. Der Dollar war seit der Konferenz von Bretton Woods 1944 die unbestrittene Weltwährung. Fast alle Länder waren gerne bereit, ihren Handel auch untereinander in Dollar abzuwickeln und den Greenback als Reservewährung zu halten. Doch wenn in den Provinzen Bedenken bezüglich der Wehrtüchtigkeit oder des Verteidigungswillens des Imperiums aufkommen, leidet das Vertrauen in seine Währung. Kommen dann noch Zweifel an der Zahlungsfähigkeit oder der Rechtssicherheit des Imperiums hinzu, erfolgt zwangsläufig die Suche nach Alternativen. Das Horten von Gold ist ein beliebter Ausweg, wenn das Vertrauen in Währungen schwindet.
  • Das Imperium ist überschuldet. Teure Kriege in der entlegenen Peripherie und vor allem die steigenden Ansprüche der Bürger im Zentrum in Sachen Brot und Spiele haben zu einer massiven Überschuldung des US-Staatshaushalts geführt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte geben die USA mehr Geld für Schuldzinsen als für die Armee aus. Damit wachsen die Zweifel an der militärischen Leistungsfähigkeit und die Gefahr von Währungsabwertungen – was wiederum das Halten der Währung weniger attraktiv erscheinen lässt und den Prozess beschleunigt.
  • Kulturelle Dekadenz und interne Zerstrittenheit bedrohen das Imperium. Der anhaltende «Culture War» um die gesellschaftlichen Werte, der Streit darüber, was überhaupt den Kern und die Rolle des Landes in der Welt ausmacht sowie zunehmend gehässiger geführte Wahlkämpfe bis hin zur totalen Verteufelung des politischen Gegners bedrohen den internen Zusammenhalt der USA.

Der rasche Wechsel des Trends an den Märkten vom Hochgesang auf den «American Exceptionalism» nach Trumps Wiederwahl im November hin zu Zweifeln auf breiter Front an der Zuverlässigkeit des Landes, seiner Währung und seiner Aktienmärkte mag abrupt erscheinen. Doch solche Stimmungsumschwünge sind in an den Finanzmärkten wie auch in der Politik nicht ungewöhnlich. Oft handelt es sich um schon seit geraumer Zeit anhaltende fundamentale Trends, die einfach lange Zeit ignoriert wurden oder es galt als lächerlich oder gar moralisch tabu, diese Entwicklungen anzusprechen.

Dann genügt ein einzelnes Ereignis oder eine Beobachtung und alle sehen auf einen Schlag, was für alle anderen auch offensichtlich geworden ist. Es ist danach nicht mehr möglich, das Gesehene ungesehen zu machen.

Ein Beispiel für diesen Effekt war die Wahlkampfdebatte zwischen Joe Biden und Donald Trump im vergangenen Juni. Natürlich hatten viele Leute schon vermutet, dass Biden mit Altersdebilität kämpft. Andere waren davon überzeugt, hielten es aber nicht für opportun, diese Meinung zu äussern, da man dafür als «rechtsextremer Verschwörungstheoretiker» angesehen werden konnte.

Erst als mit der TV-Debatte für alle offensichtlich wurde, dass Biden debil ist und dass es auch alle anderen gesehen haben mussten, dass er debil ist, konnte jeder dazu stehen und einen Austausch des Kandidaten fordern. Solche Kipp-Effekte, wo plötzlich alle sehen, dass der Kaiser keine neuen Kleider trägt und es auch alle anderen wissen müssen, sind an den Finanzmärkten nicht selten und meist von grösserer Tragweite.

Das Ende der USA als imperiales Zentrum, das die Sicherheit seiner Vasallen garantiert, ist nun offenbar geworden. Das Ende des US-Dollars als unbestrittene Reservewährung der Welt steht ernsthaft zur Diskussion. Das simple aber höchst erfolgreiche Rezept zu Outperformance über die vergangenen 15 Jahre gerät ebenfalls ins Wanken: einfach möglichst viel Geld in US-Aktien, vorzugsweise Tech, zu investieren.

Die Implikationen dieser Beobachtung sind weitreichend. Wie wir in den turbulenten ersten April-Tagen bereits gesehen haben, nehmen die Korrelationen der globalen Finanzmärkte mit dem US-Markt ab. Die Peripherie entkoppelt sich vom imperialen Zentrum. Teilweise wurden die Korrelationen sogar negativ und US-Treasuries sowie der Dollar erfüllten nicht mehr ihre historische Funktion als «sicherer Hafen» in der Krise. Dies alles spricht dafür, dass in Zukunft richtige Diversifikation weg von Amerika-überlastigen Portfolios wieder lohnend oder sogar erfolgsentscheidend wird.

Das bedeutet aber nicht, dass die USA bald ihren Status als Supermacht und globale Leitkultur verlieren werden. Das Römische Reich und das Britische Imperium verschwanden ebenfalls nicht über Nacht. Britische Aktien waren trotzdem noch lange und teilweise bis heute ein lohnendes Investment. Wir gehen deshalb weiterhin auf die Suche nach attraktiven US-Aktien. Vorsichtiger sind wir dagegen beim Halten von US-Anleihen und unnötiger Dollar-Liquidität.

Peter Frech

Der studierte Psychologe Peter Frech ist Value-Investor aus Überzeugung und Leidenschaft. Seit 2007 arbeitet er als Fondsmanager beim Schweizer Vermögensverwalter Quantex in Zürich und ist für den Global Value und den Strategic Precious Metal Fund verantwortlich. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Geschichte, Strategiespielen und dem Piano.

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