Der Leihspieler aus München deutet bei den Grasshoppers an, warum er als Toptalent gilt. In der Schweiz will sich der Australier weiter verbessern, um sich für die Bayern zu empfehlen.

Als Nestory Irankunda im Januar in Sion für die Grasshoppers debütiert, ist rasch klar, warum der FC Bayern München vor einem Jahr 3 Millionen Euro für den 18-Jährigen nach Adelaide in Australien überwiesen hat. Antrittsschnell, schlitzohrig, mit Durchsetzungskraft gesegnet wirbelt ein Spieler über den Platz, den die seltene Aura des grossen Versprechens umgibt. Das Versprechen, dereinst in einem europäischen Spitzenklub zur Attraktion zu werden.

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Zwei Monate später öffnet Irankunda die Tür zur neu eröffneten GC-Geschäftsstelle an der Schifflände in der Zürcher Innenstadt. Einen Shake in der einen, das Umhänge-Täschchen in der anderen Hand, grüsst er in braunen Tracksuit-Klamotten seines persönlichen Ausrüsters. In jedem Spiel für GC stand Irankunda in der Startformation, er holte drei Penaltys heraus, gab drei Torvorlagen, nur getroffen hat er noch nie. Vielleicht klappt es am Sonntag im Derby gegen den FCZ? Irankunda lächelt und klopft als Antwort auf den Holztisch. Er sitzt im Besprechungsraum und erzählt aus seinem noch jungen Fussballer-Leben.

Er ist noch ein Baby, als seine Familie den Weg findet aus dem Elend eines Flüchtlingslagers in Tansania. Der Bürgerkrieg in Burundi hat die Eltern aus der Heimat vertrieben. «Ich habe keine Erinnerung an Afrika», sagt Irankunda, «ich weiss nur aus den Erzählungen von Eltern und älteren Geschwistern, dass es sehr hart gewesen sein muss – man möchte nicht zu viel von diesen Erinnerungen hören.» Die Familie hat einen Sohn verloren, eine Schwester sei so krank geworden, dass sie fast gestorben sei. «Ich bin dankbar, dass wir in Australien ein gutes Leben gefunden haben», sagt er.

Nestory Irankunda - The Story | KEEPUP Studios

Mit zwei Brüdern und vier Schwestern wächst Irankunda zuerst in Perth auf, dann in einem Vorort von Adelaide. Er rennt im Park oder im Hinterhof dem Ball hinterher, manchmal mit seinem Vater. Dieser sei ein talentierter Fussballer gewesen, die älteren Brüder ebenfalls. Bald darf Nestory im Klub spielen, als er zu Adelaide United wechselt, können die Brüder nicht mehr im Verein spielen. «Meine Eltern hatten nur genügend Geld, um den Vereinsbeitrag für ein Kind zu zahlen», sagt Irankunda. Jetzt sei er es, der den Traum seines Vaters und der Brüder lebe. «Ich will ihnen möglichst viel zurückgeben.»

«Um Spieler, die auffallen, ist immer ein Hype»

Irankunda debütiert mit 15 Jahren bei den Profis, mit 16 schiesst er sein erstes Tor, ein direkt verwandelter Freistoss. Der Clip mit Irankundas mehrfachen Rückwärtssaltos geht viral, «so haben wir schon als Kinder ein Tor gefeiert», sagt er. Fortan kann er sich nicht mehr ungestört bewegen, ein Foto hier, ein Autogramm da. «Um Spieler, die auffallen, ist immer ein Hype», sagt er. Einerseits sei das ein gutes Zeichen, er hoffe natürlich, dass der Hype anhalte und noch viel grösser werde. «Anderseits bin ich ein ruhiger Mensch und will mich darauf konzentrieren können, was in meinem Job wichtig ist.»

Was für Irankunda wichtig ist, weiss Jochen Sauer. Er ist Direktor Nachwuchsentwicklung und Campus im FC Bayern München, zudem Geschäftsführer des Joint Venture Red & Gold, der Partnerschaft mit dem Los Angeles FC. Letztgenannter wiederum ist seit anderthalb Jahren Besitzer der Grasshoppers. «Wir sind sehr zufrieden mit den Fortschritten von Irankunda», sagt Sauer, «aber die Entwicklung auf sein bestes Leistungsniveau ist noch nicht zu Ende.»

Irankunda könnte aus Sicht von GC ein erstes Beispiel werden, dass die Netzwerkverbindungen eine Frucht tragen. Aus Sicht der Bayern kann sich GC als Partner beweisen, der Talente weiterbringt. Die Bayern verpflichteten Irankunda nicht mit dem Versprechen, dass er ab Sommer neben den Bayern-Stars in der Allianz-Arena spielt. Vielmehr war es eine Investition in eine mögliche Zukunft bei Deutschlands Primus.

Als Irankunda nach dem ersten Spiel für Australiens Nationalteam sein Land, seine Familie und Freunde im Sommer verlässt, ist er in München zuerst einmal überwältigt. «Klar war ich fasziniert von den grossen Namen wie Harry Kane, Joshua Kimmich oder Michael Olise. Aber wir spielen das gleiche Spiel, wir alle wollen werden wie Lionel Messi oder eben Harry Kane», sagt Irankunda. Nach der Angewöhnungszeit im Bayern-Campus und einigen Einsätzen mit der zweiten Mannschaft beginnt sich eine Leihe abzuzeichnen.

«Was ist das Beste für den Spieler, wo kommt er auf Einsatzzeit, bei welchem Klub in welcher Liga ist Irankundas Profil gefragt, wo kann er sich am besten entwickeln, welches kulturelle Umfeld ist das Beste für den Spieler?» So fasst Sauer zusammen, wie die Bayern Möglichkeiten prüfen, die Campus-Spieler für den Reifungsprozess an andere Klubs auszuleihen. Viele kehren nicht mehr zurück, andere wie David Alaba, Toni Kroos, Philipp Lahm oder zuletzt Josip Stanisic wurden nach einer Lehr- und Wanderzeit Bayern-Stammspieler.

Für Irankunda war GC der Klub für die nächsten Schritte. «Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht war», sagt Irankunda über den Zeitpunkt, als ihm die Bayern-Verantwortlichen die Ausleihe nach Zürich näher brachten. «Ich hatte ein gutes Gespräch mit Vincent Kompany, dem Bayern-Cheftrainer. Er hat mir erklärt, dass er viel von mir hält und wo ich mich verbessern kann», sagt Irankunda. «Nach zwei, drei Wochen Überlegen habe ich mich entschieden und fühle mich jetzt sehr gut bei GC.»

«Flausen, aber das muss so sein»

Auch den Grasshoppers tut Irankunda gut. Mit seinem Dribbling, seinem Tempo und seinem Spielwitz belebt er die Offensive und ist sich auch nicht für Zweikämpfe und lange Wege zu schade. Wer ihm zuschaut, wird manchmal an den jungen Xherdan Shaqiri erinnert. Oder an Willi Gnonto, der einst im FCZ zauberte. «Er hat noch Flausen, aber das muss so sein, weil er noch jung ist», sagt der GC-Trainer Tomas Oral. Mit einem Top-Talent wie Irankunda zu arbeiten, mache Spass, «Nestory ist ein Wettkampf-Typ, es braucht nicht viel, um ihn ein wenig zu lenken», sagt Oral mit einem Grinsen. «Wichtig ist vor allem, dass die Mannschaft einen Jungen mit so viel Talent und mit dem Bayern-Etikett an- und aufnimmt», sagt Oral. Das sei gut gelungen.

Irankunda holt Luft. Kann er sich vorstellen, eine weitere Saison bei GC zu bleiben? Er sagt: «Ich mag die Bälle nicht.» Die Bälle? «Sie sind hier hart wie Stein, das gefällt mir nicht.» Sonst verrät er nichts über seine Gedanken. «Diese Frage steht momentan nicht im Raum», sagt er. Der Traum von der Allianz-Arena in München soll nicht bei den Grasshoppers enden. Im Gegenteil, er will ihm bei GC näherkommen.

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