Donnerstag, November 14

Der Ranger Urs Wegmann hat die Zürcher Biberfachstelle aufgebaut. Jetzt soll er für das Bundesamt für Umwelt zwischen Wolfsfreunden und Wolfsfeinden vermitteln.

Wolf statt Biber: Der Zürcher Urs Wegmann wird ab März die Sektion Wildtiere und Artenförderung des Bundesamts für Umwelt leiten.

Urs Wegmann kennt sich aus mit Wildtieren, die zubeissen. Zum Beispiel mit Bibern. Der frühere Leiter der Biberfachstelle des Kantons Zürich weiss: Mit ihren Schneidezähnen können die Nagetiere einen Druck von bis zu 100 Kilogramm erzeugen. Kein Wunder also, dass Biber dicke Äste und ganze Baumstämme innert Stunden abnagen: Baumaterial für Dämme und Wohnbauten aus Holz, mit denen die Pflanzenfresser ihren Lebensraum immer wieder nach ihren Bedürfnissen gestalten: Die pelzigen «Landschaftsarchitekten» sind eine einzigartige Erscheinung im Tierreich.

Sie fällen Bäume, kleine Zweige können sie aber auch mit ihren Vorderpfoten festhalten, um daran herumzuknabbern. Biber sind arbeitsam, zielstrebig, rabiat in den Methoden zwar, aber auch filigran. All das kommt dem Menschen irgendwie vertraut vor. Somit scheint klar: Die putzigen Nager sind Sympathieträger.

Aber man sollte sie nicht unterschätzen. «Wenn der Hund überlebt, hat er Glück gehabt», sagte Wegmann in einem Interview, als er im vergangenen Jahr darauf angesprochen wurde, dass Hunde am Greifensee und an der Glatt im Kanton Zürich von Bibern gebissen worden seien. An der Sihl in Zürich Brunau soll einer dieser Nager einen Vierbeiner mit dem Schwanz geschlagen haben.

Über 440 Biber im Kanton Zürich

An solche Nutzungskonflikte an Seen, Flüssen und Bächen im Grünen wird man sich gewöhnen müssen. Auch wenn die Bibervorkommen laut der jüngsten Zählung 2022 leicht zurückgingen. In Zürich leben schätzungsweise 440 Biber, verteilt auf 133 Reviere. Die meisten davon befinden sich in der nördlichen Hälfte des Kantons, am Rhein, an Thur, Töss und Glatt und ihren Nebenflüssen.

Hier könnten sich neue Aufgaben für Ranger ergeben – für fachkundige Botschafter also, die in Naherholungsgebieten unterwegs sind und zwischen den Bedürfnissen von Spaziergängern, Hundebesitzern, Joggern und Velofahrern einerseits und jenen der wilden Natur zu vermitteln versuchen.

Dieser Aufgabe hat sich auch Urs Wegmann verschrieben. Der 52-Jährige hat die Zürcher Biberfachstelle aufgebaut, er arbeitete für die Greifensee-Stiftung und führte dort das Ranger-Team. Bis im vergangenen Mai war der Bassersdorfer Geschäftsführer der Stiftung, die sich für eine umsichtige Nutzung des grössten Naturschutzgebiets des Kantons einsetzt. Seither konzentriert sich der ausgebildete Forstwart auf eine private Firma, die Ranger-Dienstleistungen anbietet.

Wie viele Wolfsrudel sollen es sein?

Doch nicht mehr lange. Im März 2025 wird Wegmann eine Stelle beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) in Bern antreten. Es ist nicht irgendein Posten, sondern womöglich der spannendste des ganzen Bundesamts: Als Leiter der Sektion Wildtiere und Artenförderung wird Wegmann zum neuen «Mister Wolf» des Bafu. Wie der «Sonntags-Blick» berichtet, hat Bundesrat Alber Rösti (SVP) mit Wegmann endlich einen Nachfolger für den Walliser Reinhard Schnidrig gefunden, der das Bafu Ende April verlassen hatte, um sich frühzeitig pensionieren zu lassen.

Kein Sektionschef des Bafu musste häufiger Auskunft geben, keiner wurde vom Parlament und von der Presse öfter befragt als Schnidrig. Keiner dürfte Teile der Bergbevölkerung mehr erzürnt haben als er. Die Debatte um das Raubtier in der Schweiz kennt in der Regel keine Grautöne. Es gibt Wolfsfeinde und Wolfsfreunde. Wegmanns Vorgänger wurde Letzteren zugerechnet.

Die Ernennung des Ranger-Unternehmers aus Zürich kommt zu einem delikaten Zeitpunkt. Bis Ende Jahr will der Bundesrat die revidierte Jagdverordnung verabschieden, die auf den 1. Februar 2025 in Kraft treten soll – genau einen Monat bevor Urs Wegmann seinen neuen Job im Bafu beginnt. Die neue Verordnung legt die minimale Anzahl Wolfsrudel fest, die für einen Fortbestand der Art in der Schweiz als notwendig erachtet wird. Die Alpenkonvention, der alle Länder des Alpenraums angehören, hatte 20 vorgeschlagen. Für die Bauernlobby wären 5 Rudel genug. Schnidrig hatte für 17 plädiert.

Bundesrat Rösti verfolgt nun einen Kompromiss: 12 Rudel sollen es sein.

«Ich habe eine starke Verbundenheit zur Natur»

Das sind viel weniger, als heute tatsächlich in der Schweiz leben. Laut der Stiftung Kora gab es im vergangenen Jahr 313 Wölfe beziehungsweise 35 Wolfsrudel hierzulande, 25 Rudel mehr als drei Jahre zuvor. Der Wolf bleibt zwar eine geschützte Art. Aber in Gebieten, die mehr Rudel aufweisen als minimal notwendig, dürfen überschüssige Bestände künftig «präventiv reguliert» – also Tiere abgeschossen werden. Es sei denn, sie richten keine Schäden an.

Die Kantone müssen ihre Abschusspläne begründen. Das letzte Wort darüber hat das Bafu. Womit wir wieder bei Urs Wegmann wären, dem künftigen «Mister Wolf» des Bundesamts. Der frühere Leiter der Ranger am Greifensee war am Montag nicht zu erreichen. Das Bafu teilt auf Anfrage mit, dass er über «fundiertes Wissen in den Bereichen Wildtiere, Artenförderung und Wald» sowie über Führungserfahrung verfüge. Er kenne beide Bedürfnisse gut: die der Landwirtschaft und jene des Naturschutzes.

In einem Porträt im «Tages-Anzeiger» sagte Wegmann vor Jahren einmal: «Ich habe eine sehr starke Verbundenheit zur Natur.» Als «Mister Wolf» wird er sich künftig fragen müssen: Welche Natur ist damit gemeint – grasende Schafherden oder umherziehende Wolfsrudel?

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