Mittwoch, Januar 22

Die Kronfavoriten für die Bundesratswahl sagen ab. Doch die Mitte verfügt über eine bunte Truppe kantonaler Regierungsräte – vom Aargauer EU-Versteher bis zum Unverwüstlichen aus dem Wallis.

Man hätte es ahnen können. Bereits vor sieben Jahren, als sich die damalige CVP anschickte, die Nachfolge von Bundesrätin Doris Leuthard zu regeln, haben die Schwergewichte der Partei reihenweise abgesagt. Gerhard Pfister war auch damals Favorit und zog sich zurück, Pirmin Bischof, der Gruppenchef im Ständerat, tat es ihm gleich, weitere vermeintlich ehrgeizige Ständeräte ebenfalls. Am Ende wurde die Walliserin Viola Amherd gewählt, die diesseits der Alpen weitgehend unbekannt war.

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Heute heisst die CVP Mitte. Sonst hat sich wenig verändert. Auch jetzt, angesichts des Rücktritts von Amherd, werfen die bekanntesten Papabili in corpore das Handtuch. Gerhard Pfister, Martin Candinas, Benedikt Würth, Isabelle Chassot – alle haben verzichtet.

Doch dem Vernehmen nach gibt es in der Schweiz auch ausserhalb des Bundeshauses intelligentes Leben. Je stärker sich das Kandidatenfeld in Bern lichtet, je mehr profilierte National- und Ständeräte absagen – desto mehr richtet sich der Fokus der Bundesratssuche auf die Rathäuser dieses Landes: auf die Regierungs- und Staatsräte.

An Personal fehlt es nicht. Mit 41 Regierungsrätinnen und Staatsräten ist die Mitte schweizweit die stärkste Kraft in den kantonalen Exekutiven. Der Parteichef Pfister hat diesen Personalpool am Montag ausdrücklich gepriesen, nicht nur er scheint auf Kandidaturen aus den Kantonen zu hoffen.

Doch wer will – und wer hat eine Chance?

Christophe Darbellay, der Unverwüstliche

Dass er sich am schnellsten, am klarsten und am lautesten selbst ins Spiel gebracht hat, überrascht wohl niemanden: Christophe Darbellay, seit 2017 Staatsrat im Wallis, zuvor Präsident der CVP Schweiz, Nationalrat sowie Mitorganisator der Blocher-Abwahl. Sein Ehrgeiz ist beidseits der Alpen gut dokumentiert. Bundesratsträume soll der 53-Jährige schon früher gehegt haben, nach der Wahl Amherds sind sie geplatzt – nun aber, nach den Absagen der jüngsten Tage, scheinen sie unverhofft neu aufzuleben.

Das Timing ist für Darbellay ungünstig, am 2. März finden im Wallis kantonale Wahlen statt, just zehn Tage vor der Bundesratswahl. Würde er tatsächlich Nachfolger von Amherd, müssten die Walliser sogleich neu wählen. Doch davon lässt sich ein Darbellay nicht aufhalten. Er hat sich noch nicht definitiv festgelegt, sein Interesse aber relativ klar deponiert. Der Zug in den Bundesrat fahre nur einmal vorbei, sagte er der Zeitung «Le Nouvelliste».

Lukas Engelberger, der Mann neben Berset

Bei Lukas Engelberger hingegen passt das Timing eigentlich perfekt. Er sitzt seit fast elf Jahren als Gesundheitsdirektor in der Basler Regierung, und in der Stadt fragt man sich schon lange, wann er einen nächsten (politischen) Schritt machen könnte. Als National- und Ständeratskandidat wird er immer gehandelt. Warum nicht auch als Bundesrat?

Er ist 49 Jahre alt, ein perfektes Alter, und als Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren weiss er auch, wie in Bern politisiert wird. Zwei Probleme gibt es jedoch. Erstens: Mit Beat Jans wurde erst gerade ein Basler in die Landesregierung gewählt, und auch deshalb sagt Engelberger im «Blick», dass eine Kandidatur «aktuell nicht im Vordergrund» stehe. Zweitens, vielleicht entscheidender: Engelberger ist ein seriöser Schaffer, unideologisch, nach links der Mitte schielend, mit dem man also auch im links-grünen Basel gut zusammenarbeiten kann.

In der Corona-Pandemie hat er sich im bürgerlichen Lager nicht nur Freunde gemacht, da er stramm Alain Bersets Kurs mitgetragen hat. Das passt zu Engelberger, der keiner ist, der die grossen Linien zeichnet, vorangeht. Aber eine Bundesratskandidatur, die brauchte Mut.

Anton Lauber, der Gmögige

Einer, der diesen Mut besässe, wäre Anton Lauber. Der Finanzdirektor in Baselland gilt im fünfköpfigen Regierungsgremium als jener, der bestimmt, wo es lang geht. Ausserdem hat er, was bei Bundesratswahlen immer wichtiger zu werden scheint: den «Gmögigkeitsfaktor». Volksnah, redselig, nicht intellektuell verkopft. Im Baselbiet gibts deswegen erste, allerdings lauwarme Gerüchte. Allerdings ist Lauber schon 64 und noch nie in Bern tätig gewesen.

Reto Wyss, der Pragmatiker

Der Luzerner Finanzdirektor, 59, gilt als sachlicher Regierungsrat, als «trockener Pragmatiker» («Luzerner Zeitung»). Rechts der Mitte politisierend, hat er es geschafft, die Finanzen der Zentralschweizer merklich zu verbessern – und das in nur fünf Jahren im Amt (zuvor war er Bildungsdirektor). Luzern wird im Nationalen Finanzausgleich wohl bald vom Nehmer- zum Geberkanton. Ein überaus ordentlicher Erfolg für Wyss.

Valérie und Laura Dittli, die Zukunftshoffnungen

Besonders umschmeichelt werden in politischen Parteien jene, die als grosse Talente angesehen werden, geadelt als «Zukunftshoffnung» oder «Bundesrätin in spe». Auch die Mitte hat Politikerinnen, die die Partei zu höherem berufen sieht, irgendwann zumindest: die Dittli-Schwestern, die «aufregendsten Schwestern der Schweizer Politik», wie der «Tages-Anzeiger» vor zweieinhalb Jahren befunden hat.

Warum auch nicht, schliesslich wurden im Jahr 2022 sowohl Valérie (Waadt) als auch Laura (Zug) in die Kantonsregierung gewählt. Im Alter von nur 29 und 31 Jahren. Ob sie die Politik bereits «erobert haben», wie es der «Blick» mal geschrieben hat? Noch nicht ganz. Valérie Dittli musste in der Westschweiz schon eine Steueraffäre und eine Kontroverse um ihre Doktorarbeit aushalten (mit Erfolg), Laura Dittli wird gelobt für ihre Arbeit in Zug, hat aber darüber hinaus nicht von sich reden gemacht.

Da wäre es vielleicht an der Zeit, mal wieder auf sich aufmerksam zu machen, mit einer Bundesratskandidatur etwa. Und einen Vorteil hat zumindest Laura Dittli auch noch – Gerhard Pfister hat in der «Zuger Zeitung» über sie gesagt: «Laura ist mutiger als ich.»

Markus Dieth, der EU-Erklärer

Um ihn ist es erstaunlich lange ruhig geblieben. Dabei gehört Markus Dieth als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen von Amtes wegen zu den Kronfavoriten ausserhalb des Bundeshauses. Seit 2017 ist er Finanzdirektor im Aargau, er ist 57 Jahre alt, als Major der Fliegerabwehrtruppen leistete er laut der «Aargauer Zeitung» fast 1000 Diensttage – alles in allem nahezu ideale Voraussetzungen für eine Bundesratskandidatur, zumal der Neue vermutlich das Verteidigungsdepartement (VBS) übernehmen muss. Dieth wollte sich bisher nicht zu seinen Plänen äussern. Auf Skepsis stossen würde er wohl bei der SVP, weil er sich im Namen der Kantone entschlossen hinter das geplante Verhandlungspaket mit der EU stellt.

Karin Kayser-Frutschi, die Chefin vom Bürgenstock

Ihr Name fiel als einer der ersten, was zwar ein Kompliment, aber nicht zwingend ein Vorteil ist: Karin Kayser-Frutschi, Regierungsrätin in Nidwalden und Co-Präsidentin der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Gegenüber mehreren Medien hat die 58-Jährige erklärt, sie sei bereits im Gespräch mit der Partei. Temporäre nationale Bekanntheit erlangte sie vor einem Jahr als Sicherheitschefin der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock.

Oder dann doch jemand aus dem Bundeshaus

Die Statistik der Bundesratswahlen ist für Regierungsräte niederschmetternd. Dass jemand aus einem Rathaus den Wechsel ins Bundeshaus schafft, ist selten. Schaut man auf die Wahl der letzten 50 Magistraten, wird klar: Nur jeder Fünfte sass zuvor nicht im Parlament. Die letzten drei: Beat Jans (SP), Eveline Widmer-Schlumpf (SVP / BDP) und Micheline Calmy-Rey (SP). Die letzte Mitte-Vertreterin, der das Kunststück gelang, war Ruth Metzler – im Jahr 1999.

Dass das Bundesparlament im Zweifel lieber jemanden aus den eigenen Reihen wählt, liegt in der Natur der Sache. Man kennt sich, kann sich einschätzen. Fragt sich nur, wer denn nun für die Mitte antreten wird. Nach den bisherigen Absagen richten sich die Augen insbesondere auf die Ständeratsmitglieder Erich Ettlin und Andrea Gmür sowie auf Yvonne Bürgin, Philipp Kutter, Thomas Rechsteiner und Markus Ritter aus dem Nationalrat.

Will heissen: Die Chancen, direkt aus einer kantonalen Regierung den Sprung in den Bundesrat zu schaffen, waren wohl schon lange nicht mehr so gut wie heute.

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