Freitag, Oktober 25

Der Vollbart hat ausgedient, männliche Stilvorbilder wie Jacob Elordi und Paul Mescal tragen nun einen Hauch von Bart. Was hat es auf sich mit diesem Trend?

Es brechen goldene Zeiten an für Männer, denen die Gene einen dichten Bartwuchs vorenthalten haben: En vogue ist derzeit ein Flaum auf der Oberlippe, der aussieht, als wäre ein Teenager dabei, sich zum ersten Mal einen Schnurrbart zu züchten. All jene einigermassen jungen Männer, die gerade als stilbildend gelten, tragen so einen: die Schauspieler Jacob Elordi, Timothée Chalamet und Paul Mescal. Der Musiker und die Stilikone Harry Styles. Der Rapper und Rihanna-Gefährte ASAP Rocky. Der Flaum tritt an der Oberlippe auf, manchmal auch an Wangen und Kinn.

Wird da eine Not zur Tugend erhoben? Oder ist der Flaum Auswuchs einer neuen Männlichkeit? Auf jeden Fall kann man sich so grossartig abgrenzen von all den Bärten vergangener Jahrzehnte: von den glatten Wirtschaftswunder-Männergesichtern, vom dichten Hippie-Vollbart, von den virilen Magnum-Schnäuzern der 1980er, vom vor nicht allzu langer Zeit noch mit Spezialöl gepflegten Hipsterbart und auch von den mit scharfen Linien gezogenen Kunstwerken aus den überall aufpoppenden Barbershops.

Bloss nicht zu viel Bart zeigen: Der Schauspieler Paul Mescal und der Musiker ASAP Rocky.

«Dirtbag Moustache» oder «Trash Stache»?

Die deutsche Sprache hat kein Wort, das dieser Gesichtsbehaarung so richtig gerecht wird. Bärtchen, Flaum, zarter Schnauz – alles zu niedlich. Denn das ist dieser Bartwuchs nicht. Er hat etwas Romantisch-Verschlagenes, wer ihn sich stehen lässt, sieht aus wie ein Kleinkrimineller mit schwerer Kindheit, aber gutem Herzen.

Im englischen Wortschatz wird man dementsprechend fündig: «Dirtbag Moustache», Drecksack-Schnurrbart, wird er genannt oder, neuer, «Trash Stache», Abschaum-Stachel, ein Begriff, der durch die Netflix-Serie «The Gray Man» geprägt wurde. Natürlich trug der Antagonist den derartigen Schnauz. Dazu passen auch die anderen Referenzen: In den vierziger Jahren war dieser Stil schon einmal angesagt, Clark Gable machte ihn als zynischer Charmeur Rhett Butler in «Vom Winde verweht» (1939) berühmt. Brad Pitt trug ihn dann wieder als charismatisch-brutaler Widerstandskämpfer im 2009 erschienenen Film «Inglourious Basterds».

Warum der «Dirtbag Moustache» gerade jetzt auftaucht? Hat man nicht von Natur aus wenig Bartwuchs, braucht es durchaus Zeit, Energie, Wissen, sich einen solchen stehen zu lassen. Das passt also zum derzeit gerne gepflegten Understatement, zum vergleichbar simplen weissen T-Shirt, das aber mehrere hundert Franken kostet. Oder zu aufwendigen Make-ups, die aussehen sollen, als wäre man gar nicht geschminkt. Gleichzeitig kokettiert der «Dirtbag Moustache» aber auch mit dem Unfertigen, Heruntergekommenen, Lässig-Nachlässigen, so wie abgenutzte Schuhe oder Jeans, deren Hersteller für genau diesen Effekt bezahlt wurden.

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