Mittwoch, Oktober 2

Nur für wenige medizinische Check-ups ist nachgewiesen, dass sie nützen und mit vertretbaren Risiken einhergehen. Eine Orientierungshilfe.

Warum nicht gleich den Platinum-Check-up, um ganz sicher zu gehen? Im Check-up-Zentrum in der privaten Klinik Hirslanden in Zürich kann man seinen Gesundheitszustand von Kopf bis Fuss überprüfen lassen.

Im Basic-Check-up werden mehr als zwei Dutzend Werte in Blut und Urin analysiert, die Herzströme aufgezeichnet, die Lungenfunktion getestet, Sehvermögen und Augendruck geprüft und die Körperzusammensetzung gemessen. Im Classic- und im Executive-Check-up sind die Untersuchungen ausführlicher, und es kommt unter anderem noch ein Wirbelsäulen-Check und ein Massnahmenplan mit Beratung hinzu. Im Platinum-Check kommt der ganze Körper in die Magnetresonanztomografie, es wird in Magen und Darm hineingeschaut, es gibt eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern, und die Gene werden auf Erbkrankheiten untersucht.

Die Check-ups kosten zwischen 1300 und 8900 Franken. Bezahlen muss der Kunde das selbst – oder seine Kasse nach einem Zuschuss fragen. Neben privaten Kliniken bieten auch öffentliche Spitäler solche umfangreichen Check-ups an. «Check-ups wie diese sind ein lukratives, aber fragwürdiges Geschäftsmodell», sagt Stefan Neuner-Jehle, Internist am Institut für Hausarztmedizin an der Uni und im Unispital Zürich. «Die Angebote nutzen die Wünsche der Kunden nach maximaler Sicherheit aus – und deren Gefühl, mehr sei besser.» Nur für wenige Check-ups ist wissenschaftlich belegt, dass sie einen Nutzen haben, und diese werden auch meist von der Grundversicherung bezahlt. In der Schweiz gibt es eine gute, auch für Laien verständliche Übersicht auf der Homepage des Non-Profit-Vereins Eviprev. Die Abkürzung steht für evidenzbasierte, also auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Prävention.

Welche Check-ups empfohlen werden

  1. Für Menschen ab 50 alle zwei Jahre ein Test auf Blut im Stuhl oder alle zehn Jahre eine Darmspiegelung zur frühzeitigen Erkennung von Darmkrebs.
  2. Für Frauen ab 21 alle drei Jahre ein Gebärmutterhals-Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs.
  3. Für alle Personen ab 18 alle drei Jahre beziehungsweise ab 40 jedes Jahr eine Blutdruckmessung, um Bluthochdruck zu bemerken.
  4. Für Menschen mit sexuellem Risikoverhalten – etwa Männer, die Sex mit Männern haben, oder Menschen mit vielen Sexualpartnern – jährlich ein Test auf HIV und Syphilis.

Wie sehr diese Check-ups nützen, zeigt sich beispielsweise darin, dass mit Darmspiegelungen ab 50 Jahren pro 1000 untersuchte Personen 58 Darmkrebs-Erkrankungen und 27 Todesfälle durch Darmkrebs verhindert werden können, weil Krebsvorstufen rechtzeitig erkannt und entfernt werden. Demgegenüber kommt es nur selten zu schwereren Komplikationen. Pro 10 000 Spiegelungen treten 5 grössere Blutungen auf, und in 3 Fällen wird aus Versehen der Darm durchstochen. Für andere Check-ups ist der Nutzen zwar weniger deutlich nachgewiesen, aber es gibt auch ganz gute Daten.

Weitere mögliche Untersuchungen

  1. Alle drei Jahre Gewicht kontrollieren, um unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthrose und Diabetes vorzubeugen.
  2. Alle zwei bis fünf Jahre Cholesterin und Triglyzeride bestimmen lassen, damit Herz-Kreislauf-Krankheiten vermieden werden können.
  3. Ab 40 alle ein bis drei Jahre den Blutzucker messen lassen, um Typ-2-Diabetes frühzeitig zu erkennen.
  4. Männer, die rauchen oder einmal geraucht haben: ab 65 Jahren einmal die Bauchschlagader mit dem Ultraschall auf eine krankhafte Erweiterung – ein Aneurysma – checken lassen.
  5. Menschen mit sexuellem Risikoverhalten: regelmässige Tests auf Gonokokken, Chlamydien, Hepatitis B und C.

Für die Mammografie, den PSA-Test und die Computertomografie zur Erkennung von Brust-, Prostata- beziehungsweise Lungenkrebs ist nicht eindeutig, ob der Nutzen die Nachteile überwiegt. «Es gibt hier kein klares Ja oder Nein wie für die anderen Untersuchungen», sagt Reto Auer, Internist am Institut für Hausarztmedizin der Uni Bern und wie sein Kollege Stefan Neuner-Jehle unabhängiger wissenschaftlicher Berater für Eviprev.

Die Check-ups können zwar Krebs frühzeitig erkennen, bergen aber ein Risiko für Überdiagnosen. Lassen 1000 Frauen zwischen 50 und 74 Jahren zehn Jahre lang alle zwei Jahre Mammografien durchführen, sterben 7 Frauen weniger an Brustkrebs. Andererseits lassen 146 Frauen unnötigerweise eine Biopsie machen wegen «falschen Alarms», und 19 werden mit einer Operation und anderen Therapien behandelt, obwohl das gar nicht notwendig gewesen wäre. «Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Frau die Vor- und Nachteile verständlich erklären lässt und dann für sich einen Entscheid trifft», sagt Auer. Ähnliches gilt für die PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostatakrebs und die Computertomografie bei starken Rauchern.

Von folgenden Check-ups raten die Experten explizit ab

  • Screening auf Krebs in Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, Eierstöcken und Hoden;
  • Elektrokardiogramm zur Entdeckung einer koronaren Herzkrankheit;
  • Ultraschall der Halsschlagadern zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen;
  • Lungenfunktionstest zur Früherkennung einer chronischen Lungenkrankheit;
  • Urintest auf Bakterien bei Nicht-Schwangeren.

Es gibt keine Belege, dass man mit diesen Untersuchungen wirklich die jeweiligen Krankheiten früher erkennen und behandeln kann. Dafür besteht das Risiko für Komplikationen durch Folgeuntersuchungen. Ist zum Beispiel das Elektrokardiogramm auffällig, werden als nächster Schritt die Herzkranzgefässe mit Kontrastmittel im Röntgen darstellt, was ein Risiko birgt für Nierenprobleme, Schlaganfall, Herzinfarkt oder gar Tod.

Auch eine Ganzkörper-Magnetresonanztomografie zahlt sich nicht aus: In 95 Prozent der Fälle werden Auffälligkeiten gefunden, von denen sich ein Grossteil später als harmlos herausstellt. Es werden aber diverse Untersuchungen oder gar Eingriffe durchgeführt, um sicherzugehen – dies geht mit Arztbesuchen, psychischem Stress und Komplikationen einher und kostet Geld.

«Mich stört, dass für die Folgeuntersuchungen dann üblicherweise die Grundversicherung aufkommt», sagt Auer. «Das Gesundheitssystem wird unnötig durch nicht gerechtfertigte Check-ups belastet, nur weil eine Person unbedingt alles abklären will.»

Zu bestimmten Untersuchungen gibt es einfach noch zu wenig Studien, um sie klar empfehlen zu können. Etwa für ein Screening auf Hautkrebs, die Augeninnendruck-Bestimmung oder die Überprüfung der Schilddrüsenfunktion. Wenn man dies unbedingt machen lassen möchte, muss man sich bewusst sein, dass auch diese Tests unnötige Folgeuntersuchungen mit möglichen Komplikationen nach sich ziehen können.

Welche Check-ups die Kassen bezahlen

In Deutschland bekommen Menschen von 18 bis 34 Jahren einmalig von der gesetzlichen Krankenkasse einen Check-up bezahlt und diejenigen ab 35 Jahren alle drei Jahre. Die Untersuchungen beinhalten unter anderem die Messung von Blutdruck, ab 35 Jahren von Cholesterin und Blutzucker, die Abklärung auf Hepatitis B und C und ab 65 Jahren einen Ultraschall der Bauchschlagader.

Zusätzlich werden die Kosten für das Screening auf Brustkrebs, Hautkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs – aber nur die Tastuntersuchung ohne PSA-Test – von den Kassen übernommen. In der Schweiz werden von der Grundversicherung nur Darmspiegelung, Untersuchung auf Blut im Stuhl, gynäkologische Untersuchung mit Abstrich und Auswertung unter dem Mikroskop – aber nicht der HPV-Test – sowie Mammografie in einigen Kantonen bezahlt.

Alle anderen Check-ups muss man selbst bezahlen. Gemäss der Krankenversicherung CSS kostet das von wenigen Franken für Cholesterin, PSA und Blutzucker bis zu mehr als 200 Franken für eine Lungenaufnahme, hinzu kommen 66 Franken für ärztliche Untersuchung, Blutentnahme und Blutdruckmessung.

«Die Realität sieht aber anders aus», sagt Felix Huber, Präsident des Praxis-Netzwerks Medix und Allgemeinarzt in der Medix-Praxis in Zürich Altstetten. «Die Untersuchungen werden in der Regel von der Grundversicherung erstattet. Es findet sich für uns Ärzte immer eine Begründung, um etwas abklären zu lassen, und mit so einem Anlass werden die Tests bezahlt.»

Für Check-ups zum Hausarzt

Doch warum bietet die Klinik Hirslanden so umfangreiche Tests an? Und warum sind dennoch manche Untersuchungen wie die Darmspiegelung nicht enthalten, die Eviprev explizit empfiehlt?

«Die Empfehlungen sind eine wichtige Orientierung, können aber von Fall zu Fall zu einem anderen Vorgehen führen, weil immer auch die individuelle Krankheitsgeschichte eine wichtige Rolle spielt», sagt Hans Groth, Facharzt für allgemeine innere Medizin im Check-up-Zentrum Hirslanden. «Über zusätzliche oder wegzulassende Checks entscheiden wir gemeinsam mit dem Patienten.»

So werde beispielsweise jeder Person ab 50 Jahren auch in einem Basic-Check-up zu einer Darmspiegelung geraten, obwohl sie nicht in diesem Programm aufgeführt ist. Abgesehen davon gehe es den Kunden nicht ausschliesslich um die Detektion von Krankheiten, sagt Groth. «Oft steht eine individuelle Standortbestimmung des Gesundheitszustandes im Vordergrund, und die Betroffenen möchten beispielsweise wissen, ob sie ihre bisherigen Sportgewohnheiten bedenkenlos weiterführen können.»

Zu einer effektiven Krankheitsvorsorge gehören aber nur in geringem Masse technische und Laboruntersuchungen, sondern vor allem ein gesunder Lebensstil und Impfungen. «Bringt man nur eine Raucherin zum Rauchstopp oder einen Sportmuffel zu mehr Bewegung, ist mehr gewonnen als mit zig Check-ups», sagt der Arzt Stefan Neuner-Jehle. Er rät deutlich von kommerziellen, umfangreichen Check-ups ab und sagt: «Die beste Anlaufstelle ist die Hausarztpraxis.»

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