Frankreich, Italien, Griechenland, Portugal und die Schweiz bieten eindrucksvolle Küstenabschnitte – oder deren Binnenland-Pendants. Doch Europas schönste Rivieren sind mehr als nur Orte für Sonne und Wasser: Sie stehen ebenso für Architektur, Kunst, Luxusmode und Geschichte.

Besser bekannt als Côte d’Azur, erstreckt sich der Abschnitt der französischen Mittelmeerküste zwischen Cassis bei Marseille und Menton an der italienischen Grenze – 250 Kilometer lang und mit über 150 Stränden gesegnet, war und ist der glamouröse Küstenstreifen Heimat und Reiseziel für Künstler, Prominente und Geniesserinnen aller Art.

Ganz im Norden thront das «village perché» Roquebrune über dem Mittelmeer und dem Cap Martin mit seinen Buchten, Stränden und Pinienwäldern. Schon Napoleons Gattin Eugénie, Queen Victoria und Kaiser Franz mit seiner Sisi genossen die grandiose Aussicht. Später baute sich Coco Chanel eine Villa in den Hügeln, es folgten Churchill und Adenauer, Greta Garbo und Clark Gable, Le Corbusier und Eileen Gray, doch seltsamerweise ist Roquebrune-Cap-Martin bis heute fast unentdeckt geblieben.

Nur wenige Kilometer südlich liegt Nizza mit Belle-Époque- und Art-déco-Architektur, einer stimmungsvollen Altstadt, den besten Museen der Küste und einem Kiesstrand vor der Haustür. Auf dem Cours Saleya findet täglich ein farbenfroher Markt statt, Antiquitätenliebhaber finden rund um den Hafen das Quartier des Antiquaires mit weit über hundert Geschäften, und Modeinteressierte dürfen sich auf Boutiquen von Chanel, Hermès und Louis Vuitton freuen.

Cannes ist bekannt als Laufsteg der Eitelkeiten, vor allem die drei Kilometer lange Croisette gilt als guter Ort für People-Watching: Badenixen präsentieren ihre Beach-Outfits, coole Typen ihre Vintage-Bikes, elegante Seniorinnen ihre Pudel. Wer genug von Glitzer und Glamour hat, schlendert durch die engen Gassen ins Viertel Le Suquet hinter dem Hafen. Die historische Altstadt existierte schon, als Cannes noch ein Fischerdorf war, in der «Poissonerie «Forville gibt es tagesfrische Austern und ein paar Tische, an denen man sie essen kann.

Künstler wie Picabia, Braque und Matisse bevorzugten das strahlende Licht und die leuchtenden Farben von Saint-Tropez – ihre Werke sind im Musée de l’Annonciade am Hafen zu sehen. Drumherum haben Hermès, Bottega Veneta und Diane von Fürstenberg ihre Geschäfte, vor dem Café Dior des Lices warten fast immer Menschen auf einen Tisch. Wer nicht shoppen will, fährt an die lange Bucht von Pampelonne, mietet sich einen teuren Liegestuhl in einem der eleganten Strandbäder und beobachtet die Megajachten, die in der Bucht vor Anker liegen.

Hoteltipp:

Das «Anantara Plaza Nice Hotel» bespielt ein 1848 eröffnetes, sorgfältig renoviertes Grand-Hotel mit Belle-Époque-Fassade und 51 Zimmern/Suiten mit Terrasse oder Balkon mit Meerblick. Ausserdem: fernöstliches Spa und Rooftop-Restaurant mit Panoramablick, DZ ab 288 Euro.

Eine Riviera reicht den Italienern nicht, es mussten zwei sein: die Riviera Ligure di Ponente östlich von Genua und die Riviera Ligure di Levante westlich der Stadt. Und wie so oft in Italien haben beide Seiten so viele Highlights, dass man gar nicht weiss, wo man zuerst hinschauen soll.

Die Cinque Terre, ganz im Süden an der Grenze zur Toskana, bestehen aus fünf verschlafenen Fischerdörfern und dramatischen Klippen. Die Region gilt als eine der berühmtesten Küstenlandschaften und wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Jährlich kommen bis zu 2,4 Millionen Menschen, um das Auf und Ab zwischen Berg und Meer zu Fuss, mit dem Boot oder dem Zug zu erkunden.

Das zauberhafte Promi-Dorf Portofino lockt mit seinem hufeisenförmigen Hafen und der berühmten Piazzetta, wo man in der alteingesessenen Bar Morena einen Bellini zum Apéritif und im schicken Restaurant I Gemelli die «crudités di mare» zum Abendessen bestellt. Einen Strand gibt es zwar nicht, aber im nahen Santa Margherita Ligure wartet die wunderschöne Bucht von Paraggi mit feinem Sandstrand, kristallklarem Wasser und dem glamourösen Beach-Club Bagni Fiore.

Auf der anderen Seite der Bucht reihen sich die alteingesessenen Badeorte wie Perlen an einer Schnur: Varazze, Finale Ligure, Alassio, Diano Marina und das elegante Sanremo.

Sanremo hat einiges zu bieten: ein elegantes, 1905 eröffnetes Kasino, schöne historische Villen wie die nach ihrem Bewohner Alfred Nobel benannte und im maurischen Stil erbaute Villa Nobel, die Einkaufsstrasse Corso Matteotti mit dem berühmten Teatro Ariston, eine beeindruckende Strandpromenade mit hohen Palmen und Bänken, Skulpturen und gepflegten Blumenbeeten sowie die Spiaggia dei Porti mit feinem weissem Sand und netten Strandlokalen.

Hoteltipp:

Das Hotel Windsor am Strand von Laigueglia bietet Jugendstil und Zeitgeschmack sowie 25 Zimmer mit traumhaftem Blick auf den Golf von Tigullio und dazu ein feines Restaurant, Pool, Spa und Privatstrand, DZ ab 208 Euro.

Auf der Landzunge von Kap Sounion erhebt sich der Tempel des Poseidon. Das Bauwerk aus dem 7. Jahrhundert ist dem griechischen Gott des Meeres gewidmet, seine dorischen Säulen, die sich über das Ägäische Meer erheben, waren lange Zeit für die heimkehrenden griechischen Seefahrer das erste, weithin sichtbare Stück Heimat und ein sicheres Zeichen, es geschafft zu haben. Die Steinsäulen sind so alt und beeindruckend wie die der Akropolis, die rund 70 Kilometer nordwestlich in Athen liegt, aber zehnmal so viele Besucher hat.

Am Poseidon-Tempel muss sich niemand mit ausgefahrenen Ellenbogen die Stufen hinaufdrängen – man kann das Bauwerk in aller Ruhe bewundern und fast ungestört den Blick über die Ägäis bis zu den Inseln im Saronischen Golf schweifen lassen.

Für wohlhabende Griechinnen und Griechen ist die Küste zwischen Sounion und Piräus schon lange eine Top-Adresse – nicht nur wegen Poseidon. An den rund 65 Kilometern am Meer hat das Who’s who der Athener Gesellschaft ein Ferienhaus oder zumindest ein Pied-à-terre. Das Epizentrum ist Glyfada, ein glamouröses Städtchen mit entspanntem Lifestyle, lebhaften Nachtklubs und jeder Menge schicker Restaurants, Läden und Cafés.

Als Highlights gelten die Strände Asteras Beach, Kavouri Beach und Varkiza Beach. Kein Wunder: Das Wasser ist kristallklar, der Sand fein und hell, dazu gibt es elegante Marinas und Beach-Clubs, die auf Mykonos oder Santorin nicht schöner sein könnten. Oder man fährt an den Vouliagmeni-See, ein zwischen Kalksteinfelsen eingebettetes natürliches Thermalbad, das von warmem Meerwasser gespeist wird und mit einem angesagten Beach-Club punktet.

Kennerinnen und Kenner entspannen sich auf der mit Bougainvilleen bewachsenen Terrasse, bestellen im Restaurant griechischen Salat und grillierten Fisch und strecken gelegentlich die Füsse ins Wasser – im Nu sind sie von Hunderten winzigen, silbernen Saugbarben (Garra rufa) umgeben, die an den Zehen knabbern und jede Hornhaut entfernen.

Kulturinteressierte besuchen das prachtvolle, vom Stararchitekten Renzo Piano entworfene Kulturzentrum der Stavros-Niarchos-Stiftung, Naturfreunde das Archelon Sea Turtle Rescue Center, eine Rehabilitationseinrichtung für kranke Meeresschildkröten, und wer auf Grossstadt nicht verzichten möchte, nimmt die Strassenbahn nach Athen und ist in knapp einer Stunde dort.

Hoteltipp:

Das neue «Ace Hotel & Swim Club» bringt Palm-Springs-Feeling nach Griechenland. Die Zimmer in dem brutalistischen Bau mit Terrazzoböden, Travertinwänden und geometrischen Teppichen sind zwar eher klein, dafür gibt es einen tollen Retro-Schwimmklub, DJ und die wohl besten Burger der Küste, DZ ab 199 Euro.

Der Weg ist das Ziel? Hier stimmt das auf jeden Fall! Vom Lissabonner Bahnhof Cais do Sodré fährt fast alle 20 Minuten ein Zug nach Cascais, immer an der Küste entlang mit Blick auf das Meer und mehrere idyllische Praias (Strände).

Bis ins 19. Jahrhundert war Cascais ein unbedeutendes Fischerdorf, das benachbarte Estoril gab es damals noch nicht, an seiner Stelle wuchs ein Wald. 1870 beschloss König Luis I., seine Sommerresidenz vom höher gelegenen und kühleren Sintra an die Küste nach Cascais zu verlegen. Er bezog die im 16. Jahrhundert erbaute Festung und kam von da an jedes Jahr im September. Es dauerte nicht lange, bis der Lissabonner Adel mit seinem Gefolge in Cascais strandete.

Für den kleinen Ort begann eine neue Ära: Adelspaläste und prächtige Villen entstanden, von denen viele noch heute die Klippen hoch über dem Meer zieren. Dahinter wuchs der Ort, denn im Schlepptau der Aristokratie kamen auch immer mehr Bürger der Hauptstadt, um die inzwischen bekannten gesundheitlichen Vorzüge eines Seebades zu geniessen.

Gleich dahinter und gut mit dem Fahrrad zu erreichen sind die spektakulären Strände von Cresmina und Guincho mit wilden Dünenlandschaften und extrem viel Wind. Vor allem Guincho gilt als Hochburg für Wind- und Kitesurfer, manchmal sieht man Hunderte von Segeln auf dem Meer.

Hinter Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt Europas, reihen sich spektakuläre Strandbuchten wie Adraga, Praia Grande und Azenhas do Mar aneinander. Die mächtigen, steil abfallenden Felsen im Hintergrund schützen vor dem Wind, und es gibt genügend Platz, um sich in aller Ruhe zu sonnen. An fast allen Stränden gibt es Verpflegungsmöglichkeiten. Manchmal ist es nur ein Kiosk mit ein paar Tischen und leckeren Sandwiches (Praia da Cresmina), manchmal sind es Restaurants, deren Küche so gut ist, dass die Gäste auch abends zum Essen kommen (Praia da Adraga).

Der schönste Platz direkt am Meer ist jedoch das Restaurante Monte Mar an der Strasse zu den Stränden: ein erstklassiges Fischrestaurant mit weiss gedeckten Tischen, zuvorkommender Bedienung und einer herrlichen Terrasse über den Klippen des oft tosenden Atlantiks. Kein Wunder, dass viele Lissabonner hier Stammgäste sind. Sie kommen am frühen Nachmittag, speisen bis in die Abendstunden und bleiben, weil es so schön ist, gleich über Nacht.

Hoteltipp:

Direkt auf den Klippen neben dem Jachthafen von Cascais gelegen, bietet das «Farol Hotel 33» teilweise von portugiesischen Modedesignern gestaltete Zimmer und Suiten, DZ ab 247 Euro.

Für eine Riviera braucht es kein Meer, ein See tut es auch – zu sehen und zu erleben am Genfersee. Die Waadtländer Riviera lässt sich wunderbar auf einem der nostalgischen Dampfschiffe erkunden, die seit fast 150 Jahren zwischen Genf, Lausanne, Vevey und Montreux verkehren. Gemächlich tuckert man am sichelförmigen Seeufer entlang, vorbei an Le Corbusiers kleiner Villa «Le Lac», an der acht Meter hohen Edelstahlgabel «La Fourchette», die vor der Altstadt von Vevey etwas schräg aus dem See ragt, und weiter am bald tausendjährigen Wasserschloss Château de Chillon mit seinen Wehrtürmen und gotischen Fenstern, bis ans östliche Ende des Sees, wo das Schiff mit dumpfem Tuten am Holzpier von Montreux anlegt.

Dass Montreux eine Hochburg der Musik ist, wird schon an der Uferpromenade deutlich: Hier stehen zahlreiche Bronzestatuen von Stars wie Freddie Mercury, Ella Fitzgerald oder von Igor Strawinsky, der lange in Clarens bei Montreux lebte. Das renommierte Jazzfestival (nächster Termin: 4. bis 19. Juli) lockt ein internationales Publikum an den See, das die schönen alten Belle-Époque-Hotels, aber auch Strandbars wie den «Lilo Beach Club» und Restaurants wie das «Montreux Jazz Café» bevölkert.

Zum Baden geht es an die Plage de Chillon, die nur wenige Schwimmzüge vom Château de Chillon entfernt mit einem geschützten Sand- und Kiesstrand sowie einem von massiven Steinblöcken eingerahmten, fast poolartigen Seewasserbecken lockt.

Kunstliebhaber werden sich über das vor drei Jahren eröffnete Kunstquartier Plateforme 10 in Lausanne freuen: Drei bedeutende kantonale Museen und zwei Stiftungen haben sich hier zusammengeschlossen und zeigen in dem von Aires Mateus entworfenen Prachtbau spannende Ausstellungen. Gourmets zieht es in die Weinberge und Dörfer des Lavaux – mit über 800 Hektaren Rebfläche das grösste zusammenhängende Weinbaugebiet der Schweiz, aber auch landschaftlich von atemberaubender Schönheit und nicht umsonst seit 2007 Unesco-Welterbe.

Und dann ist da noch Genf, die kosmopolitische Bankenmetropole und Sitz international bedeutender Institutionen, aber auch eine Stadt mit stimmungsvoller Altstadt, charmantem Boho-Flair, einem wunderschönen botanischen Garten und dem berühmten Jet d’Eau. Eine Riviera, die man gesehen haben muss.

Hoteltipp:

Im 1885 erbauten «Château d’Ouchy» in Lausanne erinnern 50 geräumige Zimmer und Suiten mit historischen Holztäfelungen oder geschnitzten Decken an das Erbe des Ortes. Das schicke Grillrestaurant hingegen scheint direkt aus New York zu stammen, DZ ab 275 Franken.

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