Montag, November 25

Von der Kartoffel bis zum Rosenkohl wird gerade alles platt gequetscht anstatt wie bisher üblich in glatte, gleichmässige Stücke geschnitten. Was ist dran am sogenannten «Smashen»?

Ob auf Social Media, in den Restaurantküchen oder am heimischen Herd: Überall wird gesmasht. Dabei geht es nicht etwa um jugendliche Begeisterung – als Jugendwort des Jahres 2022 steht «Smash» für das Anbandeln oder Abschleppen –, sondern ganz einfach um das Plattmachen, ja Zerschlagen von Lebensmitteln. Kartoffeln, Gurken, Rosenkohl, Burger: In Tiktok-Kochvideos und angesagten Zürcher Gastro-Lokalen wird gerade alles flach gehauen. Zerstören für den guten Geschmack sozusagen. Woher kommt diese Lust, sein Essen zu zerquetschen?

Für ein überraschendes Mundgefühl

Zuerst waren es die Smashed Potatoes, die vor zwei, drei Jahren plötzlich überall auftauchten; auf der «For You Page» von Tiktok, in der Rezeptsammlung «New York Times Cooking», bei Betty Bossi: Eine gekochte Kartoffel wird mit der Handfläche, einem Stampfer, dem Löffelrücken oder – für die unzimperlichen – mit dem Fleischklopfer zerquetscht und anschliessend im Ofen gebacken.

Der Unterschied zwischen Gschwellti und «Smashed Gschwellti» offenbart sich bereits beim ersten Bissen: Die Kartoffel hat eine Textur, die irgendwo zwischen knusprig und cremig liegt, wie eine Mischung aus Pommes und Kartoffelpüree. Dabei bleibt die Kartoffel unverarbeitet, gesund und einigermassen fettarm.

Das hat nichts mit der filigranen Handwerkskunst eines Kartoffelgratins zu tun – die Zubereitung von Smashed Potatoes ist rustikales Kochen im wahrsten Sinne: einfach, grob, unkoordiniert. Und sehr befriedigend. Auf Gemüse einzuschlagen und es platt zu drücken, ist unterhaltsamer und zufriedenstellender, als sie in ordentliche Stücke zu schneiden. Smashed Potatoes sind ein kleiner Triumph des Chaos über die Ordentlichkeit und Finesse.

Auch der Smashed Cucumber Salad, der ursprünglich aus der asiatischen Küche stammt, ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Zerschlagen von Zutaten deren Konsistenz verändern kann. Dazu kommt die Gurke unter die flach aufgelegte Klinge eines Messers, das anschliessend mit der Hand kräftig nach unten gedrückt wird – so, wie man eine Knoblauchzehe zerdrückt. Alternativ kann auch mit einem Wallholz oder einer vollen Flasche darauf eingedroschen werden. Nach dem Zerdrücken werden die Gurken in grobe Stücke geschnitten oder – noch besser – mit den Händen zerteilt und mit der Sauce vermengt.

In China wird dieser Salat, Pai Huang Gua heisst er, im ganzen Land serviert – seit Jahrhunderten und nicht erst, seit auf Social Media ein regelrechter Hype darum entstanden ist. Aus legitimen Gründen: Durch das Quetschen bekommen die Gurken eine neue Textur – eine Mischung aus knackig, saftig weich und matschig. Eine, die mit einem herkömmlich geschnittenen Gurkensalat nicht zu vergleichen ist. Zudem spaltet es das Fruchtfleisch in Stücke mit schroffen Rändern, rauen Oberflächen und kleinen Rissen, wodurch es Sauce und Gewürze besser aufnehmen kann als glatte, gleichmässige Scheiben.

Der neuste Trend kommt pünktlich zum Saisonstart: gequetschter Rosenkohl. Hierbei wird der Rosenkohl nach dem Blanchieren auf einem Backblech mit einem Glas flach gedrückt, gewürzt und gebacken. Die knusprigen Rosenkohl-Taler bieten danach ein ganz neues Geschmackserlebnis. Selbst diejenigen, die Rosenkohl seit ihrer Kindheit nicht mögen, sollten ihm so noch einmal eine Chance geben.

Und natürlich nicht zu vergessen: der Smashed Burger, einer der grössten Food-Trends des Jahres. Anders als der klassische Hamburger kommt er durch rohe Quetschkraft zu seinem besonderen Aroma. Beim Smashing wird das Fleisch mit einem Spatel oder einer Grillpresse flach gedrückt, so dass es mit der heissen Grillplatte maximalen Kontakt hat und sich eine knusprige Kruste bildet. Das Ergebnis ist ein platt geklopftes Burgerpatty, das besonders kross ist – und obendrein den Vorteil hat, dass es durch seine geringe Dicke perfekt durchgebraten ist. Nach den USA, Australien, London und Deutschland hat der Smash Burger 2024 auch Zürich, Basel und Lausanne erobert; in den letzten Monaten haben zahlreiche neue Lokale eröffnet, die sich auf das platte Burgerpatty im fluffig-weichen Brötchen konzentrieren.

Erfrischend, einfach einmal Dinge platt zu machen

Der Smashing-Trend bringt Einfachheit in die Küche, eine Art Gegenbewegung zur Perfektion und makellosen Ästhetik der letzten Jahre, wo selbst der Hobbykoch mit Sous-vide-Garung experimentiert und nicht mehr ohne selbstgemachte Salzzitronen und Kräuter- und Gewürzöle kocht, das einfachste Gericht wie ein Kunstwerk präsentiert und die Petersilie auf dem Burger mit der Pinzette platziert wird.

In einer Welt, in der alles immer komplexer und perfekter zu werden scheint, ist es erfrischend, einfach einmal die Dinge platt zu machen, statt sie akribisch klein zu schneiden und penibel zu dekorieren. Der Prozess des Smashing ist eine Möglichkeit, die kleinen Aggressionen des Alltags auf etwas Harmloses zu projizieren – und dabei noch etwas Feines zu schaffen. Die Lust der Zerstörung war schliesslich schon immer auch eine schaffende Lust, wie der Anarchist Michail Alexandrowitsch Bakunin einst bemerkte.

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