Die EU möchte ihre Partnerschaft mit Indien vertiefen und bis Ende Jahr ein Freihandelsabkommen schliessen. Die Kommissionspräsidentin reiste daher nun nach Delhi. Doch die Europäer brauchen Indien mehr als umgekehrt.

In Zeiten globaler Umbrüche und geopolitischer Spannungen suchen die Europäische Union und Indien nach Wegen, ihre Beziehungen zu vertiefen. Brüssel strebt dabei an, was der Schweiz und den anderen Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) vergangenes Jahr bereits gelungen ist: den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem einwohnerstärksten Land der Welt. Mit dieser Mission ist die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag mit 21 Kommissaren in die indische Hauptstadt Delhi gereist.

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Im Zentrum der Gespräche stand die wirtschaftliche Zusammenarbeit. «Europa und Indien rücken zusammen – und wie ich in den Nachrichten lese, auch die Planeten. Dieses Ereignis steht für Wandel und Wachstum, und genau an diesem Punkt stehen wir gerade», sagte von der Leyen am Freitagnachmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem indischen Premierminister Narendra Modi.

Modi unterstrich die Entschlossenheit beider Seiten: «Wir haben ein Konzept für die Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Technologie, Investitionen, Innovation, grünes Wachstum, Sicherheit, Qualifizierung und Mobilität erstellt. Unsere Teams sind beauftragt, bis Ende Jahr ein vorteilhaftes Freihandelsabkommen zu schliessen.» Modi weiss, dass indische Fachkräfte weltweit gefragt sind. Das Thema Migration und Arbeitsvisa spielte jedoch keine zentrale Rolle.

Trump droht Indern wie Europäern mit höheren Zöllen

Hingegen standen auf der Agenda des 2023 gegründeten Handels- und Technologierats (TTC) Themen wie Elektromobilität und künstliche Intelligenz. Von der Leyen hob drei Schwerpunkte hervor: gemeinsames Wirtschaftswachstum, eine Technologie-Agenda mit Fokus auf grünen Wasserstoff, Klima und Energie sowie eine verstärkte Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Letztere umfasst den Schutz von Handelsrouten, Cybersicherheit und die Rüstungsindustrie.

Es werde an einem Rahmen gearbeitet, um den Handel mit Rüstungsgütern zu erleichtern, sagte ein EU-Beamter, der an der Reise teilnahm. Der neue konfrontative Kurs Washingtons bringt die EU und Indien einander näher. Modi traf sich kürzlich mit Präsident Donald Trump im Weissen Haus. Trump begrüsste Modi zwar als «Freund», forderte aber eine Senkung der Zölle in Indien. Auch die EU sieht sich mit Zolldrohungen aus Washington konfrontiert.

Von der Leyens Ansatz ist eine strategische Aufwertung des «Freundes und Verbündeten Indien» in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten. «Europa steht für Offenheit, Partnerschaft und Kommunikation», sagte sie. Es war ihr dritter Besuch in Indien – und der erste Auslandsbesuch des Kollegiums der Europäischen Kommission in dieser Zusammensetzung. Die Teilnahme indischer Minister und Kommissare der EU unterstreicht die Bedeutung des Treffens für beide Seiten.

Indien ist in einer stärkeren Position als Europa

Nach dem Brexit haben die Verhandlungen zwischen der EU und Indien wieder an Fahrt gewonnen. Brüssel sucht verstärkt nach Partnern jenseits der USA und Chinas, fordert aber zugleich von Indien die Senkung der Zölle auf europäische Spirituosen, Wein und importierte Fahrzeuge. Indien wiederum hofft auf besseren Zugang zum europäischen Markt für seine Pharmazeutika und Textilien. Ein weiteres Thema ist der Schutz geografischer Herkunftsangaben, um etwa indische Agrarprodukte in der EU schützen zu lassen.

Nach dem zweitägigen Besuch überwiegen positive Signale, doch die Herausforderungen bleiben. Das Efta-Handelsabkommen war verbunden mit einer Investitionszusage über 100 Milliarden Dollar und der Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze in Indien. Auch die EU wird nicht ohne ein milliardenschweres Investitionsabkommen auskommen, um einen Abschluss mit dem «gleichgesinnten Freund» zu sichern. Denn Indien befindet sich angesichts seines Wirtschaftswachstums und seiner geopolitischen Bedeutung in einer stärkeren Position als Europa.

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